Das frühzeitige Wachstum der Wiesen Anfang Mai zieht die Ricken zum Ablegen ihrer Kitze magisch an. Doch auch der Landwirt muss Vorsorge treffen, damit es nicht zum Mähtod der frisch gesetzten Kitze kommt.
Gastbeitrag von Dr. Wolfang Lipps
In jedem Frühjahr werden in Deutschland Tausende von Rehkitzen getötet, weil die Wiesen vor Ende Juni mit schnellen und hochleistenden Maschinen gemäht werden, obwohl allgemein bekannt ist, dass die Rehe in dieser Zeit ihre Kitze vorzugsweise in Wiesen ablegen. Es kommt immer wieder und überall in Deutschland vor, dass nahezu der gesamte Abschluss eines Jahresabschlussplanes auf diese Weise innerhalb von wenigen Tagen vernichtet wird. Das ist nicht nur unverantwortlich gegenüber der Natur und unserer heimischen Tierwelt, sondern es ist auch rechtlich unzulässig.
Die Einzelheiten sind die Folgenden:
1. Wer ist zu Schutzmassnahmen verpflichtet?Es ist eine unter Landwirten weit verbreitete Ansicht, dass es ausschließlich die Aufgabe der Jäger wäre, durch geeignete Maßnahmen dazu beizutragen, dass Kitze nicht totgemäht werden.
Diese Ansicht ist allerdings
falsch.Zwar sind die Jagdausübungsberechtigten verpflichtet, an Maßnahmen zur Kitzrettung ebenso mitzuwirken wie an solchen der Wildschadensverhütung. Das ergibt sich im vorliegenden Falle schon aus der Hegeverpflichtung aus § 1 BJagdG und § 1 LJagdG Bbg.
Die überwiegende Pflicht trifft jedoch den Landwirt. Das hat
vier Gründe. Zum einen trägt der Landwirt die Betriebsgefahr seiner landwirtschaftlichen Maschinen und ist deshalb verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass durch diese Maschinen kein Personen- oder Sachschaden entsteht. Zum zweiten trifft die Hegeverpflichtung den Landwirt genauso wie die Jäger, denn das Landesjagdgesetz Brandenburg bestimmt ausdrücklich, dass die Hege eines gesunden und artenreichen Wildbestandes nicht nur die Aufgabe der Jäger ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zum dritten aber macht sich der Landwirt strafbar, der ohne geeignete eigene Schutzmaßnahmen den Mähtod der Kitze billigend in Kauf nimmt. Letztlich trifft den Landwirt auch eine eigene Schadensersatzpflicht.
2. HegeverpflichtungDie Hege hat die Aufgabe, einen gesunden und artenreichen Wildbestand in Übereinstimmung mit dem Lebensraum des Wildes und unter Berücksichtigung der vorrangigen Interessen der Land- und Forstwirtschaft zu fördern und zu erhalten. Dies ist die oberen bezeichnete gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Da diese Aufgabe sowohl den Landwirt wie den Jäger trifft, sind beide verpflichtet, an dieser Aufgabe mitzuwirken. Der Landwirt kann mithin vom Jäger verlangen, dass er an Maßnahmen mitwirkt, die den Mähtod der Kitze möglichst vermeiden. Der Jäger kann demgegenüber vom Landwirt verlangen, dass er seine Maßnahmen nicht unwirksam macht und dass er, der Landwirt, eigene Maßnahmen ergreift. Es genügt also, dass der Jäger dem Landwirt zum Beispiel Blinklampen und Vergrämungsmittel zur Verfügung stellt, damit der Landwirt diese anwendet.
3. StrafbarkeitMit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet; das bestimmt Paragraph 17 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes. Jeder Landwirt weiß, dass die Rehe ihre Kitze etwa bis Ende Juni vorzugsweise in Wiesen setzen. Deshalb ist es inzwischen zum Beispiel verboten, auf ausgewiesenen Brachflächen vor Ende Juni zu mähen. Jeder Landwirt weiß ferner, dass die heutigen Maschinen so schnell sind, dass es unmöglich ist, während der Arbeit zu erkennen, ob ein Rehkitz im Gras abgelegt wurde, welches dann durch den Kreiselmäher zerstückelt wird.
Ein Landwirt, der sich weder mit den Jägern abstimmt noch eigene Maßnahmen gegen den Mähtod der Kitze unternimmt, nimmt deshalb billigend in Kauf, dass er während des Mähvorganges im Gras abgelegte Kitze tötet. Das nennt der Jurist den "bedingten Vorsatz". Dieser sogenannte bedingte Vorsatz genügt für die Strafbarkeit nach dem Tierschutzgesetz. Der Landwirt oder immer derjenige, der die landwirtschaftliche Maschine bedient, ist also in großer Gefahr, sich strafbar zu machen. Diese Gefahr ist auch sehr akut, denn der Jäger kann am Tage nach der Arbeit leicht feststellen, ob irgendwo ein Kitz getötet wurde. Eine Strafanzeige mit Bildmaterial wird unweigerlich dazu führen, dass der verantwortliche Maschinenführer bestraft wird. Die Gerichte haben das inzwischen auch schon so gesehen. Verwiesen wird auf den Artikel von Mark G. von Pückler in Wild und Hund 9/2005 unter Zitat der Entscheidung des
Amtsgerichts Hadamar vom 29.9.2004 – 1 Ds – 3 Js 12550/034. SchadensersatzNeuere Urteile bestätigen darüber hinaus, dass sich der Landwirt gegenüber dem Jäger schadensersatzpflichtig macht, wenn er gegen das Tierschutzgesetz verstoßen hat, also nicht alles Zumutbare getan hat, um den Verlust von Rehkitzen so gering wie möglich zu halten. Der jeweils Jagdausübungsberechtigte ist nämlich für die Geltendmachung von Schadensersatz aktivlegitimiert also Klageberechtigt noch. Durch die Tötung von Rehkitzen wird nach der Auffassung der Gerichte das Jagdausübungsrecht insbesondere in der Form des sich daraus ergebenden Aneignungsrechts des Jagdausübungsberechtigten, das ihm aufgrund des Pachtverhältnisses mit der Jagdgenossenschaft zusteht, verletzt.
Das Interessante an dieser Rechtsprechung ist, dass der Jäger nicht darauf beschränkt ist, lediglich den Wildbreterlös geltend zu machen. Er kann vielmehr den Preis für lebende Tiere als Schadensersatz geltend machen. Denn der Jäger hat einen Anspruch auf Naturalrestitution, und damit auf Wiedereinräumung des Zustands, in der vor der Tötung der Rehkitze bestand. Dem Jäger kommt es in aller Regel auf das Leben der im Feld befindlichen und durch die Mäharbeiten getöteten Rehkitze an, somit also auf die Erhaltung des Lebens und damit ihren Zuchtwert, so dass für die Bemessung des Schadens von den Gerichten der Zuchtwert zugrundegelegt wird. Der Zuchtwert eines Rehkitzes entspricht den Kosten für die Beschaffung eines Rehs. Deshalb hat schon das Amtsgericht Bitburg, bestätigt durch das Landgericht Trier, ein Rehkitz mit Euro 680,00 bewertet.
Verwiesen werden kann auf die Entscheidung des Amtsgerichts Bitburg 5 C 327/04, rechtskräftig bestätigt durch das Landgericht Trier zum Aktenzeichen 1 S 183/04.
5. SchlussfolgerungFestzuhalten bleibt also, dass sicherlich zunächst einmal und in erster Linie der Jäger eigene Maßnahmen ergreifen muss, um den Mähtod der Kitze in seinem Revier weitgehend zu verhindern. Das entspricht seiner eigenen Hegeverpflichtung, denn „das ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild ".
Gleichzeitig aber trifft den Landwirten in viel höherem Maße eine Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung. Denn den Landwirt trifft nicht nur die gleiche Hegeverpflichtung wie den Jäger als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sondern er läuft darüberhinaus Gefahr, wenn er sich mit dem Jäger nicht abstimmt, diesen von den Terminen nicht unterrichtet, und keine eigenen Maßnahmen ergreift, einerseits wegen eines Vergehens gegen das Tierschutzgesetz bestraft zu werden oder daran mitverantwortlich zu sein, das sein Maschinenführer bestraft wird, und er läuft darüberhinaus Gefahr, Schadensersatz leisten zu müssen.
Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Jagdausübungsberechtigten und insbesondere die eingehende zeitnahe Information des Jagdausübungsberechtigten mindestens 24 Stunden vor Beginn der Arbeiten ist deshalb unerlässlich. Das liegt schon im überwiegenden Interesse des Landwirts.
Der Autor Dr. Wolfgang Lipps ist von Beruf Rechtsanwalt in der
Rechtsanwaltskanzlei
Dr.Wolfgang Lipps und Astrid Lipps
Rechtsanwalt und NotarinDr. Lipps ist zudem Verfasser des
Kommentars zum Brandenburgischen Landesjagdrecht und Autor zahlreicher jagdrechtlicher Publikationen und publiziert
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