Zum Hubertustag ein Gastkommentar von Bertram Quadt
(gehalten als Hubertusrede in Neu-Ulm 2012)
Wir Jäger sind schon ein eigenartiges Volk. Da gehen wir hinaus in
Gottes Schöpfung, bringen eins seiner Tiere darin um, tragen es dann
auf den Schultern in das Haus, das man Seines nennt, und dort loben wir
den lieben Gott mit Hörnerklang und frommen Sprüchen über der von uns
getöteten Kreatur. Und das Ganze tun wir im Namen eines Heiligen, der
uns als Schutzpatron herhalten soll. Sankt Hubertus. Es lohnt sich,
diesen Mann und die Legende um ihn einmal genauer herzunehmen, denn ich
glaube, dass aus den ganzen Widersprüchlichkeiten, die da drin zu finden
sind, einiges an Hirnfutter für uns Jäger liegt. Und Füttern ist
bekanntlich eine Hegemaßnahme, zu der wir gesetzlich verpflichtet sind.
Also, hegen wir uns heute mal ein wenig selbst.
Hubertus gab es
tatsächlich, er wurde um 655 in Toulouse geboren und starb am 30. Mai
727 in Tervuren, das liegt nicht weit weg von Brüssel. Der Mann war
Pfalzgraf am fränkischen Hof. Pfalzgraf, das lässt sich ganz gut mit
einem heutigen Ministerpräsidenten vergleichen, sprich: Hubertus war ein
Großkopferter. Er war verheiratet – mit einer außergewöhnlich hübschen
Frau, das wird ziemlich übereinstimmend berichtet – und er war ein
leidenschaftlicher Jäger. So weit, so gut: mit einem überaus hübschen
Ehegespons sind wir ja alle gesegnet, leidenschaftliche Jäger sind wir
auch, und „Großkopfert“: naja, der ein oder andere ist es, der ein oder
andere glaubt es zu sein.
Hubertus jagte, und dazu ließ er so gut wie keine Gelegenheit aus. Er
jagte mit Hunden, mit Falken, mit dem Ross. Er jagte mit Schwert, mit
Spieß, mit dem Bogen. Und er jagte am liebsten mit der Armbrust. Das
sagt seine Legende deutlich – und das ist der erste Bruch im Bild. Das
sechste Jahrhundert. Beginn der Ritterzeit. Da war die Armbrust eine
geächtete Waffe. Wenn schon Fernwaffe, dann doch bitte den Bogen. Den
muss man beherrschen, das muss man üben! Aber die Armbrust, mit der es
ein jeder Depp kann – wo ist denn da die Ritterlichkeit, wo bleibt da
das Handwerk? Wollten wir das auf Heute übersetzen, da hätte der Heilige
Hubertus wahrscheinlich mit Nachtsicht-Zieloptik und Schalldämpfer
gejagt, oder wäre mit dem Vollernter samt Zehnschussmagazin auf der Jagd
erschienen. So einen hätten manche mit vollem Herzen als
„unwaidmännisch“ verschrien.
Nun aber zu seiner Legende, die Sache
mit seinem berühmten Hirschen. Das hat sich in den Ardennen ereignet –
übrigens eine der schöneren Jagdgegenden in unseren Breiten:
"Als
einst Hubert an einem Karfreitag mit seinem lauten Tross zur Jagd zog,
warnte ihn seine Gattin und flehte ihn dringend an, den ernsten Todestag
des Herrn nicht zu entweihen. Er schien von der liebevollen Warnung
seiner frommen Gattin gerührt, dennoch siegte die Jagdlust. Mit seinem
zahlreichen Gefolge sprengte er durch Wald und Busch, durch Wiesen und
Gründe und verfolgte einen prächtigen Hirschen. Als er demselben nahe
kam und schon den Bolzen nach dem Tiere abdrücken wollte, bleibt
dasselbe plötzlich stehen, wendet sich nach dem Jäger, und mitten in
seinem Geweih erscheint ein strahlendes Kreuz. Eine klagende Stimme
ertönt: 'Hubertus, ich erlöste dich und dennoch verfolgst du mich!'
Hubert erbebte, warf sein Geschoß von sich und flehte innig zu Gott um
Erbarmen. Darauf baute er sich eine Hütte aus Baumzweigen und Schilf und
führte, von der Welt geschieden, in stiller Waldeinsamkeit ein
bußfertiges, abgetötetes Leben."
Und so einer ist unser Schutzpatron? Wir sind schon ein seltsames Volk, wir Jäger.
Nehmen wir diese Legende mal auseinander:
Am Karfreitag.
In den Zeiten der allerfrühesten Jagdgesetzgebung waren der
Weihnachtstag und der Karfreitag, also Geburts- und Todestag des Herrn
Tage, an denen nicht gejagt werden durfte. In Ungarn hat sich dieser
Brauch bis ins 20. Jahrhundert gehalten, weswegen eines der schönsten
Jagdbücher aus diesem Land, nämlich das von Endre Graf Csekonics auch
„Im Land der 363 Jagdtage“ heißt. So, und an diesem Karfreitag hat also
unser lieber Schutzpatron gejagt. Schonzeitvergehen nennt man das
heutzutage. Gut, dass er das entgegen der liebevollen Warnung seiner
lieben Frau tat – die nichtjagdenden Damen im Saal wollen mir das bitte
nachsehen – das nehmen wir mal als lässliche Sünde hin. Aber: mit lautem
Tross, mit zahlreichem Gefolge sprengt Hubertus den Hirsch durch die
ganze Botanik. Mit anderen Worten: der bemitleidenswerte Hirsch wurde
par force gejagt. Sie wissen, was „par force“ heiß? Mit Gewalt!
Sie
wissen auch, was diese Jagdart auf große Wiederkäuer bedeutet? Müd
gehetzt bekommen Sie einen Hirschen mit keiner Hundemeute dieser Welt,
denn wenn es nur ums Flüchten geht: da kann der Hirsch mit seinem enorm
großen Brustkasten deutlich länger als jeder Hund und jedes Ross. Und so
funktioniert die Parforce-Jagd auch nicht. Sie funktioniert sehr viel
ausgedachter. Ein Wiederkäuer muss – das verlangt sein besonderer
Organismus – regelmäßig sich lösen und nässen. Wenn er das nicht kann,
wenn er durch beständige Hetze daran gehindert wird, dann staut sich der
Harn in der Blase, die Losung im Darm, und die darin zum Abtransport
nach außen gebundenen Giftstoffe überwinden die Blutbarriere und wandern
zurück in den Organismus. Der Fachbegriff heißt Urämie,
Harnstoffvergiftung des Blutes.
Die Folgen: Benommenheit.
Herzbeutelentzündung. Punktförmige Blutungen in den Nieren.
Herzmuskelentzündung. Und das geht recht schnell bei einem großen
Ruminatoren wie unserem Rothirsch. Dass der Hirsch des Pfalzgrafen
Hubertus sich den hetzenden Hunden gestellt hat, hat also nur damit zu
tun, dass das Tier so von seinem eigenen Urin und Kot vergiftet war,
dass es nicht mehr weiter konnte. Saubere Jagd das, die unser
Schutzpatron da abgeliefert hat.
Und dann kommt er noch nicht mal
zum Schuss, dann kann er die zuschanden gehetzte Kreatur noch nicht
einmal erlösen. Denn die hat auf einmal ein Kreuz im Geweih. Die schaut
ihn direkt an und redet ihn auch noch direkt an und macht ihm Vorwürfe.
Zumindest glaubt er die zu hören. Sentimental ist er also auch noch. Er
wirft seine Waffe weg, den kaputtgehetzten Hirsch überlässt er seinem
Schicksal – und das wird kein schönes gewesen sein, denn Gottes Natur
kennt wenig Nächstenliebe, die hat er uns Menschen überlassen. Nein, der
Herr Pfalzgraf fällt auf die Knie, wimmert um Erbarmen, lässt die
Welt, Weib und Kinder fahren und verkriecht sich in eine Schilfhütte wo
er hinkünftig ein „abgetötetes“ Leben führt. Somit ist er also
wahrscheinlich Vegetarierer oder gar Veganer geworden. Und das ist dann
unser Schutzpatron. Schöner Patron. Könnte man jetzt denken.
Man
kann aber auch anders, man kann nicht nur, man muss. Hubertus steht uns
als Patron da, weil wir an seinem Beispiel gewaltig viel lernen können.
Zu aller erst einmal wie man es nicht macht. Ich denke, Sie stimmen mit
mir überein, dass das auf der Hand liegt.
Das Kopfnicken freut
mich. Aber: wenn wir da mal etwas tiefer gehen, nicken Sie dann immer
noch mit dem Kopf? Hubertus haut sein Revier offenbar sauber zu Klump
mit seiner Hetzjagd. Machen wir das etwa anders, wenn wir unsere Freunde
fröhlich zur Drückjagd eine Woche vor Weihnachten laden? Hochwinter.
Minimalvegetation, wahrscheinlich hohe Schneelage. Für den
Haupt-Wiederkäuer unserer Breiten, für das Reh eine brutal harte Zeit.
Die Natur hat vorgesorgt und den Stoffwechsel auf ein Minimum reduziert.
Und in dieser Zeit scheuchen wir dann zig Jäger in den Wald, machen in
diesem Wald dann einen Heidenradau, damit wir der Sauen Herr werden, die
unseren Pachtbauern die Äcker zerwühlen, was wir zu bezahlen haben. Und
dann liegen bei dreissig, vierzig, sechzig Schützen acht Sauen da und
wir sagen: „Ein schöner Jagdtag geht zu Ende.“ Schön für uns,
meinethalben, aber für das ganze Stück Schöpfung, das uns anvertraut
ist, eine ziemliche Höllenschur. Wir haben den ganzen Wald einen Tag
lang mit Hallo und Horrido auf links gekrempelt, aber weil wir vergessen
haben, dass die Dickung, die vor drei Jahren voller Sauen war,
inzwischen aufgelichtet ist, dass das Schwarzwild den Kaiserstand
inzwischen auswendig kennt, dass das Anblasen zur Jagd den Sauen als
Warnsignal dient, dass das Ausbringen von so vielen Schützen die
Schwarzkittel weiträumig verscheucht, war die Strecke sehr schmal. „Was
solls?“, sagen wir, wir müssen es halt trotzdem irgendwie versuchen.
Dass aber da in unserem Wald auch noch einiges an Rehwild vorkommt, dass
das grade im absoluten Stoffwechselminimum steht und jede Beunruhigung
überhaupt nicht aushalten kann, dass dieses Wild entweder zu Tod gehetzt
im Brombeerverhau krepiert oder verzweifelt versucht, seine unzeitig
angegriffenen Energiereserven durch konzentrierten Verbiss wieder
aufzufüllen, das streichen wir geflissentlich weg.
In dem ein oder
anderen Hirn mag sich der Gedanke regen, dass wir dieses Wild jetzt
nicht jagen, sondern hegen sollten, dass wir es in dieser Notzeit zu
füttern hätten, und dass wir – wildbiologisch richtig handelnd – mit
dieser Fütterung schon nach seiner Brunft spätestens Anfang September
umsichtig hätten beginnen sollen, der Gedanke mag noch seltener sein.
Aber er bleibt trotzdem richtig und wichtig. Nun mag mir der ein oder
andere hier kommen und sagen: Das dürfen wir aber nicht, das sagt das
Jagdgesetz. Dem muss ich dann aber antworten: Nach § 1 des
Bundesjagdgesetzes sind wir zur Hege und zur Waidgerechtigkeit
verpflichtet – und zwar gegenüber allen wildlebenden Tierarten, vom
Erdziesel bis zum Braunbär, vom Adler und vom Auerhahn bis hin zur
Kohlmeise. Die Jagdrechtsgelehrten mögen mir jetzt entgegenhalten, dass
Braunbär und Kohlmeise nicht dem Jagdrecht unterliegen. Das stimmt auch.
Aber wir wären schöne Jäger ganz im Sinne des Herrn Hubertus, wenn uns
das nicht scherte. Wir tragen Verantwortung vor der und für die gesamte
Schöpfung. Denn sonst könnten wir nicht guten Gewissens hinaus gehen und
mit der Waffe in der Hand über das Wohl und Wehe, über Leben und Tod
entscheiden. Und im direkten, persönlichen Apell an jede und jeden hier
im Saal: wollen Sie so jagen, dass Ihnen irgendwann Ihr ganz
persönlicher Hubertushirsch begegnet? Das muss übrigens kein Hirsch
sein. Das kann ein Rehkitz sein, das – von den Hunden gehetzt – sich im
Forstzaun vor ihren Augen das Genick kaputtrennt. Das kann ein noch
gestreifter Frischling sein, dem die Mutterbache schon vor drei Wochen
totgeschossen wurde, und der auf der nächsten Drückjagd orientierungslos
hinter dem Stand steht und um die Kugel bettelt. Wir schießen das tot,
weil wir – hoffentlich – anders als Herr Hubertus gelernt haben, was
richtig und was falsch ist. Der musste das erst lernen, und auf keine
schöne Weise. Denn wenn das Tier, das wir jagen, uns direkt ansieht,
wenn wir so gänzlich unmittelbar mit dem Leid und mit der Qual, die die
Jagd mit sich bringen kann, konfrontiert sind, da stockt es dann schon
in uns allen. Da wollen wir, die wir den tödlichen Schuss hunderte Male
geübt haben, den Moment scheuen und lieber weglaufen. Da wollen wir
nicht mehr töten und beenden – und da tun wir es, weil wir es müssen.
Das ist Jagd.
Damit sind wir an dem Punkt, der aus dem Herrn
Hubertus den Heiligen Hubertus werden lässt. Der Herr stand auch da,
als der zuschanden gehetzte Hirsch sich endlich stellte. Normalerweise
wäre das der Moment gewesen, da er ihm den Fang mit der kalten Waffe
gegeben hätte, so funktioniert die Parforce-Jagd halt einmal. Aber da
tut dieser Mann etwas anderes: er stockt. Er hält seinen Fänger zurück.
Er überwindet nicht diese grausame Schranke zwischen wildem Tier und
tötendem Menschen. In diesen Qualen greift er das Tier nicht körperlich
an und sticht es ab. Er hält ein, er lässt leben. Er – großer Jäger der
er war und der genau um seine Jagd und ihre Auswirkungen wusste, sonst
wäre er als Jäger nicht so erfolgreich gewesen wie es die Fama berichtet
– er gibt eine zweite Chance. Er lässt los, er lässt leben. Er nimmt
die Fähigkeit und den Auftrag, zwischen Tod und Leben zu entscheiden,
wörtlich: zwischen Tod und Leben. Und er wählt das Leben, das bisschen
Leben, was diesem grausam gehetzten Hirschen vielleicht noch bleiben mag
– und darin die große Chance auf ein Über-Leben.
Ethisch-moralisch
gesehen handelt unser umstrittener Jagdpatron Hubertus hier sehr
verantwortlich. Und damit sind wir am Knackpunkt, denn worüber anders
reden wir hier als über genau diese drei Begriffe: Ethik, Moral,
Verantwortung? Ganz kurzer Ausflug in die Philospohiegeschichte, um
diese drei Begriffe mal kurz voneinander abzugrenzen: Ethik gibt uns das
sittliche Verständnis, Moral gibt uns die Handlungsmuster dazu, und
Verantwortlichkeit letztendlich zeigt uns, wo wir diese Handlungen so
anwenden können, dass wir uns dafür verantworten können, dass wir also
auf jede Frage nach dem „Warum machst Du so was?“ Antwort geben können.
Hubertus gibt die Antwort, nachdem er seinem Hirsch begegnet ist. Er
antwortet: „Ich kann diese Frage nicht beantworten. Darum unterlasse ich
die Handlung. Ich weiß nicht, warum ich diesen Hirsch töten soll.
Deswegen töte ich ihn nicht.“ Da sind wir an einem ganz wichtigen, an
einem kardinalen, an einem Dreh- und Angelpunkt: Warum töte ich? Töte
ich, weil ich es kann, oder töte ich, weil ich es will?
Jose Ortega
y Gasset – der übrigens kein Jäger, kein Landmensch, sondern ein
Städter und ein Berufsphilosoph war, er bietet eine Antwort an: „Ich
jage nicht um zu töten, ich töte um gejagt zu haben.“ Reicht das aus?
Mir klingt das auf den ersten Blick zu billig. Denn ich gehe ja auf die
Jagd, und – nach Ortega – um auf die Jagd gegangen zu sein müsste ich
notwendigerweise auch etwas umgebracht haben, sonst wäre es ja keine
Jagd. Aber ist die Jagd, ist dieses Handwerk, das mir so wichtig ist,
dass ich Anfeindungen, Angriffe, Abstriche an meinen Grundrechten
hinnehme, ist mir diese Jagd in dieser Form recht und billig? Ganz
ehrlich: ich frage mich das in der ein oder anderen Form immer, wenn ich
rausgehe. Und sollte ich mich irgendwann dabei erwischen, dass ich auf
diese Frage mit einem simplen „Ja“ antworte, da gebe ich meine Flinten
und Büchsen ab, kleide mich in Naturfasern, nehme Sojamilch zu meinem
Cappucino und werde Veganer – mit der gleichen Überzeugung, mit der ich
heute, hier und jetzt Jäger bin. Denn wenn ich einmal damit anfange zu
töten NUR weil ich es kann, dann habe ich als Jäger nichts mehr da
draußen verloren. Dann stehen mir die Privilegien, die ich als Jäger
genieße, nicht mehr zu.
Und Privilegien genieße ich: ich darf Waffen
haben, ich darf sie gegen Lebewesen richten, ich darf diese Lebewesen
töten und mir im wahrsten Sinne des Wortes einverleiben. Ich bin zwar
gehalten, wiedermal nach § 1 BJagdG, das im Sinne der Hege und der
Waidgerechtigkeit zu tun, aber was Hege und Waidgerechtigkeit
tatsächlich sind, das steht in keinem Gesetzestext. Mit anderen Worten:
wir Jäger genießen ein einzigartiges Privileg in unserem deutschen
Rechtssystem. Wir haben zu entscheiden, was diese Grundlagen der Hege
und der Waidgerechtigkeit sind, nach denen wir das Gesetz erfüllen,
unter dem wir stehen!
Damit ist klargestellt: Jagd ist mehr als
Töten. Und nachdem Hubertus begriffen hat, dass sein Jagen nichts
anderes mehr war als Töten aus reiner Willkür, da hat er es sein lassen.
Das ist dann wirklich ein guter Jagd-Patron, und er gibt uns da ein
sehr deutliches Vorbild: es liegt nicht darin, dass er die Jagd einfach
aufgesteckt hat, es liegt schon gar nicht darin, dass er besinnungslos
und rücksichtslos gejagt hat. Es liegt darin, dass er, als er auf die
Frage „ Warum machst Du das?“ keine Antwort mehr geben konnte, das Jagen
hat sein lassen.
Wir sind mit dieser Frage regelmäßig
konfrontiert, wenn wir auf Menschen treffen, die mit der Jagd nichts am
Hut haben und nicht begreifen können, warum man jagt und dabei Tiere
tötet: „Warum machst Du das?“ Da hat dann ein jeder von uns seinen
vorbereiteten Antwortenkatalog im Ranzen, und der rangiert von „Weil
das Wild kontrolliert werden muss“ über „Weil es keine Großräuber mehr
gibt“ bis hin zu „Weil ich sauberes Fleisch essen will“. Aber wenn das
Gegenüber dann nachhakt und die erste Antwort hinterfragt, wenn sich
daraus dann eine ganz normale Diskussion entwickelt, dann wird vielen
von uns ganz schnell der Frack zu warm und das Gespräch unangenehm.
Liebe Jägerinnen und Jäger: diese Diskussion, die uns dann unangenehm
wird, die ist allgegenwärtig, es ist eine öffentliche, eine politische
Diskussion – sowohl auf der Ebene der Gesetzgebung als auch an jedem
Tisch, an dem wir als Jäger sitzen. Und wenn wir da keine Antworten
geben können, dann stehen wir bald an dem Punkt, wo es für uns dann
heißt: Jagd vorbei. Und wenn man ein klein wenig überlegt, dann wird
sehr schnell klar: die Antworten wie die Fragen, die hören nicht bei der
Alters- Gewichtsansprache oder beim Kaliber auf, die gehen erheblich
weiter. Die umfassen die gesamte Biologie der Umwelt, in der wir jagen,
die umfassen soziologische, wirtschaftliche, ökologische Themen mit der
gleichen Richtigkeit und Wichtigkeit. Wir müssen, wenn wir jagen wollen,
sehr fit sein – nicht nur in unserem Handwerk, sondern in allen
Bereichen, die unser Handwerk berührt. Sonst wird es uns weiter und
weiter beschränkt und irgendwann weggenommen. Ein Beispiel: als es um
die Schalenwildfütterung ging, als der Vorwurf aufkam, dass man damit
nur Trophäen züchte und das eine Verhausschweinung des Wildes sei, da
hatte die Jägerei nicht die richtigen Antworten parat, und jetzt ist
diese Fütterung je nach Wildart entweder stark eingeschränkt oder
verboten – mit allen negativen Begleiterscheinungen. Denn wenn wir nicht
das Sachwissen haben, wenn wir nicht die Antworten haben, dann finden
sich schnell genug Leute, die Antworten geben – und diese Antworten
werden dann auch gehört, egal, ob sie uns passen oder nicht. Diese
Verantwortung tragen übrigens nicht nur die Verbände, auf die wir gerne
mal schimpfen, und sie vorschieben, wenn uns die Diskussion unangenehm
wird: diese Verantwortung tragen wir alle. Wir alle sind Funktionäre und
Repräsentanten unserer Jagd, und danach, wie wir auftreten, wie wir uns
geben und welche Antworten wir geben können, danach wird die gesamte
Jagd beurteilt – oder verurteilt. Es liegt also an Ihnen und an mir, was
morgen und übermorgen aus der Jagd wird, und ob unsere Kinder noch
werden jagen können.
Ja – ich denke, wir haben einen sehr guten
Patron in Hubertus. Zum einen zeigt er uns dass man nicht töten darf,
nur weil man es kann. Das gilt für einen kapitalen Geweihhirsch ebenso
wie für einen Marder, das gilt für eine Wildsau ebenso wie für ein
Karnickel. Zum zweiten zeigt er uns, dass das Jagen mehr sein muss als
das Töten, nämlich dass man sich seine Wildbahn nicht zuschanden richten
darf, dass man umfassendes Wissen braucht über alles, was in seinem
Revier geschieht. Und zum dritten zeigt er uns – und das halte ich für
die wichtigste Botschaft in dieser Legende – dass wir jederzeit im
Stande sein müssen, die Frage: Warum machst Du das? vor jedem Frager,
auch und besonders vor uns selbst, dass wir diese Frage jederzeit
umfassend müssen beantworten können. Denn sonst erginge es uns wie ihm:
Schilfhütte, bußfertiges Leben, keine Jagd mehr.
Vielleicht denken wir in diesem Jagdjahr etwas öfter über unseren Schutzpatron nach.
Waidmanns Heil!