15.7.11

Die Zukunft der Jagd, oder: Wieviel Professionalität verträgt das deutsche Jagdwesen?

Ein wenig erschrocken war ich schon, als ich binnen weniger Tage zwei Gespräche mit älteren Jägern führte und sie die fast gleichlautende Frage an mich richteten:" Hat aus Deiner Sicht die Jagd in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft?".
Scheinbar spüren viele, vor allem ältere Jäger, dass auf das Jagdwesen in Deutschland in den nächsten Jahren Veränderungen zukommen, mit deren Bewältigung die etablierte Jägerschaft wohl überfordert ist.
Doch eine Stellenausschreibung in einem Forum, in der ein "ehrenamtlicher Berufsjäger" gesucht wurde, haben mich veranlasst, mir meine Gedanken zur Zukunft der Jagd zu machen.
Der Grund, weshalb die Jägerschaft sich bei der Bewältigung der anstehenden Veränderung so schwer tut, läßt sich auf einen Nenner bringen:

Die Professionalisierung der Jagd ist in der deutschen Jägerschaft ein Tabuthema!

In den 1 1/2 Jahren, in denen ich nun hauptberuflich 2 Jagdbögen betreue, erzeugte die Art meiner professionellen sich an den Kosten orientierenden Bewirtschaftung bei der Jägerschaft und in Gesprächen mit Jagdpächtern immer wieder Kopfschhütteln bzw. sie wird in ihrer Form kathegorisch abgelehnt.

"Doch was erzeugt die ablehnende Haltung der Mehrheit der Jägerschaft zu mehr Professionalität?"

Seit Jahrzehnten ist die Jägerschaft und die praktische Jagdausübung geprägt vom Ehrenamt. Die Arbeit im Vorstand der Jägerschaften wird ebenso ehrenamtlich erbracht, wie die Nachwuchsarbeit, und auch das Hunde- und Schießwesen benötigt den passionierten Jäger ohne Entlohnung..
Doch dieses Ehrenamt wird auch im praktischen Jagdwesen gepflegt. Der bezahlte Jagdausseher oder Berufsjäger ist ein Relikt aus einer Zeit, als nur "Großkopferte" Jagden pachteten, weshalb der spärlich entlohnte Jagdaufseher oder hauptberufflich angestellte Berufsjäger dem (zahlenden) Begehungsscheininhaber gewichen ist.

Kurzum: Der Großteil der Tätigkeiten rund um die Jagd wird ehrenamtlich, also durch nicht entlohnte Arbeit erbracht und dies soll aus der Sicht vieler Jäger auch so bleiben!

Nun mag das Konzept der ehrenamtlichen Arbeit bei kleinen Niederwildrevieren noch seine Berechtigung haben, unter der Betrachtung der Altersstruktur und der Nachwuchsprobleme der Jägerschaft weit ab der Ballungsgebiete geht dieses Konzept aber schon lange nicht mehr auf.
Die Hochwildreviere mit großen Schwarzwildbeständen und den damit verbundenen Wildschäden stehen mit dem Beharren auf ausschließlich ehrenamtlich arbeitetenden Jägern vor kaum lösbaren Problemen.
Solche Reviere, das zeigen meine Erfahrungen, sind mit der Idee, sie ausschließlich ehrenamtlich zu betreiben, nicht mehr zu bewirtschaften.

Dies beweisen die Zahlen, die sich nach einem Jahr professioneller Bewirtschaftung von 970 ha des Lehrreviers Liepe ergeben.
Hier soll einmal nur die Bewirtschaftung der Schwarzwildbejagung ohne Rehwild und sonstigem Wild betrachtet werden:
Um auf den gerundeten 1.000 ha Fläche die Wildschäden nachhaltig einzudämmen, ist der Mindestabschuss von 50 - 70 Sauen/Jahr erforderlich. Um diese Strecken zu erzielen benötigt man die Mithilfe von mindestens 5- 7 Gastjägern und eine professionelle Organisation der Bejagung. Ein ehrenamtlicher Jagdaufseher wäre hier völlig überfordert. Alleine die Menge des zu vermarktenden Fleisches bei einem ermittelten Durchschnittsgewicht von 43 kg/Sau, ergibt eine zu vermarktenden Fleischmenge von über 2,5 Tonnen/Jahr.
Im Durchschnitt ergaben das Bergen, nötigenfalls das Nachsuchen, sowie Probeentnahme für die Trichinenuntersuchung und Reinigen des Kühlhauses einen Zeitaufwand von 2,5 Stunden/Sau. Rechnet man diesen Stunden noch den Zeitaufwand der Vermarktung hinzu, so kommen hier einige 100 Stunden/Jahr zusammen, die unmöglich von einem ehrenamtlichen Helfer erbracht werden können.

Nun werden einige Jäger argumentieren, dass durch kleinere Reviere diese Arbeiten auf viele ehrenamtliche Helfer verteilt werden können. Doch dem widerspricht die immensen Veränderung (Altersstruktur, Nachwuchsprobleme, Agrargroßbetriebe) , die auf die Jagd in den nächsten Jahren zukommt. Die momentane Situation zeigt: Kleinere Reviere sind nicht die Lösung, sondern das Problem!

Der Jagdgast, der seinen Namen auch verdient

Noch immer versuchen viele Jagdpächter die fehlende Professionalität in der Jagdbewirtschaftung durch den zahlenden Begehungsscheininhaber zu ersetzen. Dieser soll sich nicht nur an den Jagdkosten mittels Hegebeitrag beteiligen, sondern auch noch Revierarbeiten erbringen und das erlegte Wildbret ankaufen, weil eine professionelle Vermarktung fehlt.
Eine nicht mehr überschaubare Menge an emails von verbitterten Jungjägern füllt meinen Rechner, die frustriert ihren Begehungsschein zurückgegeben haben, weil sie nicht mehr bereit sind, für die erbrachten Revierarbeiten auch noch zu zahlen. Es zeigt, dass auch dieser Weg keine Lösung darstellt, sondern nur offenbart, wie Verfahren die Situation der Jägerschaft ist.
Nun ist gegen einen Begehungsschein nichts einzuwenden, es sollte aber darauf geachtet werden, dass der Begehungsscheininhaber das ist, was er dem Gesetz nach sein soll: Ein zahlender Gast, der das Revier des Pächters zur Jagd nutzt. Im Gegenzug muss der Jagdpächter aber auch eine jagdliche Infrastruktur vorhalten, die der Begehungscheininhaber gegen sein Entgelt nutzt.
Dem Begehungsscheininhaber aber zusätzlich zum Hegebeitrag die Kosten und die Arbeit einer fehlenden jagdlichen Infrastruktur anzulasten, kann langfristig nicht von Erfolg gekrönt sein.

Zusammenfassend läßt sich sagen, dass wohl der fehlende Nachwuchs, die Überalterung der Jägerschaft und die Veränderungen in der Agrarwirtschaft früher oder später die Jägerschaft zum Umdenken in Richtung mehr Professionalität zwingen wird. Eine Tabuisierung des Themas "Professionalität in der Jagdbewirtschaftung" verzögert den Veränderungsprozess, wird ihn aber nicht aufhalten.

waidmannsheil

Euer


stefan

Seminar zum Thema Begehungschein:
Seminarausschreibung: "Jagdbetreibslehre einmal anders"

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