15.7.07

Die Lust am Luchs- das "Auswilderungsprojekt Harzluchs" findet breite Zustimmung bei Jägerschaft und Öffentlichkeit

Luchsdame Pamina in ihrer ganzen Schönheit









Photo: Ole Anders





Weitestgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit fand in den letzten Jahren die Einbürgerung des Luchses im Harz statt. Scheinbar liefert dieses edle Tier keinerlei reißerische Berichte über gerissene Haustiere und angefallene Wanderer, anders lässt es sich nicht erklären, warum kaum jemand von diesem erfolgreichen Wiedereinbürgerungsprojekt Notiz nimmt.

Dass sich Jäger und Öffentlichkeit der Frage der Wiedereinbürgerung von Luchs, Wolf und Bär stellen müssen, wurde nach der Einwanderung und Erlegung von Braunbär Bruno im letzten Jahr und den Wölfen in der Lausitz deutlich.

Was der junge Förster Ole Anders seit dem Start des Wiedereinbürgerungsprojektes des Luchses im Nationalpark Harz im Jahre 2000 bis heute geleistet hat, verdient Lob und Anerkennung. Nicht nur, dass die Jäger dem Projekt offen und positiv gegenüber stehen, ist sein Verdienst. Auch die Harzer sind stolz auf das Projekt. Der Fremdenverkehr hat den Luchs im Harz als werbewirksames Instrument erkannt und wirbt zahlreich mit dem neuen Wildtier.

Ausgewilderte Luchse wurden mit Jungtieren gesehen und dies zeigt, dass das Projekt nach nur 7 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes erste Früchte trägt.

Da kann man Ole Anders weiterhin viel Erfolg und Freude bei dem Projekt wünschen und hoffen, dass durch dieses Luchsprojekt im Nationalpark Harz ein weiterer Schritt getan ist, zumindest teilweise die bereits ausgestorbenen Wildarten in den dünnbesiedelten Gebieten Deutschlands wieder einzubürgern.

Hier der ausführliche Bericht in der Onlineausgabe der Sächsischen Zeitung:


Die Lust am Luchs


von Von Frank Tausch

Sie sind zurück: Wie Wölfe durch die Lausitz, streifen Luchse durch den Harz. Aber die Katzen sind nicht eingewandert, sie wurden dort angesiedelt.


Als sei sie selbst in Stein gemeißelt, sitzt Pamina auf dem Granitfels. Kein Muskel zuckt unter dem Fell, auf das die Sonne durch die Fichtenwipfel hindurch noch ein paar Kringel mehr malt. Erst als sie den Geländewagen hört, kommt Bewegung in das Tier. Buchstäblich mit den Ohren eines Luchses hat Pamina ausgemacht, dass Ole Anders in der Nähe ist. In wenigen geschmeidigen Sätzen springt die zweijährige Luchsdame den Hang hinab, verharrt, wartet. Noch ist Ole Anders weit weg. Der junge Forstmann kümmert sich um die Auswilderung der Luchse hier im Harz. Und er kümmert sich auch um Pamina und ihren gleichaltrigen Partner Tamino hier im Gehege auf den Rabenklippen bei Bad Harzburg in Niedersachsen.
Pamina ist nicht zur Auswilderung vorgesehen. Sie ist mit der Flasche aufgezogen worden und viel zu zahm. Wer sich zum Menschen hingezogen fühlt, bleibt in dessen Obhut. Wer ihm aus dem Weg geht, darf in die Fußstapfen seiner wilden Vorfahren treten. Ein Tier aus dem Wildgehege Moritzburg bei Dresden erfüllte die strengen Aussiedlungs-Kriterien auch nicht: „Wir hatten den schon hier, aber wir mussten ihn zurückschicken," sagt Anders. „Am Ende entscheidet das Tier, ob es ein Wildtier sein will", sagt Peter Sacher. Er ist der Zoologe im Nationalpark Harz. So bleiben Pamina und Tamino und ein zweites Luchspaar in den Gehegen im Wald. Besucher können einen Blick auf die sonst scheuen Tiere werfen. Ein Bus bringt die Leute herauf. Ein umweltfreundlicher Erdgas-Bus natürlich, die Rabenklippen gehören zum Nationalpark.

Wanderer im Graben


Zwei der insgesamt 26 ausgewilderten Luchse hat Ole Anders wieder einfangen müssen. Wenn die Wandergruppe im Böschungsgraben zur Salzsäule erstarrt und der Luchs stattdessen auf dem Weg promeniert, dann mag das später zu Hause eine tolle Geschichte sein. Zuerst aber ist da Schreck, Angst und auch Ärger. Deshalb ist es Anders am liebsten, seine Luchse lassen sich gar nicht blicken. Vor Kurzem war es wieder soweit. Anders, sonst ein freundlicher, aufgeschlossener 36-Jähriger, wird zurückhaltend. „Luchs greift Hund an – Frau vertreibt Raubkatze mit Wanderstock" hieß eine Meldung, die bundesweit verbreitet wurde. Der Luchs soll aufgetaucht sein, als die 71-Jährige mit ihrem Hund spazieren ging, erzählt Anders. „Sie sagt, der Hund war angeleint. Der Luchs habe wenige Meter vor ihr gestanden. Sie hat sich zurückgezogen, da sei der Luchs ihr noch gefolgt. Die Frau sagt selbst, es habe keine Berührung zwischen ihr, dem Hund und dem Luchs gegeben." Das Wort Angriff ist schnell in der Welt. Es suggeriert eine blutgierige Bestie. Die Frau wohnt in einem Dorf im Harz, beschauliches Fachwerk, Lutherlinde neben der kleinen Dorfkirche, gelegen in einem tief eingeschnittenen Tal zwischen dichtem Wald. Hier ist die Geschichte ad acta gelegt. „Jaja, die Frau macht gern ein bisschen mehr, als eigentlich ist", spöttelt eine andere ältere Dame. Sie selbst gehe viel und sorgenfrei wandern und liebe Tiere, Angst hat sie nicht. Auch ein Mann, der gerade Zigaretten holt, zuckt die Achseln. „Ich hab das nur durch die Zeitung mitgekriegt. Große Aufregung hat es hier nicht gegeben." Ein 85-Jähriger aber schüttelt wütend seinen Krückstock gen Wald: „Was soll so was hier herumlaufen, die brauchen wir nicht, die sind gefährlich." Er wisse das, als ehemaliger Waldarbeiter. Die Luchse im Harz sind schon vor 200Jahren ausgerottet worden. „Der Luchs ist ein alter Harzer", sagt Peter Sacher. Er selbst ist ein alter Sachse, geboren in Freiberg. Vielleicht geht er zurück, wenn er Rentner wird, meint der 63-Jährige. Aber noch ist es nicht soweit und die Luchse können Unterstützung brauchen. Vorerst sind sie die „Neuen". An die muss man sich erst gewöhnen. Kennenlernen mussten sich auch Sacher und Anders. Äußerlich unterscheiden sich die beiden. Sacher in rauer Lederhose, Karohemd und Goldkette, Anders in adretter Ranger-Uniform, mit elegantem Kinnbart. Der sachsen-anhaltinische Zoologe und der niedersächsische Forstmann sind Kollegen, seit die Nationalparks der beiden Bundesländer vergangenes Jahr zu einem Harz-Nationalpark vereinigt wurden. Sacher hält sich beim Luchsprojekt zurück, das vollständig von Niedersachsen initiiert und bis heute bezahlt wird. Anders schätzt den Fachverstand des Kollegen. Die beiden verstehen sich. Sie verbindet mehr als ihre Begeisterung für die großen Katzen.

Ein Publikumsliebling

Seit dem Jahr 2000 hat Ole Anders Luchse ausgewildert. Neun haben es nicht geschafft. Einer wurde vom Zug überfahren, einer tot gefunden, einer mit Beinbruch eingesammelt, zwei eingefangen, der Rest erlag Krankheiten wie der Fuchsräude. Aber seit 2003 sorgen die Luchse selbst für Nachwuchs. Ein Tier wurde von Autofahrern gesehen, als es mit drei Jungen die Bundesstraße 4 überquerte und im Wald verschwand. Just neben einem Weg, der seit alters her Luchssteig heißt. Nun wieder zu Recht. Der Luchs ist in kurzer Zeit im Harz ein Sympathie-Tier geworden. Seine majestätische Erscheinung, das prächtige Fell, die Pinselohren und der Stummelschwanz machten ihn zum Publikumsliebling. Der Luchs steht nicht nur in der Nahrungskette ganz oben – die Einzelgänger brauchen große Reviere – auch in der Gunst der Besucher liegt er vorn. Die Tourismusindustrie hat das erkannt. Nicht nur im „Haus der Natur" in Bad Harzburg, einer Außenstelle des Nationalparks mit Ausstellung und Information, ist der Luchs allgegenwärtig – als Buch, als Plüschtier, als Poster. Es gibt einen Likör, den „Scharfen Luchs", einen Luchswanderweg. Viele Bedenken sind ausgeräumt. Bevor die Auswilderung begann, hat Anders einen Werbefeldzug für den Luchs geführt, hat aufgeklärt, informiert, debattiert. Es kommen keine Leute mehr, wenn sie hier von Raubtieren angefallen werden, hatte mancher gefürchtet. Die Wildtierbestände werden zusammenbrechen, sorgten sich andere. Ob Luchs im Harz oder Wolf in Sachsen – die Bedenken waren ähnlich. Kaum waren die ersten Luchse ausgewildert, kam ein Anruf: In Wernigerode sitzt ein Luchs mitten auf dem Bahnhof. Peter Sacher kann sich erinnern, wie ihm das Herz in die Hose rutschte: Kaum in Freiheit, finden sich die Luchse schon in Städten ein. Das Tier war aber handzahm, „aus einer offenbar illegalen Haltung entsorgt", sagt Anders. Er ist sich sicher. Der Luchs hatte eine ganz andere Markierung, als Anders sie verwendet.

Kofferluchs am Hauseingang


Noch drei solcher „Kofferluchse" tauchten auf. Einer saß vor einem Hauseingang. „Der war völlig fertig, abgemagert auf nur noch acht Kilogramm. Ein Held hat ihn erschlagen und die Nachbarn vor der blutrünstigen Bestie bewahrt", sagt Sacher voll bitterem Sarkasmus. Das Tier steht heute ausgestopft im Brockenmuseum. Wer schlecht reden will über die Auswilderung, erzählt noch heute, das seien gefährliche Tiere aus dem Programm gewesen. Ansonsten wird die Luchs-Ansiedlung von einer breiten Mehrheit getragen, vom Landesjagdverband bis zu örtlichen Politikern.
Gefahr für den Menschen geht von den Luchsen nicht aus. Schafe oder Ziegen werden ab und an gerissen, ein bis zweimal pro Jahr. Dann wird entschädigt. Auch Zwischenfälle mit Hunden hat es gegeben, meist mit freilaufenden. Die Hunde stöbern die Luchse mit Beute auf oder eine Luchsin mit Jungen. Oft bleibt es bei blitzschnellen Prankenhieben und Kratzern. Ein Hund freilich musste vom Tierarzt genäht werden. „Solche Zwischenfälle gibt es mit Wildschweinen auch. Das interessiert nur die Öffentlichkeit nicht", sagt Anders.

Kein Platz mehr frei
„Warum muss es hier wieder Luchse geben?" Diese Frage hört Ole Anders oft, wenn er am Gehege an den Rabenklippen Wanderern begegnet. „Wir können doch nicht nur den Reichtum der Menschen mehren wollen, wir müssen auch Naturreichtum bewahren", antwortet Anders dann. Er hat dazu beigetragen im Harz. In diesem Jahr wird kein Tier mehr ausgewildert. Im Harz mit seinen 250000 Hektar leben 25 bis 30 Luchse, genau weiß es Anders nicht. Für mehr Tiere ist kaum Platz. Erfolgreich aber sei das Projekt erst, wenn die Population stabil ist, mit den Luchsen im Thüringer Wald und in Bayern eine Verbindung besteht, sagt Anders. Pamina reibt sich am 3,5Meter hohen Zaun, die schwarze Spitze ihres Stummelschwanzes zittert, sie will spielen. Anders sprintet ein Stück. Die Luchsin hat ihn in zwei Sätzen eingeholt, wirft sich herum, steht kurz auf den Hinterpfoten und hascht mit den Pranken in der Luft, macht einen weiten Satz, bis sie das Gitter stoppt und sie zurückgeht zu Tamino, der sich hingelegt hat, aber das Geschehen aus bernsteinfarbenen Augen mustert. Nur wenige Meter entfernt ragen die Rabenklippen über den Harz, der Blick geht über dunkle Wälder und Täler hinüber zum Brocken. Da unten in diesem dichten Wald tummeln sich Paminas wilde Verwandte. Da gehören sie auch hin.



Weitere Beiträge zum Thema Luchspopulation:

Luchse auch in den Alpen auf dem Vormarsch

"Der Luchs und die Jagd – aus der Sicht eines Biologen und Jägers" eine Stellungnahme des Wildbiologe Michael Fasel

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich bin interessiert an ihrer vorzüglichen Luchswurst!
Nebenbei bin ich gegen die Aufrechterhaltung der Schonzeiten da eine Auswilderung durch den Menschen nicht den Gesetze der Natur entspricht.

Anonym hat gesagt…

Luchswurst habe ich falsch gelesen oder ist ein fehler im vorherigen kommentar?

by don catöchen