15.2.10

Wenn Jagdpächter nicht abtreten wollen

Landauf landab beklagen die Jägerschaften die Überalterung ihrer Mitglieder.
Besonders hart trifft es aber die neuen Bundesländer. In vielen Hegeringen gibt es keinen einzigen Jagdpächter mehr, der jünger als 60 Jahre alt ist.
Doch selten erfährt man über die Gründe, weshalb so viele junge Menschen in den neuen Bundesländern kein Interesse haben, den Jagdschein zu machen. Wenn sie dann doch den Jagdschein gemacht haben, werden sie nur sehr selten Mitglied in der Kreisjägerschaft.

Das kleine Örtchen Stahnsdorf im Kreis Potsdam-Mittelmark, vor den Toren Berlins, im Land Brandenburg gelegen, führt seit einigen Jahren beispielhaft vor, warum die Jäger für fehlenden Nachwuchs selbst verantwortlich zu machen sind.

Dringt man in Deutschland in Strukturen ein, die sich weitestgehend der Öffentlichkeit entziehen, hat man oft das Gefühl, ein Museum zu betreten. Inmitten einer sich rasant verändernden Welt strahlen diese Bereiche der Gesellschaft eine schaurig schöne morbide Wärme aus. Unserer Gesellschaft scheint in Teilbereichen einfach stehen geblieben zu sein, ein Phänomen, dass man in Jägerkreisen besonders häufig antrifft.

In dem kleinen Ort Stahnsdorf südwestlich von Berlin trifft dies in mehrfacher Hinsicht zu.

Doch alles der Reihe nach:

Ein großer Teil der zur Jagdgenossenschaft Stahnsdorf/Kleinmachnow gehörenden Gemarkung ist ein historisch interessanter Großfriedhof. Als vor über 100 Jahren die Stadt Berlin wegen ihres immensen Flächenwachstums neue Friedhofsflächen benötigte, richtete man dort den bis heute größten Friedhof Europas in einer Größe von 208 ha mit dem Namen "Südwestkichhof Stahnsdorf" ein. Auch die Nazis betteten ganze Friedhöfe dorthin um, die bei der Schaffung der "Reichshauptstadt Germania" im Wege waren.

Nach dem Krieg ging der Friedhof wegen seiner direkten Grenzlage völlig in Vergessenheit. DDR Bürger brauchten zum Besuch der Gräber ihrer Angehörigen einen Passierschein und der Bedarf an Grabstätten für einen Großfriedhof war nicht mehr gegeben.
Zahlreiche Gruften und Mausoleen und Gräber vieler prominenter Bürger waren der Verwahrlosung preisgegeben. Viele seltene Tiere und Pflanzen fanden auf dem zu DDR Zeiten weitestgehend sich selbst überlassenen Friedhof eine Heimat. Der Friedhof dämmerte 40 Jahre vor sich hin und ein Förderverein versucht nun nach der Wende zu retten, was zu retten ist, ohne aber die Natur auf dem Friedhof zurückzudrängen.
Unter seiner Homepage kann man sich ein beeindruckendes Bild des Friedhofs machen, der mittlerweile eine Mischung aus sich selbst überlassenem Mischwald, naturnahem Park und historischem Friedhof darstellt. Der Friedhof selbst bietet mit seinen Familien- Einzel- und Kriegsgräbern, sowie Gruften zudem einen Rückblick auf die wechselvolle Geschichte der Stadt Berlin.

Der Friedhof wäre für uns Jäger völlig bedeutungslos, wäre da nicht das leidliche Thema Wildschweinplage. Von dieser Plage ist Stahnsdorf seit einigen Jahren ganz besonders betroffen.
Das Thema Wildschweine wurde auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung gesetzt, weil den Anwohnern die Schwarzwildüberpopulation unerträglich wurde und keine Abhilfe geschaffen wurde.

Überall in Deutschland müssen die Jagdpächter für den Schaden des Schwarzwildes Wildschaden zahlen.
Doch in Stahnsdorf ticken die Uhren anders.
Dort schafft es der Jagdpächter-wahrscheinlich einmalig in Deutschland- dass Gemeindejäger bestellt wurden, denen die Jagd auf die Sauen mit einer von der Gemeinde bezahlten Abschussprämie in Höhe von 20 Euro zuzüglich Benzingeld versüßt wurde.

Diese einmalige Regelung zwischen Jagdpächter und Gemeinde zur Wildschadensverhinderung in Deutschland wurde durch die Medien, die sich des Themas annahmen, nicht einmal hinterfragt.

Dies aus gutem Grund, denn mit der Biographie des Jagdpächters öffnet man ein weiteres Kapitel deutscher Geschichte:
Jagdpächter Hans Dwiszek war vor der Wende ein hochrangiger SED Funktionär, VOPO Hauptmann und in der DDR für die Jagd in Stahnsdorf und Umgebung zuständig.
Mittlerweile Mitte 80 war es für ihn natürlich selbstverständlich, die Jagdpacht auch dieses Jahr durch einen neuen Jagdpachtvertrag auf weitere 9 Jahre fortzuführen.

Doch der Jagdgenossenschaft wurde die Sache dann wohl doch zu peinlich, weshalb man sich nun für eine Pächtergemeinschaft entschlossen hat, von der man ausgehen kann, dass sie das Auslaufen ihres Jagdpachtvertrages noch erleben wird.

Dass dieses Jagdpachtverhältnis der Vergangenheit nicht ohne Filz in der Jagdgenossenschaft möglich sind, beweist eine weitere Personaländerung. Auch der langjährige Vorsitzende der Jagdgenossenschaft und Leiter des Südwestkirchhofs, Herr Olaf Ihlefeldt, stellte sein Amt zur Verfügung. Hubertus Welsch, Dozent an der Fachhochschule Eberswalde, tritt seine Nachfolge an.
Seine wichtigste Aufgabe 20 Jahre nach der Wende:
Erstellen eines Jagdkatasters und Grenzziehung.

Von einem Pächterwechsel mit historischer Tragweite berichtet das Onlinemagazin der Märkischen Allgemeinen

waidmannsheil

Euer

stefan




Jagdgenossenschaft beendet Ära Diwiszek / Neue Pächter versprechen, mehr gegen Plage zu tun

Die Jagdgenossenschaft Stahnsdorf/Kleinmachnow will eine neue Offensive zur Eindämmung der Wildschweinplage in Stahnsdorf und Kleinmachnow starten. Das kündigten die beiden am Samstag neu gewählten Jagdpächter Peter Hemmerden und Peter Braun an. Sie versprachen, die Zusammenarbeit mit den drei Stahnsdorfer Gemeindejägern zu verbessern, die im vergangenen Jahr eingesetzt worden waren. Konkret gestaltet sich das gemeinsame Jagen schwierig, weil die Schweinerotten ohne Rücksicht auf die Reviergrenzen durch die Ortschaften wetzen, während die Waidmänner aus Gründen der Zuständigkeit oft nicht mehr anlegen dürfen. Auf dem Südwestkirchhof soll massiver auf Schwarzwild geschossen werden – nicht in großen Ansitzdrückjagden, die ziemlich erfolglos waren, sondern Nacht für Nacht. Hemmerden und Braun wollen die mehr als 50 Jagdscheinbesitzer in Stahnsdorf und Kleinmachnow zum Mitmachen überreden

Die beiden neuen Pächter sind nach der Wende nach Kleinmachnow gezogen. Sie setzten sich bei der Vergabe der Pacht für die nächsten neun Jahre gegen den Amtsinhaber Hans Diwiszek durch. Damit endet eine Ära, denn Diwiszek, der sichtlich bewegt auf das für ihn überraschende Ergebnis reagierte, ist seit 40 Jahren in der Region als Jäger aktiv. Mit der medialen Aufmerksamkeit für die Wildschweinplage stieg Dwiszeks Bekanntheit. Der ehemals hohe Parteifunktionär und Hauptmann der Volkspolizei hatte zu DDR-Zeiten die Aufsicht über das Jagdwesen in der Region unter sich und baute nach der Wende die örtliche Jagdgenossenschaft mit auf. Diwiszek, der Mitte 80 ist und sich um weitere neun Jahre als Pächter beworben hatte, ist umstritten. Einige Jäger warfen ihm vor, er habe nicht genug gegen die Beseitigung von Vorbehalten zwischen Jägern aus Ost und West getan. Obwohl es nach Angaben von Anwesenden der Genossenschaftsversammlung „sehr emotional“ zuging, bemühte man sich um Frieden. Diwiszek wurde Jagdrecht auf Lebenszeit zugesagt.

"Hans Diwiszek hat Herausragendes geleistet“, sagte der scheidende Vorsitzende der Jagdgenossenschaft Olaf Ihlefeldt, Verwalter des Stahnsdorfer Südwestkirchhofs. Doch sei es Zeit für eine neue Qualität in der Bekämpfung des Schwarzwildes.

Ihlefeldt trat ebenfalls am Samstag von seinem Amt als Genossenschafts-Vorsitzender zurück, weil die zunehmende Arbeit auf Deutschlands zweitgrößtem Friedhof seine ganze Kraft erfordere. Zu seinem Nachfolger wählten die Jagdgenossen – sie vertreten die Grundbesitzer, auf deren Gelände der Pächter schießen darf – den Kleinmachnower Hubertus Welsch. Das Jagdwesen in der wildschweingeplagten Region steht insgesamt vor einem Neustart. Welsch ist ein intimer Kenner der Waidmannswelt. Der Jurist lehrt an der Fachhochschule für Forstwirtschaft in Eberswalde Jagd- und Genossenschaftsrecht. Er will die notwendigen Arbeiten am Jagdkataster zu einem wissenschaftlichen Projekt machen – dabei geht es unter anderem um die Grenzziehung. (Von Ulrich Wangemann)

Das Drama um die Jagdverpachtung in Stahnsdorf geht weiter

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

hallo Stefan,
ich lese schon seit geraumer Zeit im Jagdforum bei Xing mit und bin so auch auf Dein wirklich interessantes Jagd-Blog gestoßen.

Dein Beitrag vom 15-02 ist m.E. allerdings nicht hinreichend recherchiert.
Ich wohne in Kleinmachnow und kenne alle von Dir im Blog genannten Beteiligten einschließlich der neuen Jagdpächter.
Ich stimme Dir zu, dass die Überalterung der Jägerschaft ein ernsthaftes Problem darstellt und die bisherigen Strukturen eine Veränderung nur in Maßen zugelassen hätte.
Insofern ist die Übergabe der Pacht nach 18 Jahren nicht nur begrüßenswert, sondern auch erstrebenswert gewesen.

Nun zu Deinem Blog:
Tatsächlich wurde die Bestellung der sog. Gemeindejäger in Stahnsdorf keineswegs vom vormaligen Jagdpächter Hans Diwiszek forciert, gar angestrebt. Ganz im Gegenteil ...

Auch ist der von Dir benannte "Filz" in meiner Wahrnehmung nicht vorhanden (gewesen). Die Dominanz des ehem. Jagdpächters hat selbigem keinen Raum zur Entfaltung gegeben.

Der nunmehr abberufene Vorsitzende der Jagdgenossenschaft Olaf Ihlefeldt ist in seiner Persönlichkeit absolut integer und dessen Verweigerung einer Wiederwahl als Vors. der Jagdgenossenschaft in keinster Weise mit dem Ende der Ära Diwiszek verbunden. Ich kenne und schätze Olaf Ihlefeldt als Menschen, der in einzigartiger Weise sich um die Belange eines seit Jahrzehnten vernachlässigten Friedhofes engagiert.
Ihn nun in der von Dir formulierten Art indirekt verleumdet und mit einem "Filz verbandelt" zu sehen, bekümmert mich.

Sei doch bitte so nett und schau, ob Du eine differenziertere Wahrnehmung postulieren kannst.

Es grüßt mit einem freundlichen
Waidmanns Heil
Sven