27.1.15

Die tierschutzgerechte Nachsuche

Von der Schutzkleidung bis zum Hund: Die Arbeit nach dem Schuss auf Schalenwild heute hat mit der Arbeit des Hundeführers von einst nichts mehr gemeinsam
Photo: Schweißhundestation Alb-Schurwald 


Wenn bei der Jagd über Neuerungen diskutiert wird, ist die Jägerschaft mit dem Begriff Waidgerechtigkeit als Grund für die Ablehnung schnell zur Hand. Dass es zwischen der waidgerechten Jagd einerseits und der tierschutzgerechten Jagd andererseits elementare Unterschiede gibt, ist vielen Jägern auch heute noch nicht bewusst. Dies wird insbesondere beim Wandel in der Nachsuchenarbeit deutlich.

Der "rechtsunbestimmte" Begriff der Waidgerechtigkeit

Obwohl dieser Begriff auch im Jagdgesetz vorkommt, sollte jeder Jäger wissen, dass es sich bei der Waidgerechtigkeit um einen "rechtsunbestimmten" Begriff handelt und bestenfalls im Bereich der Jagdphilosophie Anwendung finden sollte, aber keinesfalls hat dieser Begriff etwas in Gesetzestexten zu suchen.

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber beschlossen, um die Diskussion mit den Jägern und ihrem zunfteigenen Begriff der Waidgerechtigkeit zu umgehen, dass das Tierschutzgesetz auch auf die Jagd Anwendung findet. Damit ersparte sich der Gesetzgeber die aufwendige Diskussion mit den Jäger, wäre es zur Streichung des Begriffs aus den Jagdgesetzen gekommen.  Viele Jäger aber ignorieren diese Gesetzesänderung und  berufen sich bei ihrem Handeln immer noch auf die Waidgerechtigkeit, obwohl es sich beim Tierschutz um ein übergeordnetes Recht handelt. Dies wird bei der Nachsuchenarbeit allzu deutlich.


Die Nachsuchenarbeit als Sicht der Waidgerechtigkeit

"Jagen ohne Hund ist Schund" lautet ein viel zitierter Spruch unter Jägern. Gemeint war damit ursprünglich der Umstand, dass nur ein guter Hund einen guten Jäger ausmacht. Über einen Jäger, der keinen Hund führte, rümpfte man die Nase. Die Jagd ohne Hund galt als nicht waidgerecht.  Dass immer weniger Jäger heute einen Hund  führen und trotzdem zur Jagd gehen, lässt den Spruch heute wie Hohn klingen.
Schnell wurde von der Jägerschaft diesen hundelosen Jägern der Nachsuchenführer als Alternative zum eigenen  Hund zur Seite gestellt und somit übte auch der Jäger ohne Hund die Jagd wieder waidgerecht aus.  Man rief den Hundeführer, wenn man glaubte, das Stück getroffen zu haben. Unterblieb die Kontrollsuche, die jeder Hundeführer nach dem Schuss mit seine Hund durchführt, galt dies bestenfalls als ein Verstoß gegen die Waidgerechtigkeit. Die unterlassene Kontrollsuche als Straftatbestand im Sinne des Tierschutzgesetzes zu sehen, kam keinem Jäger in den Sinn. Verschärfend wirkt sich die Anwendung des Tierschutzes auf das Jagdwesen aber erst durch den enormen Anstieg der Schalenwildstrecken aus.

Die Nachsuchenarbeit einst und jetzt

Vor einigen Jahrzehnten noch beschränkte sich die Nachsuchenarbeit in den meisten Reviere auf das Niederwild. Die Hunde waren durch die Prüfungen gut auf die freie Verlorensuche ausgebildet und die Riemenarbeit beschränkte sich überwiegend auf das Arbeiten der Wundfährte des weit verbreiteten Rehwildes.

In den letzten Jahrzehnten hat sich aber das Bild der Arbeit des Jägers nach dem Schuss völlig gewandelt. Nicht nur, dass immer weniger Jäger einen Hund führen und somit immer weniger Hundeführer immer mehr Arbeit für die hundelosen Jäger übernehmen müssen. Viel gravierender wirkt sich die Bejagung des Schwarzwildes auf die Nachsuchenführer aus:

Die Bejagung erfolgt fast immer bei schlechtem Licht und somit oft unter sehr schlechten Schussbedingungen. Schon daraus alleine ergibt sich eine wesentlich häufigere Nachsuchenarbeit, als beim Rehwild.

Schwarzwild gilt, völlig im Gegensatz zum Rehwild, als schusshart. Ich habe schon Sauen über 100 Meter vom Anschuss entfernt gefunden, bei denen das Geschoss das Herz verletzt hatte.

Schwarzwild gilt als wehrhaft und aggressiv, insbesondere wenn es angebleit ist. Selbst sauscharfe und sauerfahrene Hunde machen bei Keulenschüssen in der Regel einen Rückzieher.

Nach vielen guten Schüssen findet sich bei Sauen am Anschuss kein Schweiß. Der Grundsatz des hundelosen Jägers "Wenn  kein Schweiß an Abschuss liegt, habe ich gefehlt" mag beim Rehwild noch zutreffen, beim Schwarzwild erfüllt er spätestens beim zweiten mal den Tatbestand der Tierquälerei. Deshalb gilt: Wer dem  Grundsatz nicht folgt, dass auf alle abgegebenen Schüsse eine Kontrollsuche zu erfolgen hat, der erfüllt den Straftatbestand der Tierquälerei, ob dies nicht waidgerecht ist, ist dabei völlig ohne Belang!

Zudem hat sich jeder hundelose Jäger vor dem Beginn  der Jagd zu informieren, ob ein Nachsuchenmann verfügbar ist. Wer sich erst nach dem Schuss bemüht, einen Hundeführer zu finden, handelt fahrlässig!!




Die Schwarzwildstrecken haben sich in Bayern, wo das Wildschwein vor 40 Jahren noch weitestgehend unbekannt war, vervielfacht (!). In den letzten Jahren nehmen die Strecken exponential zu!

Doch schaut man sich an, wie die Jagdgebrauchshundevereine die Hunde noch heute ausbilden, ohne auf die Veränderungen Rücksicht zu nehmen  und wie die Jäger in Bayern mit dem Thema Nachtjagd umgehen, bezweifle ich, ob die Jägerschaft es mit dem Begriff Waidgerechtigkeit erst meint.

Die Verbände geraten ins Hintertreffen

Noch immer gibt es in Bayern kein Schwarzwildübungsgatter, in dem die Hundeführer die Tauglichkeit des Hundes am Schwarzwild üben können. Dabei ist es ganz entscheidend, den unerfahrenen Hund behutsam an das wehrhafte Schwarzwild heranzuführen. Schätzungsweise 70% der Jagdhunde sind nicht sauscharf. Diese Quote lässt sich durch das Üben im Schwarzwildgatter erheblich reduzieren.

Noch immer werden die Vorstehhunde von den Jagdgebrauchshundevereinen in den klassischen Niederwildfächern geprüft, obwohl viele Niederwildjagden gar nicht mehr stattfinden. Die notwendige Ausbildung auf der Schwarzwildfährte und der Umgang mit der kranke Sau, die es zu stellen gilt, unterbleibt.

An den Nachsuchenführer, der das kranke Schwarzwild nachucht, werden hohe Anforderung an Kleidung, Einsatzbereitschaft und Mobilität gestellt. Auch der Verlust an Hunden steigt mit zunehmendem Einsatz enorm an. Diese Arbeit ist als ehrenamtliche Tätigkeit nicht mehr zu erfüllen. Bei der Regelung, wie die Kosten einer Schweißhundestation zu erstatten sind, sind die Jagdverbände gefragt.

Weder Jagdgebrauchshundvereine noch die Jägerschaften haben erkannt, welche immensen Veränderungen innerhalb Ihrer Verbände gefordert sind, wenn sie sich dem Problem der Schwarzwildbejagung zu stellen wollen. Alleine alle Veränderungen mit dem Totschlagargument, das sei nicht "waidgerecht" vom Tisch zu wischen, wird nicht mehr lange gut gehen.


waidmannsheil

Euer

stefan

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1 Kommentar:

Ulf hat gesagt…

Da trifft vieles von dem zu, was Du schreibst, ich meine nicht das Rechtliche, sondern das Jägerische.
Ich habe Gattenmeistern zugehört, sie sprachen alle davon, dass sich nur ein Prozentsatz von knapp 40% der in Ihrem Gatter "vorgestellten" Hunde für die Schwarzwaldjagd eignet. Der Anteil kann erhöht werden, wenn man mehrmals unter Anleitung mit dem Hund in ein Eingewöhnungsgatter geht, so meine Erfahrung auch als Begleiter anderer Hundeführer.
Hunde, die regelmäßig mit der Jagd zu tun haben und auch mit Schwarzwild tun sich leicht bis leichter. (Ich kenn mich nur mit Vorstehhunden aus und habe Stöberhunde bei der Eingewöhnung erlebt.)
Ich habe aber auch erlebt, dass nur ganz wenige Hundeleut überhaupt dann interessiert waren, an einem Gatterübungstermin teilzunehmen, das hat mich wirklich maximal erstaunt.

Und nun zurück zur Jagd: Welcher Jäger braucht heute noch einen Hund bei der Jagd bzw. bei der Nachsuche oder besser gesagt, wer hat Zeit und Möglichkeiten, seinen Hund so auszubilden und bei der Sache zu halten, dass er die Anforderungen erfüllt, die die Realität stellt?
Eine Schweisshundstation hat gut und gerne 150 oder weit mehr Riemenarbeiten im Jahr. D.h., dass der oder die Hunde ein sehr grosses Repertoire an Erfahrung erworben haben, der Schweisshundführer ebenfalls, obwohl er nicht immer sicher sein kann oder sicher ist.
Voraussetzung für einen leistungsstarken Hund ist die Übung, es heisst nicht umsonst, dass Übung den Meister macht.
Häufig, so scheint es mir, werden die "einfachen" Jagdhunde eben nur entsprechend der verschiedenen Prüfungsordnungen ausgebildet und geprüft, wobei die Prüfungen manchmal auch keine wirklichen Prüfungen sein sollen. Aber egal, der Hund hat ein Zertifikat und los kann es dann halt gehen, denken vielleicht viele.

Doch weit gefehlt, es mangelt an der Übung und dann ist es vielleicht doch besser, wenn der Spezialist gerufen wird, ganz im Sinne des Tierschutzes, könnte man sagen. Ich sage aber nicht nur deshalb, sondern auch weil wir Jäger die Kreaturen nicht nur totschiessen, um unsere Schiesskünste zu demonstrieren, sondern weil wir Fleisch gewinnen wollen, das eben nicht mit Antibiotika vollgepumpt ist, Fleisch von Tieren, die das Tageslicht gesehen haben, die keine Panik im Schlachthaus bekommen. Und dieses Fleisch soll schnell gewonnen werden, das Stück soll nicht irgendwo noch stundenlang herumliegen, es soll schnell gefunden und "versorgt" werden, damit das Fleisch seine hohe Qualität bewahrt.

Wir Jäger sollten uns generell auch in der Pflicht sehen, uns in unserer Schiessfertigkeit häufig/regelmässig zu erproben und zwar auf dem Schiessstand.

Mir scheint, dass es in zahlreichen Punkten Nachholbedarf gibt und wir sollten dankbar sein, dass es doch eine ganze Reihe von Schweisshundstationen gibt.

Gruss, Ulf.