5.1.07

Wann wildert ein Hund? Begriffsbestimmung

Immer wieder kommt es zu heftigen Diskussionen zwischen Jägern und Hundehaltern über die Frage der Wilderei von Hunden. Kommt es zudem zum Abschuss des Hundes durch den Jagdpächter, schlagen die Emotionen hoch, die Presse greift den Fall auf und es kommt zu einer für die Jägerschaft oft schädlichen unsachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema.

Völlig unabhängig von der rechtlichen Definition, wann man von Hundewilderei sprechen kann, möchte ich eine eigenen Begriffsbestimmung aus Erfahrungen als Jäger und Hundeführer definieren.

Mir sind in 30 Jahren des Jagens 2 Fälle bekannt, bei denen ich persönlich von aktiver Hundewilderei sprechen würde. Ich habe selbst das (erfolgreiche) Jagen der Hunde beobachten können und diese beiden Fälle gleichen sich erstaunlicherweise wie ein Ei dem anderen.
Nachfolgende Parallelen waren erkennbar:

In beiden Fällen jagten die 2 Hunde gemeinsam, schließlich wissen auch die Hunde, dass nur eine ausgeklügelte Teamarbeit den Jagderfolg garantiert.

Die Hunde stammten von einem abseits der Siedlung gelegenen Anwesen und waren über einen längeren Zeitraum unbeobachtet und weitestgehend auf sich selbst gestellt, bzw. verwahrlost. Es handelte sich erstaunlicherweise nicht um Jagdhunde, sondern um Schäferhundmixe. Die bereits erwähnte Teamarbeit der Hunde war perfektioniert. Schnell einigen sich wildernden Hunde auf eine klar abgegrenzte Arbeitsweise. Der laufstarke Hund bezieht eine hangaufwärts liegende übersichtliche Stellung. Der Partner stöbert das darunterliegende Buschwerk durch. Auch die Hunde wissen, daß flüchtiges Wild oft hangaufwärts, selten hangwärts aber niemals hangabwärts flüchtet. Durch die Stöberarbeit des im Hang suchenden Hundes wird das Wild aufgeschreckt und flüchtet direkt in den hangaufwärts wartenden laufstarken Hund, der es problemlos niederreißen kann.

Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, dass diese Hunde, die erfolgreich wildern, absolut stumm jagen und keinerlei Hetzlaute, also weder spur- noch sichtlaut von sich geben. Wissen sie doch, dass nur der Überraschungseffekt die Panik auslöst, die sie brauchen, um dem kopflos flüchtenden Wild habhaft zu werden.

Ein unverkennbares Merkmal dieser Reviere, in denen Hunde aktiv wildern, ist ihre faktische Wildlosigkeit. Schon nach wenigen Wochen ist kein Reh oder Hase zu Tages- oder Nachtzeit mehr zu sehen. Das Revier wirkt wie ausgestorben.

Hat sich diese Teamarbeit gefestigt, sind die Hunde nicht mehr zu kontrollieren. Sie werden immer wieder versuchen, das Anwesen zu verlassen, und sich ihrem Jagdtrieb hingeben. Ein Abtrainieren dieser extremen Jagdneigung ist aus meiner Sicht nachträglich unmöglich. Diese Hunde gehören für immer an die Leine oder müssen eingeschläfert werden.

Eine seltenere, aber überwiegend bei jagdlich geführten Hunden vorkommende Art der Hundewilderei setzt eine örtliche besondere Gegebenheit voraus. In Obst- und Weinanbaugebieten werden häufig Kulturen gegattert. Zudem werden Gatterungen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, nicht entsorgt, sondern ihrer Verwahrlosung überlassen. Auch werden die Gatterungen nicht ständig auf ihre korrekte und dichte Aufstellung kontrolliert. Schnell haben Hunde erkannt, dass kopflos flüchtendes Wild die gewohnten Durchlässe im lückenhaften Gatter nicht wiederfindet und hetzen das Wild in die Gatterung, um es dort niederzureißen. Auch diese Hunde sind völlig verdorben und gehören für immer an die Leine oder eingeschläfert.

Durch diese geschilderten 2 Umstände, also die Teamarbeit bzw. die unsachgemäße Gatterung, die notwendig ist, damit der Hund überhaupt erfolgreich wildern kann, wird klar, dass ein einzelner Hund nur in Ausnahmefällen, nämlich bei krankem Wild, eine Chance hat, jagdlich erfolgreich zu sein. Ein einzelner Hund kann das Wild zwar hetzen, wird ihm aber unter normalen Umständen niemals habhaft.

Was ist zu tun?

Diese erfolgreich wildernden Hunde werden schnell auffällig. Gemeldet werden diese Hunde aber oft durch Spaziergänger, die das Hetzen beobachten. Schon beim Ausfindigmachen der Hunde ist der Jagdpächter auf die Mitarbeit der Zivilbevölkerung angewiesen, die den Hund beschreiben können.

Nach dem Reißen des Wildes schneiden die wildernden Hunde das Wild an und kehren danach zum Anwesen zurück. Die Hunde zeigen aber noch mehrere Stunden nach dem Reißen deutliche Spuren von Schweiß am Hals, Kopf und Läufen.

Ist das Anwesen des Hundes ausgemacht, gilt es, vor Revierfahrten am Anwesen vorbei zu fahren. Wird gerissenes Wild oder das Jagen der Hunde gemeldet, sofort zum Anwesen fahren und die Hunde genau begutachten. Zeigen sie Schweißspuren, so ist die Polizei zu verständigen, die die Spuren aufnimmt, und es ist Anzeige zu erstatten. Kommt es zur Verurteilung der Halter bei gleichzeitig gerichtlich verordnetem Leinenzwang, ist dies der Presse mitzuteilen.
Dadurch ist der wildernde Hund aktenkundig und der Öffentlichkeit bekannt. Bei einem Verstoß gegen die richterliche Anordnung kann der Revierpächter sofort eingreifen und hat, da es in der Presse stand, auch die Öffentlichkeit hinter sich und braucht sich nicht mehr für sein Handeln zu rechtfertigen.

Ich persönlich sehe nur in obig geschilderten Fällen den Tatbestand der Hundewilderei gegeben, der das Eingreifen des Jägers rechtfertigt. Immer aber gilt es, den Hund, auch wenn er nur fortwährend erfolglos hetzt, aktenkundig zu machen, um eine gerichtliche Anordnungen zu erzwingen und um sich später vor Anfeindungen aus der Öffentlichkeit zu schützen.

Alle anderen hoch-emotionalen Handlungen bergen das Risiko, ein auf viele Jahre gestörtes Verhältnis zwischen Jägern zu den Hundehaltern zu riskieren, das niemand will.

Waidmannsheil

stefan fügner

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Ein weiterer interessanter Bericht zu Thema "Zum Jagdverhalten von Hunden"


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wilderei von Hunden geht, meiner Ansicht nach, oft einher mit der Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit und Egoismus ihrer Hundehalter. Da wird Abends die Haustür geöffnet und es werden die Hunde zum „Lüften“ geschickt. Die Hund sind sich selbstüberlassen. Hier kann sich jeder vernünftige Mensch ausrechnen, dass Wildkontakt nicht lange auf sich warten lässt.

Anonym hat gesagt…

Negativ-Beispiele gibt es leider - wie überall - auf beiden Seiten. So gibt es Hundehalter, die nicht auf ihre Hunde achten und leider auch Jäger, die gerne mal auf einen Hund schießen. Auch wenn dieser nicht wildert.

Auch ich bin schonmal einem Jäger begegnet, der mich grundlos anpöbelte und mir androhte, den Hund zu erschießen, wenn ich ihn nicht sofort anleine. Und das, obwohl der Hund bei Fuß lief und keinerlei Jagdambitionen hat, wie das
Video wohl beweisen dürfte.

Allerdings haben wir auch positive Erfahrungen mit freundlicheren Jägern gemacht. Es gibt eben überall "solche und solche".

Calamitas hat gesagt…

Ich habe vor vielen Jahren auf einem einsam gelegenen ehemaligen Bauernhof in Oberbayern gewohnt. Die Pächter schickten ihre beiden Boxerhündinnen in den Wald zum Wildern. "Nein ihr bekommt heute nichts mehr. Ihr habt schon ein Reh gehabt." Und die wussten, was sie taten. Der Mann war Akademiker (Rechtsanwalt).

Es gibt nichts, was es nicht gibt.

die Windhündin hat gesagt…

auf allerlei Umwegen bin ich hier vorbei gekommen und hab gelesen, was Du vor ein paar Jahren geschrieben hast...
Und nun nochmal alles ganz anders und von vorn wenn es um Windhunde geht! Vermehrt - durch den ständigen Auslandsimport - sind auch Windhunde unterwegs. Und vermehrt sind mit ihnen Menschen unterwegs, die nur ungenügend wissen, was "Windhunde sind Jagdhunde" bedeutet oder sich einfach nicht vorstellen können, WAS passieren kann. UND vermehrt sind Jäger mit diesen HUnden konfrontiert. Windhunde sind nicht gleich Windunde! Die Spanier jagen anders als die Orientalen. Ein Chart Polski kommt vielleicht noch am ehesten an unser "deutsches" Verständnis von "jagdlich geführt" heran... Und auch beim gegenseitigen ANimieren und Spielen der schnellen Hunde kommt es leicht zu MIssverständnissen... EIN WEITES FELD! Ich bin weder gegen Jäger - handeln sie den verantwortungsbewusst und mit gesundem Menschenverstand. Noch gegen jene, die oftmals leicht überfordert, mit ihrem Windhund unterwegs sind.
ABer Aufklärung und halt auch Toleranz für beide Seiten tut not... jenseits unserer altbekannten (Jagd)hunderassen. Derzeit führe ich neben meinem Herdenschutzhundmischling einen Chart Polski, früher war es ein Galgo und eine Greyhündin. . . .