23.12.10

Winterliche Saujagd im Oderbruch oder: 10 Sauen in 4 Nächten

Der Winter hat dieses Jahr bereits Anfang Dezember Brandenburg fest im Griff.

Selbst die älteren Einwohner können sich nicht daran erinnern, dass bereits vor Weihnachten so viel Schnee fiel, wie diese Jahr. Zudem sinken die Temperaturen bereits deutlich unter die -10 Grad Grenze.
Zum Vollmondwochenende um den 20.Dezember haben sich wieder Jungjäger angesagt. Vollmond, klare kalte Nächte und über 30 cm Neuschnee. Traumhaftes Saujagdwetter!!!

Täglich prüfe ich in den verschiedenen Revierteilen die Wildbewegungen und beschicke wie seit 2 Monaten die Kirrungen. Wo stehen die Saufährten? Wo haben sie gebrochen?

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die zigeunerhaft herumziehenden Sauen in den kalten schneereichen Tagen standorttreu werden und oft mehrere Tage in einem Revierteil bleiben.
In nur 2 Revierteilen kann ich Sauen bestätigen, der Rest des Revieres scheint "saufrei" zu sein. Mein mühevolles tägliches Kirren über 2 Monate war scheinbar völlig umsonst, seit dem ersten Schnee werden die Kirrungen nicht mehr angenommen. Mehrere Jungjäger haben sich zur Saujagd angesagt und die Kirrungen sind verwaist!!!
Nach und nach sagen wegen der teilweise chaotische Straßenverhältnisse die von weit her anreisenden Jagdgäste ihre Teilnahme ab.
Doch auf Stefan aus Brokstedt bei Hamburg ist Verlass. Gut ausgerüstet mit einem Geländewagen kämpft er sich bis nach Ostbrandenburg durch und auch die ortsansässigen Jungjäger stehen in den Startlöchern und melden sich zur bevorstehenden Ansitzjagd an.
Doch alles der Reihe nach:

Sonntag, 19.Dezember:
Stefan wird direkt bei seiner Ankunft in den einzigen Revierteil, in dem Sauen bestätigt wurden, geschickt. Schon 3 Stunden nach seiner Ankunft meldet er "Sau liegt" Zwei Nächte vor dem eigentlichen Vollmond streckt er gegen 23.00 Uhr die erste Sau, eine 65 kg schwere, gescheckte Bache. Lange hatte die 14 köpfige Rotte hinter dem Sitz gebrochen, ohne an die Kirrung zu kommen. Erst die Pirsch hinter den Sitz brachte den Erfolg. Das Vollmondwochenende mit klaren Nächten und klirrender Kälte scheint hoffnungsvoll zu beginnen. Doch die weiteren Tage sollten alle Erwartungen noch weit übertreffen.




Die gescheckte Bache (65 kg) des ersten Tages.














Photo: Stefan Habermann





Montag, 20.Dezember:

Beim Inspizieren des Revierteils am nächsten Tag lasse ich mir von Stefan an der Wiese, wo er die Sau erlegte, zeigen, wo er die Sau erlegt hat. Ich will wissen, welche Richtung die 14 köpfige Rotte nach dem Schuss genommen hat. Ich komme zu dem Schluss, dass sie den Revierteil nicht verlassen hat oder sich bestenfalls im benachbarten Revierteil "An den Weihnachtsbäumen" eingeschoben haben muss, eine dichte Schilfdickung mit altem Fichtenbestand.

Am Nachmittag wird wegen der enormen Schneehöhe begonnen, die Wiesen mit einem Schneepflug vom Schnee zu befreien. Der Schneepflug ist eine einfache Konstruktion aus 2 hochkant zusammengefügten Gerüstdielen, die mit einem Rundholz zu einem "A" geformt ist. Mit einer Kette wird der Pflug an den Geländewagen gehangen. Ich fahre über die Wiesen und Luzerneäcker des Oderbruchs und der Endmoräne, die gerne vom Wild angenommen werden . Schon am Abend stellen sich große Sprünge von Rehen auf den freigepflügten Flächen ein und auch die Sauen nehmen das freiliegende Gras an, wie sich später herausstellt.



Futterschneisen werden angelegt, sie sollten sich für die kommenden Jagdtage auf Sauen als äußerst vorteilhaft erweisen.



















Der Landy mit angehängtem Schneepflug arbeitet sich durch den über 30 cm hohen Schee auf den Luzerneäckern und den Wiesen und legt das Grün frei.












Photos: Stefan Habermann




Am Abend werden die 2 Kanzeln in den 2 Revierteilen, in denen ich die Rotte vermute, besetzt.

Mein Konzept geht auf: Erneut kann Stefan an der Stelle wie Tags zuvor einen Frischling strecken. Im benachbarten Revierteil "An den Weihnachtsäumen" kann Jungjäger Martin einen Überläufer strecken. Der zweite Überläufer zeichnet und wechselt schwer krank ins Niederfinower Revier. Gegen 23.00 Uhr informiere ich Jagdpächter Burkhardt über die bevorstehende Nachsuche in seinem Revier und dann kämpfe ich mich mit dem Landy durch die verwehten Wege in diesen weit abgelegenen Revierteil. Bei der Fahrt sehe ich 2 Sauen auf den durch den Mond hell erleuchteten Wiesen des Oderbruchs. Mühsam arbeite ich mich mit DD Rüde Ajax auf der Wundfährte durch den hohen Schnee. Mehrfach rutsche ich auf den Eisflächen, die sich unter dem Schnee befinden, aus. Die Wiesen waren nach tagelangen Regenfällen überschwemmt, bevor der Frost und Schnee kam. Die Sau hat nach einer Flucht von über 300 Metern über die offene Wiesenfläche ein fast undurchdringliches Schilf-Dornengestrüpp angenommen. Ajax wird geschnallt und gibt nach 30 Meter standlaut.
Doch der Standlaut ist bissig, die Sau lebt noch!
Mühsam kämpfe ich mich mit Jungjäger Martin Meter für Meter an die Sau. Auf dem umgeknickten Schilfhalmen liegt der Schnee, was das ohnehin mühsame vorwärts arbeiten im Schilfdickicht zusätzlich erschwert. Nur wenige Meter vor der Sau ist der Blick frei und Martin kann ihr den erlösenden Fangschuss geben. Später zeigt sich, warum die Sau trotz gutem Schuss eine solch lange Flucht hervorbrachte. Der Schusskanal lag unter dem Rückgrat, aber über der Kammer, ohne dass sich das Geschoss entfaltet hatte.
Nun beginnt die anstrengende Bergung der Sau aus dem Schilf über die eisbedeckten zugefrorenen Wiesen. Nach fast 2 Stunden Nachsuche, Aufbrechen und Bergung sind wir am Landy angekommen. Ich bin trotz tiefer Frosttemperaturen nass geschwitzt. Als die 3 Sauen im Kühlhaus hängen und ich mit den Proben und den Wildursprungsscheinen nach Hause fahre, ist es 3.10 Uhr. Ich blicke ins verschneite Oderbruch.
Der Vollmond läßt die Landschaft unwirklich hell erscheinen. Mit dem Erlebten überkommt mich diese eigenartige Gefühl, das wir als Jäger nach solch einer Jagd haben: Ich habe etwas Einmaliges erlebt.

Dienstag, 21.12.

Wir hatten erkannt, dass es sich um mehrere Rotten in den beiden Revierteilen handeln musste und hatten uns entschlossen, auch am 3. Tag die Bejagung in diesen 2 Revierteilen dort fortzusetzen.

Stefan meldet schon gegen 20.00 Uhr 2 erlegte Frischlinge, die er aus einer 5 köpfigen Frischlingsrotte ohne Bache erlegt hat. Ein dritter Frischling hatte auf den Schuss hin geklagt, kurz gezeichnet und war dann den 2 flüchtenden Frischlingen gefolgt. Am Schilfrand hatten die 3 sich wieder zusammengefunden und waren ins Schilfdickicht gewechselt. Zwar finden wir spärlich Schweiß, aber als wir mit Ajax am Wundbett im Schilfdickicht ankommen, flüchten die 3 Frischlinge scheinbar alle gesund ins undurchdringliche Schilf. Ajax wird geschnallt und setzt den 3 Frischlingen nach, kommt aber bald wieder zurück.

Als wir die 2 Frischlinge im Kühlhaus aufgehängt haben und die Wildkammer verschließen, lassen wir nochmal den Blick über die mondgeschienen Schneelandschaft schweifen. Wir können von der Wildkammer aus in mehren 100 Meter Entfernung auf den Wiesen im Revierteil "Am Steinberg" 8 Sauen im hellen Mondlicht auf der schneebedeckten Wiese brechen sehen. Widrige Windverhältnisse und völlig verwehte Feldwege machen ein Erreichen der Rotte auf Schussentfernung nur unter großen Mühen möglich. Wir beschließen, die Jagd dort morgen fortzusetzen.

Mittwoch, 22.12.2010
Den ganzen Tag über stehe ich im Zerwirkraum. Gegen Abend nach 5 Stunden habe ich fast 200 kg Sauen abgeschwartet und zerwirkt. Die Kühlkammer ist wieder frei.
Auf einen Abendansitz habe ich keine Lust mehr, aber die beiden Jungjäger Mathias und Martin wollen auch die vierte mondklare Nacht mit Schnee zur Saujagd nutzen. Martin geht ins Bruch, Mathias an den Steinberg, dort wo wir des Nachts die Rotte vom Kühlhaus aus gesehen hatten.
Als Mathias seinen provisorischen Sitz in Form eines Stuhles bezieht, steht die Rotte schon brechend vor ihm.
Einen Frischling kann er stecken. Beim Aufbrechen klingelt das Handy. Martin hat Probleme mit der Waffe, sie läßt sich nicht mehr spannen und er hat eine Rotte von 3 Frischlinge vor, scheinbar der Rest der Rotte von gestern. Mathias läßt den geschossenen Frischling liegen und bringt Martin seine Waffe ins Oderbruch. Dort streckt Martin mit der geliehenen Waffe 2 der 3 Fischlinge. Einer hat eine kleine Verletzung an der Afterklaue des Vorderlaufes, es ist zweifelsfrei der krankgeschossene Frischling vom Vortag.

Als die 2 Frischlinge von Martin versorgt sind und im Kühlhaus hängen, will Mathias seinen zurückgelassenen Frischling und seine Sachen am Steinberg holen. Als er dort erscheint, steht ein starker Keiler brechend auf der Wiese. Nach dem Schuss flüchtet der Keiler direkt auf ihn zu, um wenige Meter vor ihm abzudrehen. Dann stürzt er noch den Hang hinunter, um dort mit einem guten Schuss zu verenden.
Zu zweit bergen die beiden den 75 kg schweren Bassen mit dem Landy im unwegsamen Gelände. Nach mehreren Stunden bergen, aufbrechen und versorgen endet die vierte Nacht der Ansitzjagd erst in den frühen Morgenstunden.


Donnerstag, 23.12.
Ich stehe wieder im Kühlhaus, um die Wildursprungsscheine auszustellen. Bei der Fahrt zum Tierarzt stelle ich fest, dass der warme Südwind, der seit dem Morgen weht, starkes Tauwetter auslöst. In wenigen Stunden hat das Tauwetter die Wege des Niederoderbruchs durch Scheematsch unpassierbar gemacht. Der warme Wind und der kalte Boden erzeugen dichte Nebel, der oft nur weniger als 30 Meter Sicht ermöglicht.
Jagd vorbei. Hahn in Ruh.
Das plötzlich einsetzende Tauwetter beendet die bisher erfolgreichste Ansitzjagd zu Vollmond im Lehrrevier.



Die Strecke der letzten Nacht vor der Kühlkammer: 1 starker Keiler, 3 Frischlinge.
Im Hintergrund das Jagdhaus am Vorwerk.

Das Besondere dieser Strecke:
Alle 4 Sauen wurden mit nur einer Waffe aber von 2 Jungjägern erlegt


























Hier nochmal die Strecke in der Zusammenfassung:
19.12. 1 Bache (65 kg)
20.12. 2 Frischlinge (21 kg und 23 kg)
21.12. 2 Überläufer (46 kg und 55 kg), 1 Frischling (19 kg)
22.12. 3 Frischlinge (17 kg , 16 kg und 21 kg) 1 Keiler (75 kg)



waidmannsheil

Euer

stefan

19.12.10

Warum Wildfleisch nicht billig aber preiswert ist

Wildschweinfleisch verliert beim Braten bis zu 30 % weniger Wasser, als herkommliches Schweinefleisch.
Zudem wurden Wildschweine, wenn sie vom Jäger geliefert werden, nicht medikamentös behandelt.
Auch Laien schmecken den Unterschied zwischen Wildschwein und Hausschwein heraus. Es ist wesentlich geschmackvoller.














Erlegte Sauen in der Kühlkammer im Lehrrevier Liepe
Photo: Jan Lehmann



Seit Jahren zerbricht sich die Jägerschaft darüber den Kopf, dem Bürger das Wildfleisch im wahrste Sinne des Wortes schmackhaft zu machen.
Wie bei der Lösung aller Verkaufsproblemen und dies ist beim Verkauf von Wildfleisch nicht anders, kommt man um den direkten Kundenkontakt und um ein Gespräch mit Demselbigen nicht herum.

Von einem solchen Kundengespräch und dessen Erkenntnisse möchte ich hier berichten.

Seit einem Jahr wird das gesamte Wildfleisch des Lehrreviers in Liepe direkt vermarktet. Kein einziges Kilogramm Wildfleisch geht zum Wildhändler.

Als Anfang November das Telefon klingelte, fragte eine Dame, ob wir denn auch eine abgeschwartete und zerwirkte Sau von 20 - 25 kg frisch liefern könnten. Ich notierte die Vorbestellung und mit großer Neugier ging es dann mit dem zerwirkten 20 kg Fischling in der Edelstahlwanne zum Kunden. Bei der Dame angekommen, verteilte ich Keulen, Schlegel, Bauchlappen, Rippen, Kopf und Schulter auf dem Küchentisch und sie begutachtet das Fleisch. "Traumhaft, bestes Fleisch, genau so will ich es haben".
Ihr fachmännischer Blick und ihre Begutachtung steigerte meine Neugier und ich fragte, wo sie die Fähigkeit der Fleischbegutachtung erlernt hat. Sie sagte mir, dass sie viele Jahre als Fleischerfachverkäuferin gearbeitet hatte. Leider gibt es dieses Geschäft nicht mehr, es wurde, wie viele dieser Geschäfte, von den Supermarktketten verdrängt.
Im Verlauf des Gespräches erfuhr ich, dass sie als gelernte Fleischerfachverkäuferin den Frischling nun vollständig entbeint, zu Bratenteilen, Nackensteaks, Schweinskopfsülze und Hackfleisch verarbeitet und alles einfriert. Dadurch habe sie für 3 - 4 Monate genügend Fleisch, ohne ein einziges Mal Fleisch im Supermarkt kaufen zu müsssen.

Doch den echten Vorteil des Wildschweinfleisches verriet sie mir am Schluß und der läßt Wildfleisch in einem ganz anderen Licht erscheinen:

Sie hatte nach dem Braten eines Schweinebratens aus dem Supermarkt festgestellt, dass dieser nach dem Braten erheblich geschrumpft war. Beim Braten von Wild passiert ihr dies nicht. Dort bleibt der Braten fast gleich groß.

Fazit:
Der Schweinebraten aus dem Supermarkt verliert fast dreimal soviel Wasser beim Braten wie der Wildscheinbraten!

Bei einem solch immensen Wasserverlust herkömmlichen Schweinefleisches relativiert sich der anfänglich höhere Preis für Wildfleisch. Zudem sollte man bedenken, dass das herkömmliche Schweinefleisch zwar das Wasser verliert, aber die für die Wasseransammlungen im Fleisch verantwortlichen Medikamente zurück bleiben.

waidmannsheil

Euer


stefan