24.1.09

Wenn aus Landschaftszerstörung ein Refugium wird

Über viele Jahrzehnte wurde in Wülfrath Kalk abgebaut. Ein unverzichtbarer Baustoff für die Bau- und Stahlindustrie.
Betrachtet man das Luftbild von Wülfrath bei google earth, so erinnert die Landschaft an eine Mondlandschaft. Eine Umweltzerstörung großen Ausmaßes läßt sich hier vermuten.
Eine Genehmigung zum Abbau von Kalk in diesem Ausmaß in einem dichtbesiedelten Gebiet wie das in Nordrhein-Westfalen wäre heute aus Umwelt- und Landschaftsschutzgründen undenkbar.

Doch wer einmal Industriebrachen oder Steinbrüche über mehrere Jahre beobachtet hat, stellt fest, dass sich die Natur vieles wieder zurückholt, was der Mensch ihr nahm.
Schneller als man denkt, verschwinden auf verwahrlosten Industriebrachen alte Gemäuer unter der wuchernden Vegetation. Gut läßt sich diese Rückeroberung der Natur in den neuen Bundesländern beobachten, wo große Industriebrachen 20 Jahre nach der Wiedervereinigung allmählich im Bewuchs unkontrolliert wachsender Pflanzen verschwinden.

Doch sich selbst überlassen Steinbrüche stellen eine ganz besondere Art einer neu geschaffenen Landschaft dar. Meist bildet sich am tiefsten Punkt eine Wasserfläche und die steilen Hänge des Steinbruchs bieten Tieren einen Lebensraum, den sie sonst nirgends finden.
Zudem werden Steinbrüche meist wegen der hohen Gefahren vom Zugang durch die Öffentlichkeit gesperrt.
Und wenn vor vielen Jahrzehnten so ein Steinbruch noch als eine große Landschaftszerstörung wahrgenommen wurde, sind diese Brachen heute Refugien von Tieren und Pflanzen, die man sonst nirgends mehr in Deutschland findet.
Galt vor wenigen Jahrzehnten noch der Uhu, der größte Eulenvogel in Deutschland als fast ausgestorben, so beherbergt alleine das Gebiet um die Wülfrather Kalksteinwerke 13 Paare. Auch der immer noch betriebene Abbau von Kalk scheint den eher scheuen Greifvogel nicht daran zu hindern, in den steilen Hängen des Tagebaus zu brüten.


waidmannsheil

Euer

stefan

Von den Steinbrüchen der Wülfrather Kalksteinwerke und dem Eldorado der Uhus berichtet das Onlinemagazin der Westdeutschen Zeitung:




13 Paare brüten im Gebiet der Wülfrather Kalksteinwerke





Wülfrath: Ein Eldorado für den Uhu sind die Kalkbrüche
von Anna Bossy

Mitglieder des Hegerings und der Greifvogel-Experte Detlef Regulski
trafen sich zu Erfahrungsaustausch und Bestandsaufnahme:
In der Region gibt es zurzeit 13 Brutpaare.


Wülfrath.
Schroffe Felswände mit geschützten Brutplätzen und vom Stadttrubel verschonte Rückzugsmöglichkeiten – mit seinen großen und kleinen Kalkbrüchen ist Wülfrath ein Eldorado für den Uhu.

Dem Schutz dieser mächtigsten heimischen Eulenart haben sich die Kalkwerke, die Untere Landschaftsbehörde und die örtliche Jägerschaft in einem gemeinsamen Uhu-Projekt verschrieben. Am Mittwochabend trafen sich Mitglieder des Hegerings Wülfrath und Uhu-Experte Detlef Regulski zum Erfahrungsaustausch und einer aktuellen Bestandsaufnahme.

Oft übersehen und trotzdem zahlreich vertreten: 13 Brutpaare sind zuletzt in Wülfrath und Umgebung gesichtet worden. Detlef Regulski ist ihr aufmerksamster Beobachter und kennt alle Nistplätze in den Steinbrüchen. Hier fühlen sie sich offensichtlich äußerst wohl: Denn der Bestand hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.

Allein im vergangenen Jahr konnte Regulski drei neue Uhu-Brutpaare in der Region registrieren. So wurde der Schlupkothener Steinbruch neu besetzt, die Grube 7 in Gruiten und auch der Bruch in Rohdenhaus. Dort suchten sich trotz der Tunnelarbeiten zwei Uhus ihr neues Heim direkt gegenüber einem schon ansässigen Uhu-Pärchen. Rivalitäten unter den Männchen, ausgelöst durch Fremdflirten der „zugezogenen“ Eulenfrau mit dem Nachbarn, waren da vorprogrammiert.


Unsere Landschaft und der Artenschutz brauchen viel mehr Brachflächen, die der Natur überlassen bleiben.
(Detlef Regulski, Uhu-Experte)

Zu der Nahrung eines Uhus gehören unter anderem Tauben, Rabenkrähen, Schleiereulen, Käuze, Mäuse und vor allem Igel, die der Greif samt Stachelkleid verspeist. Natürlich erbeutet der Uhu auch gelegentlich einen von der örtlichen Jägerschaft gehegten Hasen.

Was aber, so Detlef Regulski, den Hasenbestand nicht bedroht: „Niemals rottet eine Art eine andere aus. Daran ist vielmehr der Mensch schuld. Naturnahe Lebensräume werden immer weniger und letzte zusammenhängende Gebiete immer weiter zersiedelt und vom Straßenbau zerschnitten.

15 bis 16 Uhu-Paare könne, so der Experte, unsere Umgebung verkraften. Bei einer höheren Population käme es zu innerartlichem Stress. „Der Bestand reguliert sich von selbst“, ist Regulski sicher.

Seit 20 Jahren ist es bereits öffentlich bekannt, dass Wülfrath mehrere Uhu-Paare beherbergt, doch erzählen Wülfrather Jäger, dass sie bereits vor 30 Jahren Uhus beobachtet haben können. Trotz der momentan stabilen Uhu-Population macht sich der Experte Sorgen: „Ich befürchte, dass durch weiteren Straßenbau und zunehmende Störung von Lebensräumen die Uhus vertrieben werden könnten.

Auch der Freizeitbereich weite sich immer weiter aus: „Momentan scheint es zum Beispiel in der Mode, jede alte Bahnstrecke zu einem Fahrradweg umzubauen. Das ist zwar gut für die Wahlkampagnen, aber schlecht für bedrohte Tierarten, die hier oft letzte Refugien verlieren.

Gemeinsam mit der Jägerschaft will sich Detlef Regulski für die Uhus, den Artenschutz generell und den Biotop-Schutz stark machen. Eine konkrete Forderung: „Kompensationsmaßnahmen durch Aufforstungen sind nicht immer die beste Lösung. Unsere Landschaft und der Artenschutz brauchen viel mehr Brachflächen, die der Natur überlassen bleiben.


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