23.1.09

"Wald und Wild" - Ein Medizinprofessor mit forstwissenschaftlichen Visionen

Professor Bier (1861-1949), ein Medizinprofessor, der in der
Forstwissenschaft neue Akzente setzte



Es wird den Deutschen häufig von Außenstehenden ein übertriebenes Fachidiotentum vorgeworfen, das keinen Raum für Visionen lässt.
Besonders deutlich wird dies, wenn sich anerkannte Wissenschaftler aus Neugier in berufsfremde Angelegenheiten einmischen. Bekannte Beispiele sind Rudolf Steiner, der als Philosoph ebenso neue Akzente in der Bildungswissenschaft setzte, wie auch Maria Montessori, die als Ärztin der Pädagogik neue Ideen gab.

In der Forstwissenschaft scheint dies nicht anders zu sein.
Das Für und Wider des neuen Grundsatzes der Wald-Wildbewirtschaftung "Wald vor Wild" wird nicht nur in forst- und jagdwissenschaftlichen Kreisen heftig und streitig diskutiert.
Dass unser Wald vor großen Veränderungen steht, die durch die Abkehr von der rein am Profit orientierten Monoklturbewirtschaftung eingeleitet wird, steht außer Frage.
Dass eine reine Monokulturbewirtschaftung nicht der Weisheit letzter Schluss ist, hatte aber auch schon vor fast 100 Jahren der Chirurg Professor Dr. August Bier erkannt. Dass aber ein gesunder Mischwald auch eine viel artenreichere Tierwelt hervorbringt, wollte man vor 100 Jahren nicht sehen.

Als Chirurg hatte sich Professor Bier bereits mehrfach einen Namen gemacht.
So erfand Professor Bier ein Schröpfglas mit Saugglocke, das im Gegensatz zu den herkömmlichen Schröpfgläsern den Unterdruck nicht mehr durch eine Erwärmung der Glocke und eine anschließende Abkühlung erzeugt, sondern den Unterdruck mit einer Saugglocke herstellt.

Als Frontarzt im 1. Weltkrieg erkannt er bei den Kopfverletzungen der Frontsoldaten, dass eine neue Form des Stahlhelm notwendig war. Professor Bier entwickelte die deutsche Form des Stahlhelms (M1916), die später viele Soldaten vor schweren Kopfverletzungen schützte.

Doch diese ständigen Ausschweifungen von der Chirurgie in fachfremde Bereiche schienen ihn sein Leben lang zu begleiten. Im Jahre 1912 kaufte er das Forstrevier Sauen , das zur brandenburgischen Gemeinde Rietz-Neuendorf gehört, um sich fortan der Forschung zum Umbau der Brandenburgischen Wälder zu widmen. Mittlerweile wurde das Forstrevier Sauen in die "Stiftung August Bier" umgewandelt und ist als forstwissenschaftliche Einrichtung in Deutschland nicht mehr wegzudenken.

In einer Seminarankündigung zum Thema "Wald und Wild" faßt man die Ziele der Stiftung August Bier wie folgt zusammen:

"Die Stiftung August Bier mit Sitz in Sauen fühlt sich dem ideellen und sächlichen Vermächtnis von August Bierverpflichtet. Basierend auf dem Gedankengut von Heraklit (Alles fließt; Gegensätze fügen sich zur Harmonie) hatte Prof. Dr. Bier 1912 das Gut Sauen erworben, um hier am biologischen, komplexen Modell Wald sein heraklitisches Experiment zu starten. Herausgekommen ist ein artenreicher Mischwald, der heute quasi als Vorbild für das Brandenburger Waldumbauprogramm gilt.

Die Stiftung bewirtschaftet diesen Wald, entwickelt die Bier`schen Ideen weiter, gepaart mit modernen forstwissenschaftlichen Erkenntnissen und setzt sie vor Ort um. Das Land Brandenburg hat in 2005 der Stiftung Naturschutzflächen übertragen, überwiegend Wald und
Seen. Seitens der Stiftung werden diese entsprechend den örtlichen Naturschutzverordnungen gepflegt und besorgt. Die Stiftungswälder und die der Stiftung übertragenen Naturschutzflächen sind FSC- zertifiziert und werden nach Prinzipien des naturgemäßen Waldbaus bewirtschaftet. Auf Flächen der Stiftung führt diese in Kooperation mit der LFE und anderen wissenschaftlichen Instituten, schwerpunktmäßig aus Brandenburg, wissenschaftliche Studien durch. Die Stiftung veranstaltet jährlich eine Tagung, die sich im weitesten Sinne mit dem Problem Natur und Mensch und der daraus entstehenden Wechselwirkung auseinandersetzt. In diesem Sinne wirkt auch die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung."

Menschen , wie Professor Bier sind Querdenker, wie sie unsere Gesellschaft braucht, aber nicht nur in der Forstwissenschaft. Immer wieder geben scheinbar fachunkundige Menschen wissenschaftlichen Bereichen, die in ihrer Forschung in einer Sackgasse stecken, neue Impulse.
Wir sollten solch umtriebige Menschen nicht als Querulanten abtun. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Wissenschaft und Kultur.

Professor Bier soll einmal bei einer Diskussion um seine vielfältigen Neigungen gesagt haben:

"Man hat mir übelgenommen, dass ich mich auch mit anderen Dingen als der Chirurgie beschäftigt habe. Man glaubt anscheinend, dass der Mensch durch die Beschäftigung mit der Chirurgie so verdummt, dass er zu nichts anderem mehr zu gebrauchen ist."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

waidmannsheil

Euer

stefan


Hier der Bericht über die Waldexkursion bei der Stiftung August Bier


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