16.10.09

Ist ein Jagdhund mit bestandener Brauchbarkeitsprüfung auch ein brauchbarer Jagdhund?

Bei der Diskussion um die Ausbildung und Erziehung unserer Jagdhunde wurde in den Foren schon viele Beiträge geschrieben. Unzählige Bücher von Jagdhundeausbildern überschwemmen den Markt.
Doch wer sich mit der praktischen Jagdhundeausbildung beschäftigt, hat den Eindruck, dass wir seit vielen Jahren nicht nur auf der Stelle treten, sondern in einigen Bereichen uns sogar zurückentwickeln.
Ein Extrembeispiel einer verfehlten Jagdhundeausbildung lieferte der Beitrag einer Jagdhundeführerin, deren Hund bei einer Brauchbarkeitsprüfung in Hessen von einem anderen Prüfungshund fast zu Tode gebissen wurde.

Unter dem Thema "Trauriges Ende einer Prüfung" im Forum Landlive schilderte sie den Vorgang, der aber- und das macht die Sache erwähnenswert- nur Ratlosigkeit bei den Kommentaren zu ihrer Schilderung hervorrief.

Was der Beißerei anlässlich der Brauchbarkeit aber eine besondere Brisanz erleiht, ist die Tatsache, dass der hochaggressive Hund die an diesem Tage abgehaltene Brauchbarkeitsprüfung nach Aussage der Hundeführerin bestanden hat.

Ohne auf die Einzelheiten des Vorfalls einzugehen, kann man aber nun davon ausgehen, dass eine bestandene Brauchbarkeit oder Herbstzuchtprüfung (HZP) keinerlei Aussagekraft über die Brauchbarkeit eines Hundes im praktischen jagdlichen Betrieb hat.

Doch wie kommt es zu solch einer Fehlentwicklung?

Wer einmal an einer Brauchbarkeit teilgenommen hat und sich die Detailkenntnisse der Prüfungsfächer erworben hat, der wird feststellen, dass nur wenige Prüfungsfächer einen wirklich praktischen Bezug haben. Es gilt hier anzumerken, dass die Richter streng nach Prüfungsordnung richten und auf das wenig auf die Praxis bezogenen Prüfen keinerlei Einfluss haben, bzw. es ihnen auch nicht obliegt, diese fehlende Praxisnähe zu monieren.

Hierzu einige Beispiele:

Zum Prüfen des Hundes an der Ente wird ein Hund, der nur mit beiden Händen vom Führer zu halten ist, ans Wasser geführt. Ein diszipliniertes Sitzen des Hundes am Ufer ist nicht möglich.
Zwar apportiert der Hund korrekt die Ente, aber der Führer wird nur mit großer Mühe der Ente habhaft.
Zwar erhält der Hund 11 Punkte für eine Arbeit an der Ente, wer aber mit diesem Hund zur Entenjagd geht, wird ein Fiasko erleben, für die praktische Arbeit bei der Entenjagd ist der Hund im Gehorsam mangelhaft ausgebildet.

Zwar wird bei der HZP der Gehorsam geprüft (Durchlaufen von Stangenholz zur Prüfung der Leinenführigkeit, Ablegen ohne Sichtkontakt und Abgabe eines Schusses), aber dieses sind nur 2 der zahlreichen Gehorsamsübungen bei der Gehorsamsausbildung. Nicht nur dass der Gehorsam nur in zwei Bereichen geprüft wird, viel schlimmer ist die Tatsache, dass der Gehorsam nur abgeprüft, nicht aber gewertet wird.
Dies kann dann dazu führen, dass auf einer HZP alle Hunde zwar die jagdlichen Fächer bestehen, aber kein einziger das Fach Gehorsam!

Bei der Prüfung des Vorstehens des Hundes wird die genetische Fähigkeit des Vorstehens geprüft. Jedoch das nur durch strengen Gehorsam anerzogene Durchstehen des Hundes beim Aufstehen des Wildes wird vernachlässigt und wird in der Prüfung nicht explizit gewertet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Brauchbarkeitsprüfung und die HZP eine überwiegend die Anlagen und deren Steuerung durch den Führer bewertet, die praktische Arbeit des Hundes als aktiver Jagdhelfer wird eher nachrangig bewertet.

Diese wäre weiter nicht schlimm, wenn nicht zahlreiche professionelle Jagdhundeführer die Bewertungen der HZP dazu nutzen, einen geprüften Jagdhund mit Papieren auf dem Jagdhundemarkt zu verkaufen und diese Hunde oft mit mehreren 1000 Euro anbieten.
Der oft unbedarfte Hundekäufer hingegen weiß nur sehr wenig, wenn nicht sogar gar nichts über die oben geschilderten Inhalte der Prüfungsfächer und deren Relevanz für den praktischen Jagdbetrieb.

In einem hervorragenden Beitrag "Jagdhelfer mit Biss" nimmt der erfahrene Jagdhundeausbilder Theodor Heßling im Jagdmagazin Wild und Hund Nr.18/2009 zum Thema "aggressive Hunde" Stellung. Leider ist der Artikel nicht online verfügbar, aber ein Leserbrief eines Schutzhundeführers in der darauffolgenden Ausgabe Wild und Hund 19/2009 brachte es auf den Punkt:

Viel Lob, wenig Strafe"Ich habe zwar noch nie eine Jagdhund geführt, aber sehr lange Deutsche Schäferhunde ausgebildet. Selten habe ich einen so guten Artikel über die Hunderziehung gelesen wie diesen. Leider verstehen einige Führer die Sprache der Hunde nicht und wissen nicht, wann und wie sie eingreifen müssen. Häufig versuchen die Führer durch Bestrafung den Hund zu erziehen und erreichen das Gegenteil. Die gesunde Mischung machtś - 90 % Lob, 10% Zwang. Leider sind die betroffenen Hundeführer oft "beratungsresistent""

Ursachen der Fehlentwicklung


Viele Ausbilder setzen sich selbst unter hohen Erfolgsdruck. Dieser führt dazu, die absolut notwendige Gehorsamsarbeit zu vernachlässigen oder sogar zu übergehen, da diese in den Prüfungen nur eine geringe Bedeutung beigemessen wird. Der notwendige Gehorsam, der auch dazu dient, den Hund die soziale Kompetenz und ein situationsgerechtes Verhalten gegenüber anderen Hund aufzubauen, unterbleibt. Der Hund wird einseitig, ohne im Gehorsam durchgearbeitet zu sein, auf die prüfungsrelevanten jagdlichen Fächer gedrillt und ausgebildet. Ein enormer Druck lastet auf Hund und Führer. Aggressives Verhalten als Ventil dieses Druckes ist vorprogrammiert.

Fazit:

Die HZP ist eine von den Verbänden organisierte Prüfung und gibt den Züchtern die Möglichkeit, sich ein Bild über die Fähigkeiten der Hunde zu machen, mit denen in den nächsten Jahren gezüchtet werden soll. Doch um sich ein Bild über den Hund als Helfer im jagdlichen Einsatz zu machen, kann sie nur bedingt herangezogen werden.
Dem Jagdhundeführer ohne züchterische Ambitionen bleibt die Erkenntnis, dass nur ein streng und konsequent im Gehorsam durchgearbeiteter Hund seine wirklichen jagdlichen Fähigkeiten entfalten kann. Nur das oft wochenlange mühsame Gehorsamstraining schafft das notwenige Vertrauen zwischen Hund und Führer. Dies ist nicht nur für die praktische Arbeit bei der Jagd notwendig, sondern ist auch unabdingbar, wenn der Hund als sozialverträgliches Mitglied in der Gesellschaft leben soll.

waidmannsheil

Euer

stefan

Sie sind Nichtjäger und benötigen Hilfe bei der Erziehung Ihres Jagdhundes?

Jagdhundeseminar für Nichtjäger und Erstlingsführer von Jagdhunden

6 Kommentare:

cavecanem hat gesagt…

Bei LL sehr einseitiger Bericht dieses Vorfalls.
Dilletantisches Verhalten aller Beteiligten, die es nicht verstehen beißende Hudne zu trennen. Selbst bei der Bauarbeit haben Teckelführer einen sog. "breaking stick" dabei, Meuteführer sowieso. Dieser hötte wohl schlimmeres verhindert.

CC

Unknown hat gesagt…

Was für ein Sch.... -Kommentar. Natürlich liegt hier ein Führerfehler vor und die Beteiligten haben in dem Durcheinander vielleicht auch nicht beherzt genug eingegriffen. Auf keinen Fall aber ist das Verhalten des Hundes normal. Wie will man mit solch einem Hund jagen?
In weiten Teilen kann ich die Ausführungen von Stefan unterstreichen. Sicherlich finden neuere Erkenntnisse viel zu wenig Eingang in die Ausbildung unserer Jagdhunde und auch die Zuchtverbände haben ihrer eigenen Interessen.
Viel zu wenig Wert wird gelegt auf die Führigkeit, Gehorsam, Sozialverhalten und die Führerbindung.

Anonym hat gesagt…

Hallo,

als ich den Eingangstext gelesen habe kamen mir immer Zweifel auf, ob der Verfasser des Textes sich diesen im Nachhinein nochmals durchgelesen hat. Der Text birgt Widersprüche in sich und ist an etlichen Stellen formal falsch.
Der Vorfall „Trauriges Ende einer Prüfung“ ist wahrlich erschreckend, aber sind es hier nicht gerade die kleinen Einzelheiten (wie z.B. fixieren, Drohgebärden etc.)die hier wichtig sind, um vielleicht ein wenig schlauer zu werden?? Aber an dieser Stelle soll ja nicht weiter auf diese Einzelheiten eingegangen werden, was ich nicht verstehen kann!?!?!?!
Der Verfasser stellt eine Anlagenprüfung (HZP) mit einer Brauchbarkeitsprüfung gleich, was schon im Ansatz falsch ist. Zumindest hier in Hessen, aber auch in anderen Bundesländern, erlangt ein Hund nicht automatisch die volle Brauchbarkeit, weil er eine HZP bestanden hat. Es ist lediglich so, dass Fächer die schon einmal anlässlich einer Prüfung bestanden wurden, vgl. z.B. Haarwildschleppe, bei einer Brauchbarkeitsprüfung nicht nochmals geprüft werden müssen. Dies bedeutet wohl, dass ein Hund mit bestandener HZP zwar die Brauchbarkeit auf Niederwild erlangt, aber NICHT auf Schalenwild!
Will der Hundeführer eine Brauchbarkeit auf Schalenwild erlangen, wird er in dem Fach Schweissarbeit bei einer Brauchbarkeitsprüfung geprüft. Um sich jedoch in diesem Fach prüfen zu lassen, wird IMMER der Gehorsam mit geprüft, da dieser Grundvoraussetzung ist (vgl. BPO-Hessen, Anlage 2, 1).
Ferner ist es doch Fakt, dass eine bestandene HZP lediglich darüber Auskunft gibt, dass der Hund über rassespezifische Anlagen verfügt, die eine Nachzucht zulassen, während eine bestandene Brauchbarkeit (Arbeit nach dem Schuss) den tierschutzrelevanten Aspekt vertritt, vgl. §22a BJG.
Diese beiden Prüfungen sagen jedoch nichts über den Hund als Individuum aus , wer das geglaubt hat, tut mir leid. Will man noch die Umgänglichkeit eines Hundes feststellen und voraussetzen, so wäre hier ein Wesenstest sicherlich anzuraten, wie es schon bei einigen Zuchtverbänden die Regel ist.
Das Beispiel mit der Ente kann ich nicht nachvollziehen, erst merkt der Verfasser des Textes an, dass die Richter streng prüfen und dann erhält ein Hund 11Punkte während der Hundeführer nur schwer der Ente habhaft wird. Mag sein dass es so etwas schon gegeben hat, jedoch ist meine Erfahrung, dass wenn der Hund die Ente nicht hergeben will (Zitat „der Führer wird nur mit großer Mühe der Ente Habhaft), der Hund entweder zwingend festhält und somit knautscht, oder der Hund bringt die Ente nicht zu dem Hundeführer – aber egal welche der beiden Möglichkeiten hier zutreffen, beide male entspricht dies nicht der PO und somit wurde hier auch nicht streng gerichtet.

Anonym hat gesagt…

Das Beispiel des Gehorsams bei der HZP verstehe ich ebenso wenig – seit wann gibt es bei einer HZP keine Noten mehr in der Führigkeit des Hundes? Ein Hund der sich weder anleinen lässt noch Kontakt zu seinem Führer sucht ist wirklich nicht gehorsam. Zudem ist bei einer Brauchbarkeitsprüfung der Gehorsam zwingend notwendig um überhaupt zu bestehen!
Zitat: „Bei der Prüfung des Vorstehens des Hundes wird die genetische Fähigkeit des Vorstehens geprüft. Jedoch das nur durch strengen Gehorsam anerzogene Durchstehen des Hundes beim Aufstehen des Wildes wird vernachlässigt und wird in der Prüfung nicht explizit gewertet.“ Diese Aussage ist doch schon im Ansatz falsch, der Hund soll „DURCHSTEHEN“ solange sich das Wild an Ort und Stelle drückt, steht das Wild auf, soll der Hund langsam nachziehen ohne einzuspringen bzw. ohne das Wild zu hetzen. Was bringt denn ein Hund der stehen bleibt während das Wild >aufsteht und geht< ??? NUR beim Sekundieren ist ein Durchstehen ohne Wildkontakt ein Muss. Was hier vielleicht eher zutrifft und evtl. damit gemeint ist, dass es viele Hunde gibt, die zuerst vorstehen und dann nach kurzer Zeit von selbst einspringen, da stimme ich zu, aber dieses macht sich bei einer HZP immer in der Bewertung bemerkbar!
Wer sich für „mehrere Tausend Euro“ einen Hund kauft, der NUR eine HZP hat und sich diesen Hund noch nicht einmal vorführen lässt, dem gehört es doch auch nicht besser. Jeder weiss „Papier ist geduldig“! Darüber hinaus kenne ich nur VGP Hunde die überhaupt mehrere tausend Euro wert sind. Aber es sei doch auch einmal an dieser Stelle erwähnt, dass ein Hund bei dem Einen super funktionieren kann und bei dem anderen gar nichts macht. Das hängt aber nicht mit mangelndem Gehorsam zusammen, sondern an mangelnden Führungsqualitäten des Hundeführers, diese sind meisstens nicht souverän und der Hund erkennt keine Führungsperson in dem Menschen und arbeitet daher schlecht oder gar nicht.
Weiterhin sucht der Verfasser die Ursachen von nicht sozialen und unverträglichen Hunden im mangelnden Gehorsam. Auf eventuelle schlechte Vorarbeit des Züchters gerade in der Prägephase des Welpen geht er gar nicht ein, obwohl dies der erste Ansatzpunkt sein müsste. Einen fest im gehorsam stehenden Hund kann ich problemlos an einem anderen Hund vorbei führen, soweit stimme ich zu, aber dies sagt rein gar nichts über sein Sozialverhalten aus.
Ich gebe dem Autor recht, dass bestimmt nicht wenige Hunde auf und durch die Prüfungen „geprügelt“ werden, und es oft an der Kompetenz des Hundeführers mangelt, und es bleibt auch fraglich, ob ein Jagdhund mit bestandener HZP nach 5 Jahren Hochwildrevier überhaupt noch eine Federwildschleppe findet, dennoch finde ich die hier getroffenen Aussagen zu einseitig und teilweise auch einfach gesagt falsch.
WH
K.Wagner

R. Saldhoff hat gesagt…

Waidmannsheil an alle Leser!

Zum Glück habe ich auf die Kommentare geklickt, sonst wäre ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus gekommen.

@ Stefan: Warum lernt ein Hund automatisch wie er sich gegenüber anderen Hunden verhalten soll, wenn ich den Hund im Gehorsam einarbeite? Ich kann meinen Hund ins down trillern, wenn er meint zu einem anderen Hund rennen zu müssen, aber deshalb ist mein Hund noch lange nicht sozial.
Ganz im Gegenteil, gerade wenn man den Hund im Gehrosam durcharbeitet, dann braucht er auch ein Ventil wo er Druck ablassen kann, weil der Hund stets aufmerksam sein muss.

Schreibe doch bitte einmal von welchen Prüfungen du hier schreibst, wann und wo das genau war und vor allem auf welcher HZP warst du mit welchem Hund.

Beste Grüße
Renate

Anonym hat gesagt…

@ Renate

"Ignorieren ist das Zauberwort der Hilflosen"
M.Grewe 2009


Grüße
K.Wagner