18.3.07

Halbzeit- Ein Rückblick auf 30 Jahre Jägerleben

Nachfolgenden Artikel schrieb ich bereits vor einem Jahr anlässlich des Lösens meines 30. Jahresjagdscheines.
Da es damals dies Blog noch nicht gab, veröffentliche ich den Artikel nun auch hier.

Halbzeit- Ein Rückblick auf 30 Jahre Jägerleben

Es war der 24.5.1976 , als ich meinen letzten Prüfungsteil vor der Jägerprüfungskommission ablegte. Am 27.5.1976, meinem 16. Geburtstag fuhr meine Mutter auf das Kreisamt, um mir meinen ersten Jagdschein zu lösen, der dann auch mittags, als ich aus der Schule kam, auf meinem Geburtstagstisch lag.
Es ist bis heute mein schönstes Geburtstagsgeschenk, an das ich mich erinnere. Es war drei Tage später, als ich den von mir selbst ausgemachten Knopfbock schoss.

„30.5.1976 4.10 Uhr, Sausitz, Entfernung 30m aufgebr. 10,5 kg 7x65 R genau Blatt“

Mit einer noch jugendlichen Kinderschrift findet sich obiger Eintragung in meinem Jagdtagebuch einschließlich des Fotos, das mein Vater anlässlich dieser Erlegung schoss.

Diese Tage jährten sich nun zum 30. Mal und dies ist für mich Grund, eine Art Halbzeitbilanz meines Jägerlebens zu ziehen.

Wie sicher jeder begeisterte Jäger in seinen Jugendjahren vom Beruf des Berufjägers träumt, war dies bei mir nicht anders. Stundenlang saß ich bei Limonade in alten verrauchten Gasthäusern mit den alten Jägern am Tisch und lauschte ihren Gesprächen, während meine Altersgenossen an Mofas bastelten oder Discotheken besuchten. Mein Berufswunsch ging, wie bei vielen, nicht in Erfüllung.

Aber ich suchte auch damals schon instinktiv den Kontakt zu Jägern, die wie ich den innigen Kontakt zur Natur pflegten und für die das Jagen ein Teil ihres Bezuges zur Natur darstellte.
In allen meinen Ferien fuhr ich von Düsseldorf in den badischen Odenwald zu meinem Onkel Harry, Pächter eines wunderschönen Niederwildreviers. Anfangs legte ich die Strecke mit der Eisenbahn zurück. Später, zur Zeit meiner Maurerlehre, fuhr ich die 350 km Strecke mit teilweise abenteuerlichen alten Autos. Die Neugier auf ereignisreiche Jagdtage hielt mich nicht davon ab, diese langen Strecken zu fahren.

Der Altersunterschied zwischen meinem Onkel Harry, einem Jagdfreund meines Vaters und gleichzeitig meinem Lehrprinz betrug über ein halbes Jahrhundert, was aber der gemeinsamen Bindung zur Natur keinerlei Abbruch tat. Naturverbundenheit und das Jagen ist nun mal etwas Generationen-übergreifendes. Stundenlang durchstreifte ich mit ihm sein 700 ha großes Revier, in dem er bereits seit 1936 jagte und er brachte mir Natur, Tiere, Pflanzen und das Jagen näher, wie kein anderer Jäger danach.
In den ersten Sommerferien des Jahres, in dem ich meinen ersten Jagdschein besaß, überreichte er mir einen „SA Wehrsportkarabiner“ Kal.22 Fabrikat Walther, den er, wie alle anderen seiner Waffen, über die Besatzungszeit gerettet hatte und mit dem ich mehrere Eichelhäher und anderes Raubzeug erlegte.
Erst ein Jahr später gab er mir einen Knopfbock frei, den ich dann auch erlegte.
Die strengen Auflagen, die ich bezüglich des Abschusses auferlegt bekam, haben mich nie gestört. Der Aufenthalt im Wald und das Eintauchen in die Natur spielte immer eine viel wichtigere Rolle.
Auch empfand ich die strenge Führung des Jagdbetriebs durch den Jagdpächter nie als Last. Es ergab sich dadurch immer ein geordneter Jagdablauf. Vor der Besetzung der Hochsitze wurde bei meinem Onkel im Hof Kriegsrat gehalten und danach fand dort auch eine Abschlussbesprechung statt, die sich zum Ärger meiner Tante, die mit dem Essen wartete, immer ins Endlose erstreckte.
Leider verstarb mein Onkel viel zu früh und er konnte den lebenslangen Traum, sich als Rentner ausschließlich der Natur und der Jagd zu widmen, nur wenige Jahre genießen.

Das Revier erlitt das gleiche Schicksal, das viele große Reviere in den letzten Jahrzehnten ereilte. Diese großen Reviere unter der Leitung einer einzelnen Person sind in den letzten Jahren verschwunden und auch dieser Jagdbogen wurde zerschlagen. Wie überall ergeben sich aus ihnen immer kleinere Jagdbögen, die zudem dann noch von mehreren Jagdpächtern und deren Jagdgästen bejagt werden. Unkoordiniert jagen dann viele Jäger auf kleinem Raum, was zum Leid des Wildes zu einer großen Unruhe im Revier führt.

Obwohl mir die Möglichkeit immer wieder angeboten wird, in solchen Revieren mitzujagen, lehne ich dies dankend ab, da mir die Dauerbesetzung der Hochsitze und der Anblick des ständig sichernden und schreckhaften Wildes ein Gräuel ist.

Wenn ich in der heutigen Zeit auf Treibjagden von meiner jugendlichen Passion erzähle, löst dies meist eher erstauntes Kopfschütteln aus. Gerne erzähle ich von meiner Begeisterung für Reviergänge im März und April, in der Zeit, in der die meisten Jäger den im Winter versäumten familiären Pflichten nachkommen. Viele Jäger wissen gar nicht, wie vertraut das Wild in diesen Monaten auf den Feldern und Wiesen die ersten warmen Sonnenstrahlen genießt und die mineralhaltigen Jungtriebe gierig äst. Durch die beginnenden Einstandskämpfe der Böcke ist es ein leichtes, den Einstand eines alten Bockes ausfindig zu machen. Mehrere dieser alten von mir ausgemachten Böcke wurden von Jagdgästen später zur Jagdzeit erlegt, mit dem Satz: „Wenn Du den nicht so genau beschrieben hättest, hätte ich nicht erkannt, dass der so alt ist!“

Auch ist durch die Zerschlagung der großen Reviere ein großer Teil der Verantwortung verloren gegangen, die sich früher alleine beim Pächter befand. Die Teilnahme an einer Gesellschaftsjagd in solchen Revieren mit unklaren Autoritäten kann einem - durch die daraus resultierende Desorganisation - das Jagen schnell verleiden!

Durch die Verpachtung an mehrere Jäger wird auch die Benennung eines Jagdaufsehers mit einem brauchbaren Hund oft vernachlässigt. Weder die Polizei noch irgend ein Einwohner weiß dann, an wen er sich bei Wildunfällen wenden soll. Auch hier leidet am Ende das Wild. Noch erstaunlicher ist es, wenn mehrere Jäger ein Revier pachten, aber keiner von ihnen über einen brauchbaren Hund verfügt. Trotz der zunehmenden Freizeit wird es scheinbar immer schwieriger, sich einen Hund zu halten. Was soll man mit dem auch machen, wenn man im Sommer nach Mallorca fliegt und im Winter den Skiurlaub genießen will. Es wird jedoch diesen Jägern immer verborgen bleiben, wie schön es ist, mit einem guten Vorstehhund eine Niederwildjagd im kleinen Rahmen abzuhalten.

Auch ist jeder Reviergang mit einem Hund ein doppeltes Erlebnis. Ein Hund mit einem engen Kontakt zum Führer lernt schnell, auf die von ihm aufgenommene Witterung hinzuweisen. Wenn meine Wachtelhündin etwas wahrnahm, blieb sie stehen und wartete, bis ich ihr Halten bemerke. Sie führte mich dann zu einer frischen Fuchsbauröhre oder zu einem verendeten Stück Wild. Saßen wir zusammen auf einem Holzstoß, einem Erdsitz, einer Kanzel oder sie lag für mich sichtbar unter dem Hochsitz, brauchte ich nur zu warten, bis sie anfing, ihren Fang in den Wind zu halten und die Witterung gierig aufzunehmen. Das darauf erscheinende Wild bewies mir immer wieder, dass sie sich nie täuschte. Ich möchte die enge Bindung zu meinen Hunden trotz der Mühen, die ein Hund macht, nie vermissen und ich weiß aus der Zeit, in der ich keinen Hund halten konnte, dass Jagen ohne Hund nur eine halbe Sache ist.

Als ich vor einigen Jahren einen Studienfreund besuchte, der vielleicht auch ein wenig durch meine Passion zu Jagd gefunden hatte, zeigte er mir Stolz seine Trophäen seiner ersten Jagdjahre. Der schwächste Bock war ein starker Gabler, einen Knopfbock suchte ich vergebens. Selbstverständlich gratulierte ich ihm höflich zu dem zahlreichen Weidmannsheil.
Wie karg wirken da meine Trophäen, die zum größten Teil aus Knopfböcken und Kümmerlingen bestehen. Mehrere Kapitale Böcke habe ich aber auch - auf Fotos im Jagdtagebuch. Als ich auf dem Heimweg an die Trophäen meines Freundes dachte, bedauerte ich ihn ein wenig. Sicherlich war ihm auf seinen zahlreichen Ansitzen dieser oder jener Knopfbock über den Weg gelaufen. Aber wahrscheinlich hat er sie als einzelnes weibliches Reh angesprochen und ihm keine weitere Beachtung geschenkt. Auch ich habe meine Knopfböcke erst für weibliche Stücke gehalten. Minutenlanges Beobachten mit dem Fernglas, bis die Augen tränten und schmerzhafte Verrenkungen auf dem Sitz waren oft nötig, um zu erkennen, dass da etwas mit dem weiblichen Stück nicht stimmt. Immer wieder war die Freude groß, wenn ich an den kaum 12 kg schweren Kümmerling trat und die winzigen Knöpfe befühlte. Die Spannung, erzeugt durch die Zweifel, doch keinen Pinsel gesehen zu haben, oder die Brunftkugeln mit dem Gesäuge verwechselt zu haben, gaben der Erlegung eines Knopfbockes immer wieder etwas besonderes.
Wie viele Knopfböcke verdanken eigentlich ihr Leben Jägern, die Rehe ohne sichtbaren Kopfschmuck gedankenlos dem weiblichen Geschlecht zuordnen?
Auch hier möchte ich meine schönen Erlebnisse, die ich erst durch die strengen Abschussvorgaben der Jagdherren erfuhr, nicht missen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in den letzten 30 Jahren einiges geändert hat und weniges zum Wohl unseres Wildes. Die hektische und schnelllebige Zeit fordert auch hier ihren Tribut. Auch sind viele Ideale meiner Jugend nüchterner Betrachtung gewichen. Wesentlich kritischer betrachte ich heute das jagdliche Geschehen und ich ordne auch nicht mehr bedingungslos alle widrigen Umstände meinem Wunsch, zur Jagd zu gehen, unter. Straff geführte Jagdveranstaltungen, an denen ich gerne teilnehme, mit disziplinierten Jagdgästen und einer großen Zahl guter Hunde entschädigen einen für manche Jagdgelegenheit, die man aus Überzeugung einer eigenen Ethik nicht mehr nutzt. Es bestätigt aber auch, dass es noch Jäger gibt, die bereit sind, die autoritäre Führung eines Jagdherrn zu akzeptieren.

Ob die weitere Zerschlagung großer Reviere und die Verteilung von Verantwortung auf mehrere Pächter ein Weg in die richtige Richtung ist, wage ich zu bezweifeln. Auch der schnelle Aufstieg vom Jagdscheinanwärter zum Mitpächter halte ich für äußerst bedenklich.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Jagd in den nächsten 30 Jahren entwickelt.


Stefan Fügner

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Stefan, über Deinen Link in einem XING Thread (Mein erster Bock) bin ich erst heute auf Deinen Beitrag gestossen, den ich fast uneingeschränkt unterschreiben würde. Ich selbst kann zwar erst auf etwas über 20 Jahre Jägerleben zurückblicken, aber die Sict auf die Dinge deckt sich mit der Deinen. Hoffen wir nur, dass es in unserer Generation zu einem Umdenken kommt. Manchmal habe ich auch in unserem Forum bei XING den Eindruck das könnte sogar klappen. Arbeiten wir weiter dran.
Schöne Grüße
Pit aus L.E.