3.3.10

Ansitz selber bauen - auf die Details kommt es an!

Von der Stirne heiß,
Rinnen muß der Schweiß.
Soll das Werk den Meister loben,
Doch der Segen kommt von oben.
aus: "Das Lied von der Glocke" von Friedrich Schiller



Schon der große Dichter Friedrich Schiller widmete der edlen Handwerkszunft ein Gedicht, in dem er das solide Handwerk als etwas schöpferisches, dem Menschen eigenes, lobte.

Wenn man beim Durchschreiten unserer Landschaft die teilweise eigentümlichen Bauwerke betrachtet, die da Hochsitze genannt werden, so scheint bei einigen Jägern viel Kreativität, aber wenig handwerkliches Können vorhanden sein.

Doch unsere Hochsitze, die oft eher störend in der Landschaft stehen, sollten zumindest einer soliden Bauweise genügen, zudem soll das "Werk den Meister loben", wie es Schiller so schön schrieb.

Außerdem betreten wir den Hochsitz mit einer zwar entladenen Waffe (nicht immer, aber immer öfter) und oft noch mit Rucksack und anderen Jagutensilien, weshalb den Unfallverhütungsvorschriften absolute Priorität einzuräumen sind!

Hier nun einige Details, die nichts oder nur wenig Geld kosten, aber vor allem von solider handwerklicher Arbeit zeugen. Und wenn man sich die schweißtreibende Arbeit der Errichtung eines Hochsitzes angetan hat, sollte man sich die wenige Zeit nehmen, in den Hochsitz diese wichtigen Details einzubauen, freut man sich doch immer wieder beim Besteigen zwecks Ansitz über das gelungene eigene Werk.

(Zur Detailbetrachtung bitte auf die jeweiligen Bilder klicken.)


Sturmsichere Kanzel ohne Stützstreben:

Wenn die eigentliche statische Grundkonstruktion steht, müssen die Hochsitze verstrebt werden, um sie gegen Sturm zu sichern.
Diese Streben versperren oft Wege, nehmen zusätzlich Platz weg und werden von den Landwirten oft mit den Ackergeräten tuschiert oder gar abgerissen. Doch eine Bauweise ganz ohne Stützstreben ist möglich.


Eine 6 Meter hohe Kanzel ohne Stützstreben, die auch das letzte Sturmtief "Xynthia" sicher überstand.
Seitlich herausragende Stützstreben werden nicht gebraucht, fallen als Kosten für zusätzliches Stangenholz nicht an und können zudem nicht von Ackergeräten umgerissen werden. Auch die Leiter hat keine statische Funktion.















Der Eckpfeiler wir auf einen Mauerstein oder eine Gehwegplatte aufgestellt, damit keine Bodenfeuchte ins Holz eindringt. Das Bild entstand 4 Tage nach dem Abschmelzen von 40 cm Schneelage und der Eckpfeiler zeigt kaum Feuchtstellen.













Ein schweres Rundholz wird fest im Boden eingegraben und mit einer Schlossschraube mit dem Eckpfeiler verbunden.

Bei Böden, die ein Eingraben nicht möglich machen, wird ein Winkeleisen 40/40 mm 150 cm lang mit einem vorgebohrten Loch in den Boden getrieben und mit dem Eckpfeiler verschraubt.









Das überstehende Schraubenende wird abgeschnitten und mit dem Hammer flach geschlagen, damit niemand die Schraube mutwillig lösen kann oder die Schraube sich durch Windböen lockert. Ein Nachziehen ist jedoch immer möglich.

Das längs abgeschrägte Rundholz sichert ein vollständiges Anliegen der Unterlegscheibe auf dem Holz














Die Kanzel ist eine in sich tragende Konstruktion.
Der Eckpfeiler läuft vom Erdboden bis zur Decke. Mit einem Kantholz schließt der Eckpfeiler ab und nimmt das Dach auf. Ein Brett zwischen den beiden Eckpfosten ohne Kantholz nimmt die Brettschalung der Wände auf.











Wo der Eckpfosten den Boden durchdringt, wird mit Bauschaum abgedichtet.















Kanzelaufgang: Sicherheitsleiter mit doppeltem Handlauf



Auch der Leiterfuß sitzt auf einem Mauerstein auf und ist am Boden leicht angeschrägt, um vollständig auf dem Stein aufzuliegen.



















Ein schweres Rundholz wird wie auch bei den Eckpfosten im Boden eingegrabenen und der Leiterholm wird auch hier mit Schlossschrauben befestigt. Das obere Ende des Rundholzes dient als Auflager für den beidseitigen Handlauf. (siehe auch Gesamtbild ganz oben)


















Der Holm ist ein längs geschnittenes Rundholz, das an der Stelle mit dem geringsten Durchmesser mindestens 15 cm misst.
Die Sprossen sind aus eckigem Hartholz, kesseldruckimprägniert und 2-fach genagelt (nicht geschraubt, da Schrauben brechen können!)
Die Mehrkosten gegenüber der herkömmlicher Leiterfertigung rechnen sich wegen der extrem hohe Lebensdauer dieser verwendeten Materialien.








Geräuschlose Verriegelungen von Tür und Fenstern:

Immer wieder ärgert man sich über klemmende Hochsitztüren oder Fenster, die metallische Geräusche verursachen und das Wild vergrämen. Auch das mühsame Ertasten beim Frühansitz im Dunkeln, um die Entriegelung und den Festsellmechanismus der Fenster zu finden, kennt jeder Jäger. Das alles muss nicht sein, wenn man auf Metall verzichtet und alle Verriegelungselemente mit Holz selbst fertigt.


Kanzeltür mit Holzverriegelung





















Eine Dachlatte mit Einkerbung und eine zweite Latte mit Handgriff erspart die Kosten einer Metallverriegelung und die Tür lässt sich zudem geräuschlos öffnen.













Ein Stück Dachlatte und eine Schraube als Verriegelung der Fenster















Ein Stück Kantholz mit einem Stück Latte arretieren das offene Fenster. Selbst bei völliger Dunkelheit sind die Holzverriegelungen einfach zu ertasten und geräuschlos zu bedienen.












Teppichbodenreste zur Geräuschdämmung von Boden und Sitzbrettern:



Kaum eine Kanzel, bei der nicht irgendwann die Bretter oder der Boden knarrt. Deshalb werden Boden und Sitzauflage mit Teppichbodenresten bespannt. Auch eine Rückenlehne in geneigter Form darf nicht fehlen. Der Rücken wird es einem danken.

Bei Kanzeln, mit einem mehr als 180 Grad Blick, wird unter das Sitzbrett ein zusätzliches Auflager geschraubt, das ein zusätzliches Sitzbrett aufnimmt...








... das auf der anderen Seite aufliegt. So kann man geräuschlos die Position wechseln und sicher nach rechts oder links schießen, ohne den Körper zu verdrehen.












Entfernungsangaben auf die Kanzelwände schreiben:

Nicht jeder Jäger verfügt über ein Fernglas mit Entfernungsmesser. Viele Jäger haben große Schwierigkeiten beim Schätzen von Entfernungen. Dies führt zu Fehlschüssen oder schlechten Treffern. Insbesondere bei zahlreichen Gastjägern im Revier sollte hier Abhilfe geschaffen werden.



Ein Blick auf die Kirrung, doch wie weit ist es?
















An der Kanzelwand steht es: 44 Meter
















Nach Links sind es die Durchlässe, die als Entfernungswert angegeben werden und dem Schützen zur Orientierung dienen.














Auch an der Tür zum rückwärtigen Schussfeld dürfen die Entfernungsangaben nicht fehlen.




















Diese vielen kleinen, aber wichtigen Details machen den Kanzelbau zu einem Gesellen- oder manchmal auch zu einem Meisterstück. Und es sind immer wieder die Kleinigkeiten, die nichts oder wenig kosten, die aber die Liebe zum Detail erkennen lassen.

Man beachte, dass obige Gesamtkonstruktion von einem Handwerksmeister für gerade einmal 750,00 Euro erbracht wurde. (ausgenommen Entfernungsangaben und Teppichboden)


waidmannsheil

Euer

stefan


1 Kommentar:

doclipps hat gesagt…

Hallo Stefan,
wenn Du jetzt noch dazu sagst, dass diese Kanzel eine von 6 ist, die im Lehr- und Forschungsrevier des JUN.i Institut für Jagd Umwelt und Naturschutz steht, welches zugleich das Lehrrevier Deines Vereins "Lehrprinz" ist, dann "leg ich stolz den Hobel hin...".

Gruss
Wolfgang