3.7.08

Südtiroler Jagdportal rügt die fehlende praktische Jagdausbildung

Dass es mit der praktischen Jagdausbildung nicht zum Besten steht, merkt man, wenn in Gesprächen auf Jagdveranstaltungen das Thema Jungjäger diskutiert wird. Schnell kommt das Gespräch auf unerfahrene Jagdgäste, die im Schnellkurs den Jagdschein erworben haben, aber über wenig oder gar keine praktischen Erfahrungen verfügen.

In seinem Leitartikel spricht der Herausgeber des Südtiroler Jagdportals, der Jäger Walter Prader die teilweise katastrophalen Zustände der mangelhaften Jagdausbildung der Jungjäger aus. Da das Südtiroler Jagdportal eigentlich nicht für eine kritische oder gar reißerische Berichterstattung steht, sollte es den Jägern zu denken geben.
Zu einer Verbesserung der praktischen Jungjägerausbildung stehen alle Altjäger in der Pflicht. Der Artikel ist also in erster Linie ein Aufruf an die Jagdpächter, sich der Jungjägerausbildung anzunehmen.
Ich würde mich freuen, wenn dieser Leitartikel jeden einzelnen Jäger aufrüttelt, seinen Teil zur Jungjägerausbildung beizutragen.

waidmannsheil

Euer

stefan
Hier der Leitartikel des Südtiroler Jagdportals:


Liebe Jägerinnen, Jäger und Freunde des Südtiroler Jagdportals,

als Jungjägerin/Jungjäger bezeichnet man eine Jägerin/einen Jäger in den ersten drei Jagdjahren nach bestandener Jägerprüfung - altersunabhängig und ohne Berücksichtigung des persönlichen oder gesellschaftlichen Status.
Kann es sein, daß das Jägersein eine Mode, ein Trend geworden ist und daß damit der Wunsch verbunden ist und verwirklichbar wird, Waffen zu tragen, und mit diesen Waffen möglichst viel Wild erlegen zu können? "Nur so ist es jedenfalls erklärlich, daß in einigen Revieren Südtirols die Jäger derart zugenommen haben, daß an einen herkömmlich geordneten, jährlichen Wildabschuß gar nicht mehr zu denken ist, da laut Turnus die Anzahl der Abschüsse nicht mehr reicht".
Dies ist allerdings nicht das Problem, welches ich bei diesem Rundschreiben anschneiden möchte, sondern die Art der Bejagung und die wachsende Gier zu schießen, die in so manchem Jäger bzw. Jungjäger steckt.
Durch die neue Jagdverordnung in Südtirol, hat ein Absolvent der Jägerprüfung schon im ersten Jahr die Möglichkeit, im Gemeinderevier die Jagdkarte zu lösen. Aufgrund dessen darf ihm nicht verweigert werden, schon im ersten Jagdjahr in Begleitung Rot-Gams und Rehwild zu schießen. Im zweiten Jagdjahr darf er diese Tätigkeit ohne Begleitung, ausgenommen Gamsjagd, ausüben. "Das Ergebnis ist, daß vielen Jungjägern gar nicht mehr bewußt ist, daß zum Jägersein neben dem Recht zu schießen auch verschiedene Pflichten gehören. Sie glauben wohl, je mehr Wild sie schießen, desto größer ist Ihre Anerkennung - sowohl bei Nichtjägern als auch bei Jägern". "Als Begleitpersonen werden entweder der Vater, ein Bruder oder jemand mitgenommen, bei dem der Schießfinger recht wenig gerade bleiben kann. Nur so ist es zu erklären, daß einige Jungjäger, die ich kenne, schon im ersten Jahr 6-10 Schalenwildarten, darunter kapitale Rehgaißen, Hirschtiere udgl. geschossen haben - viele davon wurden angeschweißt und einige davon konnten nur durch mühevoller Nachsuche mit dem Hund erlegt werden". Der Umgang mit der Waffe ist eine Erfahrung, die viele nicht einschätzen können. Einige davon schießen zwar auf 100 Meter Entfernung recht gut - am Schießstand oder auf Wildscheiben. Aber ihnen fehlt die Erfahrung mit der Waffe in freier Wildbahn. Distanzen werden unter- oder überschätzt, und so manches Jagdfieber läßt wohl so manche Kugel danebengehen. Bei der Jagd geht es nicht darum, möglichst viel Wild schießen zu können. Ich verabscheue solche Einstellungen. Laut "Informationen von verschiedenen Revieren in Südtirol werden immer mehr trächtiges und führendes weibliches Rotwild von Jungjägern geschossen, weil ihnen einfach die Erfahrung fehlt und dadurch viel Ärger und Protest in die Reviere kommt". Fehler können passieren, das ist menschlich und das kann sehr schnell gehen. Peinlich ist es aber, wenn sich solche Fehler immer wieder wiederholen, oder sogar zu eklatanten Auseinandersetzungen unter den Jägern führen.
Ich möchte sicherlich nicht alle Jungjäger in den gleichen Topf werfen. Ich schätze und achte junge Jäger, die in einer zweifelhaften Situation den Finger gerade lassen. Jäger tragen für jeden Eingriff in die Natur die Verantwortung und sollten sich dessen auch immer bewußt sein. Jäger sollten Wildtierpopulationen sinnvoll nutzen und ordentlich bewirtschaften. Sie sollten verantwortlich aus nachwachsenden Beständen ernten. Jäger sollten das Wild ausgleichen und regulieren - dort, wo in der heutigen Kulturlandschaft ein Gleichgewicht in Gefahr ist. Jäger sind mit den Abläufen in der Natur eng verbunden - und haben sich die Fähigkeit angeeignet, aus diesen Abläufen Konsequenzen zu ziehen.
Aller Anfang ist schwer, wie der Volksmund so schön sagt, auch bei der Jagd. Vieles gibt es zu beachten: Die richtige Ausrüstung soll her, das theoretische Wissen soll immer wieder durch Literatur und Kurse vertieft werden und vor allem: Praxiserfahrung muß man sammeln! Denn aus Fehlern lernt man zwar, aber es dürfen ruhig die Fehler anderer sein. Denn vielen Meinungen, Vorurteilen, Fehleinschätzungen und Phrasen zum Thema Jagd kommt man nur auf die Schliche, wenn man sich gut informiert. Und Information gibt gerade dem Jagdeinsteiger Selbstvertrauen und somit eine gute Basis für eigene Erfahrungen. Gerade nach der Jägerprüfung sollten sich die Jäger weiterhin fachlich fortbilden, mit fachkundigen Jägern Erfahrungen austauschen, das Wild genauestens beobachten und auch nach bestem Wissen und mit reinem Gewissen erlegen können. Nur durch vielen Reviergänge und Exkursionen werden Kenntnisse der Revierpraxis und der Jagdorganisation vermittelt sowie das Wissen über Flora und Fauna vertieft. Wenn auch jüngere Jäger sich dies zu Herzen nehmen, werden auch Nichtjäger das Waidwerk mit ganz anderen Augen sehen.
Ich persönlich hoffe, daß auch durch die neuen Bestimmungen der Wildbrethygiene jeder Jäger gerade beim Rotwild mehr darauf achtet, große Schußdistanzen zu vermeiden. Denn angeschossenes Wild, welches erst am Tag oder gar einige Tage später gefunden wird, kann nicht mehr verkauft werden.
Weidmannsheil
Walter Prader Südtiroler Jagdportal

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hat Südtirol ein Reviersystem? Oder kauft man sich eine Lizenz? Hierin sehe ich eher den Grund für Probleme und nicht wie jemand die Prüfung bestanden hat.

Wenn der Jungjäger nur in Begleitung jagen darf und die Begleitung versagt in ihrer Aufsichtspflicht - was dann?

Mir fehlen die Informationen, um die südtiroler Jägerausbildung und das dortige Reviersystem mit den bundesdeutschen Verhältnissen vergleichen zu können, deshalb kann der Artikel auch zu falschen Schlüssen verleiten.

Anonym hat gesagt…

Was ist daran falsch zu verstehen? Jungjäger schiessen wild drauf los ohne sich vorher Gedanken zu machen. Sie erkennen traechtiges Rotwild nicht. Es fehlt an einschlägiger Erfahrung. Da spielt es keine Rolle was fuer ein "System" dort eingeführt ist. Die AUSBILDUNG fehlt. Das wird auch bei uns in Deutschland ein richtiges Problem werden wenn der erste Jungjäger mit "Wochenendausbildung" den ersten Menschen anschiesst. Dann haben WIR ALLE ein Problem weil kein Aussenstehender unterscheiden wird. Dann kommen Aufschreie nach neuen Gesetzen, weniger Waffen etc. Also .... weg mit den "Wochenendkursen" und wieder zurück zu der 1 jährigen Ausbildung oder zumindest sollte diese 1 jährige Ausbildung als Pflichtteil hinter die Prüfung dran gehänft werden. Somit kann der Ausbilder auch direkt die Schiessausbildung im Revier mit einbringen ---.

Anonym hat gesagt…

Auch wenn die Auswirkungen in Deutschland vielleicht anders aussehen, die Ursachenproblematik sehe ich in der BRD genau so.

Als Jungjäger (der ich selbst bin) sollte man jedoch selbstkritisch genug sein, nach bestandener Prüfung zu wissen, dass man noch viel an Praxis lernen muss, bevor man selbstständig und sicher auch alleine die Jagd ausüben kann - obwohl man es ja schon darf.

Dazu gehört allerdings unabdingbar die Anleitung durch erfahrene Jäger - eben Lehrprinzen. Und die stehen nicht plötzlich vor der Tür und sagen "Hier bin ich", sondern darum muß man sich wohl selbst kümmern. Wobei ich aus eigener Erfahrung bestätige, dass es extrem schwierig ist, als Jungjäger einen Lehrprinzen zu finden, wenn man nicht schon mit regionalen jagdlichen Kreisen in Verbindung steht.

Als Jungjäger bekommt man aber durchaus auch mal alleine die Möglichkeit, anzusitzen. Gerade dann ist es eine Frage der kritischen Selbsteinschätzung, den Finger gerade zu lassen, wenn man nicht ganz sicher ist, was da auf der Bühne steht.

Letztes Jahr im Sommerurlaub nahm ich vor Ort Kontakt zum Jagdaufseher des regionalen Forsts auf um mal abzuchecken, was da jagdlich möglich ist. Dabei dachte ich an den Urlaub im nächsten Jahr. Ich rannte aber direkt offene Türen ein und ich hätte sofort los gehen können. Eine komplette Ausrüstung (die ich nicht dabei hatte) hätte man mir gestellt. Auf meine Frage, ob mich als Jungjäger denn erst mal jemand begleiten würde, bekam ich die Antwort "Aach, für son Schmalreh kommen wir nicht extra mit raus - das kannst Du doch alleine." Ich habe das zunächst abgelehnt, wir sind aber in Verbindung. Der gleiche Jagdaufseher schrieb mir ein halbes Jahr später ein Mail, in dem er sich u.a. über die jagdlichen Fähigkeiten seiner Jagdgäste beschwerte.
Noch nie hätte er so viele Nachsuchen machen müssen, wie in dem abgelaufenen Jagdjahr.

Und da schließt sich der Kreis: einerseits geringe Eigenbereitschaft zur Anleitung, andererseits Unzufriedenheit über das Wissen und die Fähigkeiten der Jägerschaft.

Beide Seiten, Jungjäger und alte Hasen, müssen aufeinander zu gehen. Nur so ist für beide ein gutes Ergebnis erreichbar und nur so kann ein dauerhaft positives Bild von einer kompetenten Jägerschaft in der Öffentlichkeit gebildet werden.


Waidmannsheil

Pasche

Anonym hat gesagt…

Werter Vorredner,

wir machen es uns jetzt aber einfach, indem wir reduzieren:
- Jungjäger mit traditioneller Ausbildung = gute Jäger
- Jungjäger die ihre Prüfung an der Jagdschule abgelegt haben = schießwütige Nichtskönner

Normalerweise sucht sich der Jungjäger (egal wie er die Prüfung bestanden hat) einen Lehrprinzen, der ihn im Revier mitnimmt. Der Begehungsschein ist der nächste Schritt, wenn man gezeigt hat, daß man was kann.

Einige Jungjäger jedoch weichen auf Pirschbezirke aus. Zum einen liegt es in der Verantwortung der Staatsforsten, daß eine Auswahl vorgenommen wird. Zum anderen tragen sicher auch die Jäger mit Revier ihren Teil dazu bei. Wie oft hört man, daß Jungjäger überteuerte Begehungsscheine angedredht werden? Würden die älteren Jäger sich um den Nachwuchs kümmern würde sich viel von dieser Diskussion erledigen.

Des weiteren bitte ich zu bedenken, daß ein Lizenzsystem JEDEM die Möglichkeit einräumt auf die Jagd zu gehen. Und wenn nun ein gewisser Betrag für eine Lizenz gezahlt wurde will jeder Jäger etwas für sein Geld sehen. Also wird geschossen...

Somit spielt auch eine Rolle, wer wie jagen darf.

Anonym hat gesagt…

Nachtrag:

In der aktuellen Wild&Hund wird in dem Artikel über Jagdschulen angemerkt, daß sich die Teilnehmer der Kurse in Jagdschulen besser auf die Praxis vorbereitet fühlen als die Teilnehmer der Kurse der Kreisjägerschaften.

Also lohnt es sich über die Jägerausbildung (insbes. nach Erteilung des ersten Jahresjagdscheines) an sich zu diskutieren.