21.10.13

Jagd- und Naturschutzverbände – Eine gesellschaftliche Milieustudie


Warum sich Jäger und Naturschützer beim gemeinsamen Ziel des Naturschutzes so schwer tun.


Illustration: Jagdmagazin Pirsch 3/2013

Vom gemeinsamen Nenner meilenweit entfernt. 

In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg stehen Reformen des Jagdgesetzes an. In allen 3 Bundesländern zeigt sich in der Diskussion zwischen den Verbänden das das gleiche Bild: Bei der Anhörung der Träger öffentlicher Belange, zu denen sowohl die Naturschutzverbände als auch die Jagdverbände gehören, scheinen die Ansichten zur Veränderung des Jagdgesetzes unüberbrückbar, obwohl sich alle Verbände satzungsgemäß dem Naturschutz verpflichtet haben. Für den außenstehenden Betrachter ist es zunächst nicht erkennbar, weshalb Verbände, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, sich in allen Bundesländern derart feindselig gegenüber stehen. Nach monatelangem verbalem Schlagabtausch in den Medien scheint die Kommunikationsbereitschaft auf allen Seiten auf einem Tiefpunkt angelangt. Vom sprichwörtlichen gemeinsamen Nenner scheint man weiter denn je  entfernt zu sein. Doch betrachtet man die Milieus, aus denen die Verbände ihre Mitglieder speisen, wird schnell klar, warum es für die Jagdverbände einerseits und die Naturschutzverbände andererseits trotz des gemeinsamen Ziels Naturschutz kaum Möglichkeiten des Konsens geben kann. 

Gesamtgesellschaftliche Milieustudie

Für große Organisationen, die ihre Existenz auf Mitglieder stützen, ist es heute unabdingbar, Milieustudien anzufertigen. Diese Studien müssen, um Trends und Entwicklungen dazustellen, möglichst jährlich neu erstellt werden. Als Basis dient immer die aktuelle Milieustudie über die Gesellschaft als Ganzes. Diese ist problemlos zu beschaffen und wird alljährlich veröffentlicht.  

Alle Graphiken Sinus-Institut


Parallel dazu wird eine Milieustudie über die eigenen Mitglieder erstellt, die im Zweifelsfall erheblich von der gesamtgesellschaftlichen Milieustudie abweichen kann. Die Gegenüberstellung der verschiedenen Milieustudien über einen mehrjährigen Zeitraum zeigen dann, wie sich eine Organisation parallel zur Gesamtgesellschaft entwickelt hat, bzw. in den nächsten Jahren entwickeln wird. Ob und wenn ja, wie eine Organisation sich danach auszurichten hat, entscheiden dann die Gremien der Organisation. Entscheidend alleine ist es, dass die Gremien verlässliche Daten erhalten, wie sich die Gesellschaft einerseits und ihre Mitglieder andererseits entwickelt haben, bzw. entwickeln werden. Entscheidend alleine ist es aber, dass erst nach Vorlage der Studien eine verlässliche Entscheidung gefällt werden kann. Würden uns nun die Milieustudien sowohl der Naturschutzverbände als auch der Jagdverbände vorliegen, würden wir sehr schnell erkennen, weshalb es zu keiner konstruktiven Zusammenarbeit der Verbände trotz völlig identischen Interessen (Naturschutz)  kommt. Da keine verlässlichen Milieustudein der Jagd- und Naturschutzverbände vorliegen, kann man auch nur tendenziell die Milieuunterschiede der Verbände aus den eigenen Kenntnissen aufzeigen.

Das tendenzielle Milieu der Naturschutzverbände  



Die Mitglieder der Naturschutzverbände sind, das ergibt sich aus dem Zuwachs der letzten Jahre, eher im jüngeren Umfeld zu suchen. Die hohen Spendeneinnahmen zeigen zudem, dass viele Mitglieder aus dem wirtschaftlich besseren Gesellschaftsschichten stammen. Der Anteil der Akademiker wird ebenfalls hoch sein. Diese Gruppe junger Akademiker weist heute im Lebenslauf  in der Regel ein oder mehrere Auslandsaufenthalte nach und gilt als weltoffen und innovativen Ideen aufgeschlossen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Naturschutzverbände weit überdurchschnittlich mit Mitgliedern und Spendern aus dem  „sozial-ökologischen“  und des „adaptiv-pragmatischen Milieus“ speisen. 


Das tendenzielle Milieu der Jagdverbände 


Bei den Jagdverbänden zeigt sich, völlig im Gegensatz zu den Naturschutzverbänden, ein ganz anderes Bild. Eine völlig überalterte Mitgliederschaft ist sicherlich weit davon entfernt, Mitglieder zu haben die dem performenden oder expeditivem Milieu angehören. Im Gegenteil, die in den Verbänden organisierte  Jägerschaft kann als überwiegend dem „konservativ etablierten“ und „traditionellen Milieu“ zugeordnet werden. Da Spender, das ergibt sich aus der Logik, überdurchschnittlich wohlhabend sein müssen, um überhaupt spenden zu können und da die Jagdverbände faktisch kein  Spendenaufkommen besitzen, wird das traditionelle Milieu gegenüber dem konservativ etablierten Milieu noch überwiegen. Durch die häufig lokal lebenden Mitglieder der Jagdverbände  fehlt es oft an globalem Denken, was die Zugehörigkeit zu den überwiegenden Milieugruppen verstärkt. 

Mediation durch einen Mediator aus dem "Milieu der bürgerliche Mitte"



Natürlich zeigen solche Studien nur Tendenzen auf. Wenn aber zwei Organisationen ihre Mitglieder und Unterstützer aus überwiegend zwei so unterschiedlichen Milieus speisen, wird offensichtlich, dass sich selbst bei nahezu identischen Satzungszielen erhebliche Kommunikationsprobleme ergeben. Es geht hier eben schon lange nicht mehr um die Sache, sondern um die Vormachtstellung einer bestimmten Milieugruppe beim Thema Naturschutz. Beide Gruppen sind aufgrund ihrer Zugehörigkeit weit auseinanderliegender Milieus zu einer sachliche Diskussion nicht fähig. Es bedarf einer Mediation durch einen Mediator aus dem Milieu der bürgerlichen Mitte, um eine  Brücke zwischen den tendenziell so unterschiedlichen Milieus der Verbände zu schlagen.

waidmannsheil

Euer

stefan 

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

... auch hier nochmal der Hinweis auf das "Harvard Negotiation Project" weil es längst solche Methoden gibt, die einen produktiven und ersprieslichen Dialog von solchen "verfeindeten" Milieu-Gruppen ermöglichen, nur wissen die scheinbar leider immer noch nix davon! 8(oder sie wollen solch ein Ergebnis gar nich)!?

doclipps hat gesagt…

Stefan,
Milieustudien sind hilfreich und interessant, aber eigentlich brauchen wir für dieses Problem keine tiefgreifende Studie, weil das, was Du hier mitteilst, jedem Kenner der Szene längst bekannt ist. Das Problem sind nicht die Gegensätze und Unverträglichkeiten an sich, sondern das sture Beharren auf zementierten Positionen auf beiden Seiten.
Mediation kann hierbei immer nur die Politik leisten, die für gesetzliche Maßnahmen ja gerade die demokratische Meinungsvielfalt anhören, bewerten und umsetzen muss.
Wenn die aber voreingenommen ist - und das erleben wir leider bei einigen Umweltpolitikern an den Schaltstellen der Länder - das wird das nix.
Gruss und Weidheil
Wolfgang

doclipps hat gesagt…

Stefan,
Milieustudien sind hilfreich und interessant, aber eigentlich brauchen wir für dieses Problem keine tiefgreifende Studie, weil das, was Du hier mitteilst, jedem Kenner der Szene längst bekannt ist. Das Problem sind nicht die Gegensätze und Unverträglichkeiten an sich, sondern das sture Beharren auf zementierten Positionen auf beiden Seiten.
Mediation kann hierbei immer nur die Politik leisten, die für gesetzliche Maßnahmen ja gerade die demokratische Meinungsvielfalt anhören, bewerten und umsetzen muss.
Wenn die aber voreingenommen ist - und das erleben wir leider bei einigen Umweltpolitikern an den Schaltstellen der Länder - das wird das nix.
Gruss und Weidheil
Wolfgang

Der Jagdhunde Blog hat gesagt…

Lieber Wolfgang, Mediation (lateinisch „Vermittlung“) ist ein strukturiertes freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes. Die Konfliktparteien – teilweise auch Medianten oder Medianden genannt – wollen durch Unterstützung einer dritten „allparteilichen“ Person (dem Mediator) zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezüglich des Konflikts, sondern ist lediglich für das Verfahren verantwortlich.
Von einer allparteiligkeit kann man bei den Politikern nicht ausgehen, demzufolge kann die Politik das nicht leisten.

Gruß und WeiHei,
Stefan (Nord)

Der Jagdhunde Blog hat gesagt…

Einwurf, lieber Wolfgang,

Mediation (lateinisch „Vermittlung“) ist ein strukturiertes freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes. Die Konfliktparteien – teilweise auch Medianten oder Medianden genannt – wollen durch Unterstützung einer dritten „allparteilichen“ Person (dem Mediator) zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezüglich des Konflikts, sondern ist lediglich für das Verfahren verantwortlich.

Von einer allparteilichkeit kann man bei der Politik nicht reden, demzufolge kann sie das dann auch nicht leisten.

Gruß und WeiHei,
Stefan (Nord)

Der Jagdhunde Blog hat gesagt…

Einwurf, lieber Wolfgang,

Mediation (lateinisch „Vermittlung“) ist ein strukturiertes freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes. Die Konfliktparteien – teilweise auch Medianten oder Medianden genannt – wollen durch Unterstützung einer dritten „allparteilichen“ Person (dem Mediator) zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezüglich des Konflikts, sondern ist lediglich für das Verfahren verantwortlich.

Wegen fehlender allparteiligkeit kann die Politik das nicht leisten.

Gruß und WeiHei,

Stefan (Nord)

Axel Seidemann hat gesagt…

Hallo Stefan,

Du bist mal wieder falsch informiert. In Rheinland-Pfalz gilt seit 2010 ein neues, reformiertes Jagdgesetz und seit August 2013 die dazugehörige in vielen Teilen neue Landesjagdverordnung. Diskussionen waren vorgestern.

Gruß Axel

Stefan Stern hat gesagt…

Moin Stefan
Für diese Erkenntnisse hätten auch der Besuch einer beliebigen Hegeringversammlung und einer NABU-Ortsgruppe genügt.
Beste Grüße
Stefan Stern

Roland Thelen hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Fügner,

die grundsätzlichen Aussagen der Milieustudie kann ich nur bestätigen.
Sie spiegelt vor allem die Situation auf höchster Landesebene wider.
Das es auch anders geht, zeigt der Landkreis Vulkaneifel :
Die anerkannten Naturschutzverbände, so auch die LJV Kreisgruppe
Vulkaneifel e.V. haben bereits vor einigen Jahren auf Kreisebene eine
Arbeitsgemeinschaft (AGNV) gegründet, die als GbR auch einen Sitz
in den Aufsichts- und Verwaltungsgremien des Naturparks Vulkaneifel
hat.
AGNV-Mitglieder sind z.Z.:
LJV, BUND, NABU, RVDL, Eifelverein, Schutzgem.Deutscher Wald
> Alle wichtigen Natur- und Landschaftsschutzthemen werden gemeinsam
beraten und hinsichtlich der Stellungnahmen abgestimmt. Bisher ist mir
kein Fall bekannt, der konträr diskutiert wurde.
> Die AGNV-Mitgliedsverbände sind untereinander vernetzt, um auf aktuelle
Situationen zeitnah und gemeinsam reagieren zu können.
> Als LJV-Jägervertreter bin ich einer von zwei Naturschutzverbandsmitgliedern
im Beirat für Naturschutz bei der KV Vulkaneifel und gleichzeitig stellvertretender
Vorsitzender dieses Gremiums.
Bei Interesse gewähren wir Ihnen gerne Einblick in die rein sachorientierte Zu-
sammenarbeit zwischen LJV, BUND, NABU & Co. auf Kreisebene.

Beste Grüße
Roland Thelen
Vors. LJV-KG Vulkaneifel e.V.

Anonym hat gesagt…

Ich glaube nicht, dass beim Zeichnen eines solchen Bildes in der Öffentlichkeit Mediation noch helfen würde:
http://soulreflections.de/index.php/waldnazis

Kann man dagegen eigentlich vorgehen?