6.12.07

Was ist Weidgerechtigkeit?

Brüche als Teil des jagdlichen Brauchtums



Kein Begriff erregt die Gemüter der Jäger derart, wie der Begriff der Weidgerechtigkeit.

Wird in einem Jagdforum das Thema angesprochen, schnellen die Zugriffe und Beiträge in nie dagewesene Höhen, was zeigt, dass sich bei diesem Thema jeder angesprochen fühlt, bzw. davon berührt wird.

Dies liegt auch daran, dass im Wort der Begriff Gerechtigkeit vorkommt und jeder Mensch sich im Leben irgendwann einmal ungerecht behandelt fühlte.

Folgt man den vielen Diskussionen, so stellt man fest, dass der Begriff der Waidgerechtigkeit nicht nur unglücklich gewählt, sondern gänzlich falsch ist.

Der Begriff Gerechtigkeit ist ein rein subjektiver Begriff, was dazu führt, dass jeder etwas anderes darunter versteht, obwohl alle das gleiche meinen.

Bei der Jagd liegen Natur und der Tod eng beieinander. Der Begriff Gerechtigkeit aber ist der Natur und den Tieren völlig fremd, er kommt dort nicht vor. Gerechtigkeit ist ein Begriff aus der Philosophie, eine ausschließlich dem Menschen vorbehaltener Bereich. Philosophische Begriffe darf jeder Mensch nach seinen Vorstellungen definieren, weshalb jeder etwas anderes darunter versteht.

Insofern ist die Jagd, das Waidwerk als eine zutiefst natürliche Handlung einerseits und der philosophische Begriff der Gerechtigkeit andererseits zwar kein Widerspruch in sich, führt aber zwangsläufig zur Verwirrung, wenn er in einem Wort Verwendung findet.

In der weiteren Diskussion über das Thema Waidgerechtigkeit aber fällt dann schnell der Begriff "jagdliches Brauchtum". Dieser Begriff Brauchtum kommt dann auch dem, was wir Jäger unter Weidgerechtigkeit verstehen, wesentlich näher. Es gibt faktisch keinen Kulturkreis der Welt, der den Tod nicht ritualisiert hat. Alle Kulturen der Welt setzen sich intensiv mit dem Tod auseinander und haben strenge Rituale entwickelt, mit denen sie ihre Ehrfurcht vor dem Tod zum Ausdruck bringen. Man denke hier nur an die Pyramiden in Ägypten, die Grabstätten der damaligen Herrscher. Aber auch alle anderen Kulturen haben ein uraltes ritualisiertes Brauchtum, das sie beim beim Tod eines Angehörigen zelebrieren.

Seit vielen Jahrtausenden dienen die Wildtiere den Menschen als Nahrung und die Jagd ist in allen Kulturkreisen immer auch ein ganz besonderes gesellschaftliches Ereignis. Zwar ist das Wild als Nahrungslieferant nicht mehr zwingend notwendig, aber ihren Bestandteil als kulturelle Errungenschaft hat die Jagd weiterhin.

Ist das Ziel der Zivilisation die Unterwerfung der Natur, so fordert die Kultur die Harmonie von Mensch und Natur. Die Kulturgesellschaft fordert vom Menschen, diese Harmonie immer wieder von Neuem zu definieren. Zwar haben wir als Menschen die Macht, auf der Jagd Tiere zu töten, aber wir müssen die Jagd verantwortlich ausüben. Wir wollen auch den nachfolgenden Generationen einen artenreichen Wildbestand hinterlassen und sind deshalb zur umsichtigen Ausübung der Jagd verpflichtet. Dieser verantwortliche Umgang mit der Erlegung von Wildtieren hat seinen Ursprung in der Zeit, als die Wildtiere noch ein wesentlicher Bestandteil der Nahrung darstellten.

Die Macht, über Tod oder Leben der Wildtiere zu bestimmen, fordert immer auch verantwortliches Handeln. Damit wir unserer Verantwortung bewusst werden, die uns als Mensch bei der Ausübung der Jagd auferlegt wird, haben wir als Moment der Besinnlichkeit Rituale entwickelt, die im jagdliche Brauchtum ihren Ausdruck finden.

Bei der Totenwacht, dem Strecke legen, dem Verblasen der Strecke und auch durch das Ritualisierung der Erlegung eines Stückes durch Brüche bringen wir unsere Ehrfurcht vor der Natur und dem Tod zum Ausdruck und zwingen uns, die Jagd weitsichtig und in Maßen auszuüben.

Das Abhalten von Ritualen und das Festhalten an Brauchtum hat deshalb auch etwas damit zu tun, dass wir Menschen durch das Jagen, bei dem wir über Leben und Tod selbst entscheiden dürfen, nicht größenwahnsinnig werden und immer wieder erinnert werden, unser Tun und Handeln auf der Jagd kritisch zu überdenken und uns daran zu erinnern, dass auch die Wildtiere wie auch wir nur ein Teil des Lebens und der Natur sind.

Schon deshalb ist das jagdliche Brauchtum unabdingbar mit der Ausübung der Jagd verbunden.

waidmannsheil

Euer

stefan

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