Über viele Jahrzehnte beschränkten sich meine Aktivitäten im Bereich der Jagd ausschließlich auf das aktive Jagen und auf die Jagdhundeausbildung. Die Verbandsarbeit, völlig gleich in welcher Form oder in welcher Organisation, waren mir immer ein Graus.
Erst als ich vor einiger Zeit damit anfing, mich mit der Jägerschaft und ihren Strukturen auseinanderzusetzen, wurden mir die Probleme der Jägerschaft - insbesondere im Bereich Nachwuchsarbeit - bewusst.
Erstaunlich finde ich, dass sich in der Jägerschaft alle allgemeinen gesellschaftlichen Probleme wiederspiegeln, allerdings in einer weitaus fortgeschritteneren und somit viel krasseren Form.
Insbesondere das ungelöste Generationenproblem tritt in der Jägerschaft wesentlich deutlicher hervor, als in der Gesamtgesellschaft. Spricht man in der Gesellschaft von Überalterung, so kann man bei den Jägern und ihren Organisationen durchaus von einer Vergreisung sprechen.
Der Zustand unserer vergreisten Jägerschaft lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen:
Hat sich in fast allen Organisationen das Internet als Medium durchgesetzt, gibt es bei den Jägerschaften immer noch Vorstände die ausschließlich über Telefon und Fax kommunizieren. Das Internet wird weiterhin von ganzen Vorstandschaften kollektiv als Kommunikationsmittel abgelehnt.
Seit ich nun dieses Jagdblog betreibe, melden sich immer mehr Jungjäger bei mir und berichten über die Vergreisung der Jägerschaft. Hegeringe ohne einzigen Pächter unter 60 Jahre sind keine Seltenheit mehr.
Wo der Revierpächter schon das 80. Lebensjahr überschritten hat, bietet sich oft ein trauriges Bild. Der notwendige Abschuss unterbleibt, bzw. wird nur noch selten erfüllt. Der Jagdaufseher, selbst schon hoch im Rentenalter, pflegt ein völlig an Überhege verkümmerten Wildbestand.
Als Mitjäger bedient sich der vergreiste Pächter ortsansässiger Hofschranzen, die Mangels anderweitiger jagdlicher Kontakte dem peinlichen Treiben geduldig und widerspruchslos zusehen. Aus Angst vor Vereinsamung hält der Jagdpächter an der Funktion als Jagdherr fest, knausert mit den überfälligen Abschüssen, um seine Macht darzustellen und verhindert so eine altersbedingte Übergabe zu Lebzeiten.
Die Kinder, sofern sie selbst Jäger sind, gehen schon stramm auf die 50 zu oder haben dieses Alter schon überschritten und haben sich woanders eine Jagdmöglichkeit gesucht.
Dieser Zustand in unseren Revieren wird mir immer wieder gemeldet, seitdem ich mich um die Organisation von Jagdmöglichkeiten für Jungjäger kümmere. Dabei fällt mir immer wieder mein Kommentar ein, den ich vor einigen Jahren zur Situation der jungen Generation in einer überalternden Gesellschaft schrieb. Damals war mir allerdings in keinster Weise bewusst, dass ich diese Situation einmal in überspitzter Form bei der Jägerschaft vorfinden werde.
All die Jungjäger, die an den Gummiwänden der Jägerschaft abprallen, wenn sie sich um ein eine Jagdmöglichkeit bemühen, möchte ich meinen nachfolgenden Artikel empfehlen.
Die Altjäger möchte ich aufrufen, auf die völlig veränderten Lebens- und Vermögensverhältnisse der jungen Generation Rücksicht zu nehmen. Und den Jungjägern entgegen zu kommen, uns mit allen Mitteln zu unterstützen, schließlich lasten auf ihren Schultern die Probleme der Zukunft unserer Jagd, die sie ohne die Mithilfe und Unterstützung der erfahrenen älteren Generation nicht gelöst bekommen.
waidmannsheil
Euer
stefan
Wir Jungen sind Knechte auf dem eigenen Hof
Vor einiger Zeit erschien eine Schlagzeile in der Bildzeitung mit der Überschrift: "Alte, gebt den Löffel ab!".
Sie stammte von dem Jungliberalen Jan Dittrich, der mit einer reißerischen Schlagzeile Aufmerksamkeit erregen wollte. Er wurde mit der Enthebung aller Ämter bestraft, und das Thema verschwand in der Versenkung. Der Inhalt seines Aufrufes wurde weder diskutiert noch aufgegriffen. Das sollte auch tunlichst vermieden werden, hatte er doch das heißeste Eisen angefasst, das man in unserer Gesellschaft nur aufgreifen kann - den drohenden Generationenkonflikt!
Hätte Dittrich die Schlagzeile "Wir Jungen sind Knechte auf dem eigenen Hof" gewählt - mit gleichem Inhalt - wäre seine Karriere womöglich völlig anders verlaufen.
Nun gilt es aber, die Situation des 'jungen Bauern', der Knecht auf dem eigen Hof ist, näher zu betrachten:
Wer einmal erleben durfte, in welcher Situation sich ein Jungbauer befindet, wird schnell Rückschlüsse ziehen können, in welch desaströser Situation sich die jungen Menschen in unserer Gesellschaft befinden.
Der verknechtete Jungbauer ist besitzlos. Das einzige, was ihm bleibt, ist die Hoffnung, irgend wann einmal das Erbe antreten zu dürfen. Dies jedoch erst, wenn sein Vater gestorben ist, denn eine Übergabe zu Lebzeiten wird verweigert.
Der Grund hierfür liegt im 'Machtsicherungsverhalten' des Vaters, der seinen Kinder nicht(s) (zu)traut und nicht loslassen kann. Der Vater besitzt sämtliche Immobilien, die Maschinen und Konten sowie die Beziehungen zu Kunden und Lieferanten.
In der Dorfkneipe genießt er hohes Ansehen, braucht sich nicht mit einer kleinen Bauernrente abzugeben, sondern besitzt nicht nur das Vermögen, sondern zudem noch die Macht über alles, was auf seinem Hof geschieht. Sein früherer jugendlicher Unternehmergeist ist längst selbstgefälligem Altersstarrsinn gewichen. Jede Bitte des Sohnes, in neue Geräte zu investieren, wird lapidar abgewiesen. "Damit habe ich 30 Jahre gearbeitet, das reicht noch. Die Neuanschaffung können wir uns sowieso nicht leisten".
Mit einem Taschengeld fristet der Jungbauer sein Leben auf einem immer mehr verfallenden Hof. Ein chronischer Investitionsstau lässt den Hof unmerklich aber langsam und sicher verkommen. Den Versuch, bei der Bank um einen Kredit nachzusuchen, um dringende Investitionen zu tätigen, hat er aufgegeben, fehlen ihm doch die notwendigen Sicherheiten (Basel II), die er hätte, wäre ihm der Hof überschrieben worden.
Auch hat er es schon lange aufgegeben, sich mit dem Taschengeld (richtig wäre: Almosen), das ihm sein Vater gönnerhaft überlässt, auf dem jährlichen Dorffest eine Frau zu suchen. Einen Bauern ohne Hof, der nicht mehr als ein Knecht ist, will kein junges Mädchen. Ein junges Mädchen will jetzt Kinder und die dafür nötige Sicherheit, aber nicht darauf warten, bis der Schwiegervater stirbt! Diese Erkenntnis setzt sich aber erst bei ihm durch, wenn es längst zu spät ist!
(Der "Gebährstreik" vieler junger Frauen - ob Jungbäuerinnen oder Akademikerinnen - in Deutschland wird dadurch leicht erklärbar!)
Häufigster Aufenthaltsort des verknechteten Jungbauern wird dann mitunter der Dorfgasthof. Dort ertränkt er seine Perspektivenlosigkeit - ohne Familie und eigenes Vermögen - im Alkohol. Sein Leben erscheint blockiert, verpfuscht und reichlich sinnlos.
Der Artikel des Jungliberalen Jan Dittrich zeigt sehr deutlich, dass die junge Generation das perfide Spiel durchschaut, das die völlig vergreiste Politiker-Wirtschaftskaste sowohl geistig als auch physisch/materiell mit ihnen spielt.
Hierzu vorab einige aufschlussreiche Zahlen:
- Mehr als 90% des gesamten Privatvermögens der Bürger unseres Landes befindet sich in den Händen der über 50 Jährigen.
- Fast 90% derer, die jünger als 45 Jahre sind, leben (bisweilen sogar buchstäblich) von der Hand in den Mund. Von einer Kapitalbildung, sowohl der privaten Haushalte als auch der Jungunternehmer kann keine Rede mehr sein.
- Der Anstieg der Verarmung beschränkt sich fast ausschließlich auf diese Altersgruppe - am stärksten auf junge alleinerziehende Mütter.
Viel schlimmer aber wirkt sich dieser Trend politisch aus:
- Die über 50 Jährigen stellen auf Grund des fortschreitenden Alters hohe Anforderungen an den Staat. Zudem wurden bei den Wahlen 2006 erstmals von den über 50 Jährigen über 50 % der Wahlberechtigten gestellt.
- Eine weitere Verschärfung stellt die Wahlbeteiligung dar: Sind ältere Wähler fleißige Wahlgänger - sie wollen ja etwas vom Staat -, neigen Jungwähler zur Wahlverweigerung. Dies wird bei einer Auswertung der Erstwählerwahlbeteiligung besonders deutlich. Sie beträgt in einigen Wahlkreisen nicht einmal 10%!
Mit dem Durchschnittsalter seiner Minister liegt Deutschland in Europa an der Spitze!
Somit verfügt die eigentlich zur Finanzierung und Fortentwicklung unseres Staates notwendige junge Generation weder über das nötige Geld, um wirtschaftlich aktiv zu werden, noch über eine politisch schlagkräftige Wählerschaft, die Einfluss auf die Politik nehmen könnte.
Der mittelalterliche Begriff "Der junge Bauer ist Knecht auf dem eigenen Hof" bekommt dadurch eine neue und vor allem nationale und recht brisante Bedeutung. Diesem Treiben einer machtbesessen, reformunfähigen und selbstgefälligen, überalterten Wirtschafts- und Politikergeneration kann man wohl nur mit einer einzigen Methode Einhalt gebieten: Mit Gehorsamsverweigerung!
So, wie auch der Jungbauer sich nur aus eigener Kraft befreien kann, indem er ohne Ankündigung sämtliche Arbeiten für einen bisher empfangenen Hungerlohn mit sofortiger Wirkung einstellt und den Hof verlässt ('Höfesterben'!).
Dabei darf selbst auf familiäre Bindungen oder Verpflichtungen keine Rücksicht genommen werden, geht es doch um die eigene Existenz, die eigene Lebensgestaltung.
Genau dies wäre das Resultat eines intelligenten Artikel des Jungliberalen Dittrich gewesen - ein Aufruf zum Generalstreik einer versklavten Junggeneration, die, wenn sie so weitermacht, auch den letzten Rest an Hoffnung verliert!
Dieser Aufruf musste aber mit allen Mitteln verhindert, aus der öffentlichen Diskussion herausgehalten werden, und das hat auch bestens funktioniert - leider!
Stefan Fügner
April 2005
27.6.07
Sind die Jungjäger Knecht auf dem eigenen Hof?
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