5.5.10

Maikeiler


Der Überläuferkeiler vom 4.5.2010
Im letzten Büchsenlicht gegen 21.30 Uhr erlegt anlässlich eines Gruppenansitzes















Photo:Claudia Wilms


Bei der Revierfahrt am 4.Mai treffe ich die Mitarbeiter der Weidewirtschaft Liepe bei der Kontrolle ihrer Weidezäune. Sie berichten von mehreren Bachen, die mit ihren Frischlingen und Überläufern zwischen den Herden herumlaufen.
Schnell wird ein Gruppenansitz für den Abend mit 5 Jägern organisiert. Durch die Hinweise, welche Wiesen von den Rotten frequentiert wurden, kann eine Verteilung der Schützen vorgenommen werden.
Am Abend, gegen 18.30 sind alle Jäger auf ihre Stände verteilt. Von meinem Sitz aus kann ich zahlreiche hochbeschlagene Ricken beobachten. Einige sind sichtlich nervös. Sie sind kurz vor dem Setzen und die Anwesenheit des Schwarzwildes beunruhigt sie zusätzlich.
Lange passiert nichts, bis ich die typischen Geräusche des Schwarzwildes im Schilfdickicht vernehme.
Gegen 21.00 Uhr zeigt sich der für das Oderbruch so typische Abendnebel. Zuerst in den Gräben und dann breitet er sich zeitlupenartig auf die Wiesen aus. Ein schwarzer Klumpen steht plötzlich wie hingezaubert am Schilfrand. Ein einzelnes Stück Schwarzwild bewegt sich auf 100 Meter entlang des Schilfrandes. Als ich Ziel fasse, traue ich mich nicht zu schießen. "Niemals eine einzeln Sau!" geht es mir durch den Kopf. Sind die Frischlinge im Schilf und warten auf den Ruf der Bache, ins Freie zu kommen? Doch als ich glaube, einen Keiler vor zu haben, ist der schwarze Klumpen schon wieder im Schilf verschwunden. Aus vorbei. Aber besser kein Schuss, als eine führende Bache zu schießen.
Kaum 10 Minuten später erscheint er erneut, diesmal auf 150 Meter neben der Schilfkante.
Zügig zieht er in die offene Wiese. Nachdem er gut 70 Meter in die Wiese gewechselt ist, kann ich ihn an einer Stelle, an der das frische Grün noch nicht hoch steht, als Keiler ansprechen.
Doch die Entfernung von nun gut 160 Metern läßt mich zögern. Zudem hat sich der Bodennebel nun auch auf der Wiese ausgebreitet und in wenigen Minuten wird der Keiler in der milchigen Suppe verschwunden sein. Erneut ist es nur ein kleines Zeitfenster, das sich auftut und über Jagdglück oder Erfolglosigkeit entscheidet. Als ich mir eine gute, vor allem sichere Auflage geschaffen habe, fasse ich den Keiler im Zielfernrohr. Deutlich hebt sich der schwarze Körper vom immer dichter werdenden Bodennebel ab und ich lasse die 7x65 aus dem Lauf.
Ohne zu zeichnen stürmt der Keiler davon. Ich glaube aber, gut abgekommen zu sein.
Nach der obligatorischen Zigarette ist es dunkel geworden und der kaum 2 Meter hohe Bodennebel hat in nur wenigen Minuten die Oderbruchwiesen in einen undurchsichtigen Schleier gehüllt.
Beim Treffen mit den anderen Schützen, die alle mehrere Rotten vor hatten, ohne aber zu Schuß gekommen zu sein, wird entschieden, wegen des dichten Bodennebels die Nachsuche auf Sonnenaufgang zu verschieben. Mit mulmigem Gefühl ging es nach Hause. Hast Du zu weit geschossen? Bist Du wirklich so gut abgekommen wie du glaubst? Jeder Jäger kennt diese Selbstzweifel, die einen plagen, wenn man nach einem Schuss ohne Wild nach Hause fährt.

Am Morgen bei Sonnenaufgang ging es dann mit DD Rüde Ajax zum Anschuss, sofern man bei einer Wiese ohne markante Punkte überhaupt von einer Anschusssuche sprechen kann. Glücklicherweise hatte es am Abend aufgehört zu regnen und rauhreif hatte sich über das Gras gelegt.
Kein Schweiß war zu finden. Da ich die Flucht des Keilers über 100 Meter verfolgen konnte, arbeitet ich mich auf der beobachteten Fluchtstrecke voran. Orientierung war ein Entwässerungsgraben. Entlang diese Grabens war der Keiler geflüchtet. Nach 120 Metern blieb Ajax, der eher lustlos die Fährte arbeitete, ruckartig stehen und blickte fragend zu mir. "Such schön, such", gab ich das Kommando. Sofort zog Ajax scharf nach rechts zum Entwässerungsgraben. Ajax übersprang den Graben und in einer Senke in der Wiese 10 Meter neben dem Graben lag der längst verendete Keiler. Beim Blick zum Hochsitz klärte sich die Sache auf: Just an der Stelle, an der der Keiler verendet war, verdeckte eine Kopfweide neben dem Hochsitz den Blick! Der Keiler war nur wenige Meter, nachdem ich ihn aus den Augen verloren hatte, verendet.

Überglücklich brach ich den Keiler auf, und brachte ihn ins Kühlhaus. Dort angekommen untersuchte ich Ein- und Ausschuss. Die Kugel hatte, ohne sich groß zu entfalten, die Rippen beidseitig durchschlagen. Trotz der 160 Meter saß der Einschuss exakt dort, wo ich ihn vermutet hatte.
Der Keiler wog aufgebrochen 46 kg und hatte einen verkrüppelten Vorderlauf. Eine Kugel hatte ihm das Gelenk zerschlagen,war aber völlig verheilt. Von dieser Behinderung war beim Flüchten nichts zu erkennen.



Am nächsten Tag auf dem Lieper Vorwerk

















Als Überläufer hat er schon passable Waffen














Der verkrüppelte deutlich verkürzte rechte Vorderlauf läßt darauf schließen, dass er schon als Frischling eine Schussverletzung erlitten hatte.








Photos:Claudia Wilms



waidmannsheil

Euer

stefan

1 Kommentar:

Hunsrückwilderer hat gesagt…

Ein dickes Waidmannsheil! Sogar noch ein Hegeabschuss. So hat man das doch gerne. Und es zeigt einmal mehr, dass das Fehlen von Pirschzeichen oft trügerisch sein kann.

Beste Grüße!

Hunsrückwilderer