31.5.09

Regiejagd statt Jagdverpachtung

Immer wieder kommt es zu heftigen Diskussionen zwischen den Forstbetrieben und der Jägerschaft über das für und wider von Verbissgutachten oder Vegetationsgutachten und den daraus resultierenden Abschussplänen.

Der Forst steht mittlerweile unter hohem Kostendruck und möchte Gatterungs- und Anpflanzungskosten möglichst völlig unterbinden.
"Von oben" wird massiver Druck auf die Revierleiter ausgeübt, diese Aufforstungskosten so niedrig wie möglich zu halten. Auf der anderen Seite steht die Jägerschaft, die gerne einen hohen Wildbestand haben möchte, schließlich zahlt man eine hohe Pacht und da möchte man sich nicht zum "Verbissschadensbekämpfer" abstempeln lassen.
Wenn dann keine Einigung erzielt wird, kann der Waldeigentümer handeln:
Er übernimmt die Bejagung selbst!
Regiejagd heißt das Wort, dass vielen Jägern zu denken geben sollte

Was der Jägerschaft blüht, wenn sie es nicht schafft, sich mit den Waldbesitzern auf eine gemeinsame Bejagung zu einigen, zeigt nachfolgender Fall im badischen Schopfheim, Nähe Lörrach.
Es zeigt aber auch , dass die Jäger, die keinen gemeinsamen Nenner bei der Bejagung mit den Waldbesitzern finden, den Kürzeren ziehen werden.

waidmannsheil

Euer

stefan




Über das neue Modell "Regiejagd" berichtet das Onlinemagazin der Badischen Zeitung:



Den Wald gut in Schuss halten

SCHOPFHEIM. Hervorragend in Schuss ist der Wald in Gersbach. Das hat (auch) damit zu tun, dass hier der Förster am Drücker ist: als Jäger und Förster zugleich. Für den Forst ist das Modell ein Volltreffer, Wildverbiss kein Problem. Das spart Geld – und ist Munition für den Forst in Diskussionen, wenn es ums Erfüllen von Abschusszahlen geht. Gerade jetzt, wo die neuen Dreijahrespläne gemacht werden.

Den Wald vor lauter Bäumen – der Laie sieht ihn in diesem Fall wirklich nicht. "Das", sagt Jörg Gempp, 43, und deutet mit einer weit ausholenden Armbewegung auf ein Waldstück, "ist der Grund, warum ich vor 25 Jahren Förster geworden bin. Da geht einem Förster das Herz auf." Der Blick folgt der Hand. Große Bäume. Kleine Bäume. Laubbäume. Nadelbäume. Was ist daran besonderes? Bäume sollen im Wald ja zuweilen vorkommen. Was hat das aber mit der speziellen Jagdmethode hier oben zu tun?

Die Erklärung, die folgt, öffnet buchstäblich die Augen. Hier an dieser Stelle wurde nichts von Försterhand gepflanzt. Alles reine Naturverjüngung. Eine luftige, vermischte und damit gegen Stürme, Käfer und Krankheiten robuste Ansammlung von Bäumen. Kurzum, so Gempp: "Ein Wald, wie man ihn sich wünscht."

So einen Wald zu haben, wäre vor einigen Jahrzehnten in Gersbach tatsächlich ein frommer Wunsch gewesen. "Eigentlich hatte man immer Probleme mit dem Verbiss". Das sei aus den Akten der letzten 200 Jahre ersichtlich. Eines Tages aber war der damals noch selbstständige Gemeinderat Gersbach mit seiner Geduld am Ende. In einem von drei Revieren, 1500 Hektar groß, wurde anstelle der Jagdpacht die Eigenregiejagd eingeführt. Quasi ein Modellversuch. Eigenregie heißt: statt dass ein Revier an einen Jäger verpachtet wird, hat der Förster den Finger selber am Abzug. Er ist Förster und Jäger in Personalunion. "Das war noch unter meinem Vorgänger Werner Sutter", erzählt Gemp. Er selbst ist seit 1991 für dieses Revier zuständig. "Fühlen Sie mal." Gempp streckt einen Tannentrieb entgegen. Weich und glatt. Angenehm auf der Haut. Dann zum Vergleich ein Fichtentrieb. Au, das piekst! "Wenn Sie ein Reh wären, welchen würden Sie eher fressen?" Die Antwort liegt natürlich auf der Hand.

Nur natürlich ist es auch, dass es in Gersbach immer noch Verbissschäden gibt. Allerdings längst nicht mehr so stark wie einst. "Auch ich freue mich über einen Wald mit Wild", sagt Gempp. Das Reh – der natürliche Feind des Försters? Nein, dieses Bild sei falsch. "Die Frage ist: Wie viel Wild verträgt der Wald."

Das sagt auch Forstdirektor Thomas Unke vom Landratsamt. Alle drei Jahre werden die Abschusspläne für die Jagdreviere überarbeitet. Im Moment ist es wieder soweit. Ein heikles Thema.

Ohnehin knallt es ganz gerne zwischen Jägern, Waldbesitzern und Förstern, wenn’s um Verbiss geht. Nimmt er nach Meinung des Försters und Waldbesitzers Überhand, ist der Jäger gefordert. Dann muss er intensiver schießen. Oder Zäune bauen. Oder Triebe mit Mitteln einstreichen, die dem Wild den Appetit nehmen. Doch mitunter gehen die Meinungen über die Dringlichkeit auseinander. Gerade die Gutachten, die der Forst erstellt und Grundlage der Abschusspläne sind, geraten da zuweilen ins Visier. Muss die Abschusszahl erhöht werden? Kann sie gleich bleiben? Oder gar sinken? Die Antwort darauf wurde bisher am Verbiss festgemacht. Der Gutachter trug auch gleich noch eine Abschusszahl ein. Gutachter aber sind die Förster. "Und das", sagt Unke, "hat dazu geführt, dass es heißt: Der Forst legt den Abschussplan fest". Falsch. Festgelegt wird der Plan von der Jagdbehörde. Hier sind nebst Forst auch Jäger vertreten. Doch das Misstrauen ist da. Keine gute Ausgangslage, um bei den Jägern dafür zu werben, Abschussquoten gewissenhaft zu erfüllen. Deshalb wurde jetzt das Verfahren geändert. Stichprobenartig geben nun auch unabhängige Zweitgutacher ihre Meinung ab. Auf die Nennung von konkreten Abschusszahlen wird in den Gutachten komplett verzichtet. Und der Verbissgrad ist auch nicht mehr das alleinige Kriterium. Unke: "Wichtiger als der allgemeine Verbiss ist die Frage, ob die waldbaulichen Ziele gefährdet sind. Man kann ja durchaus damit leben, wenn es in einem Revier lokal einen hohen Verbiss gibt. Hauptsache dort, wo man sich Ziele gesetzt hat, wie etwa einen Waldumbau, wird geschützt."

Dabei hat der Forst gute Argumente und mit Gersbach ein Vorzeigemodell. "Zum ersten Mal nach 160 Jahren funktioniert hier die Idee der Naturverjüngung", so Gempp. Dabei wird in Gersbach keineswegs mehr geschossen als anderswo. Weil aber Gempp selber schießt oder einer seiner Jagdgäste, ist garantiert, dass hier die Quote zu 100 Prozent erfüllt ist. "Und das reicht aus, um den Verbiss auf einem erträglichen Stand zu halten."

Die Botschaft an die Jäger: Wer die Abschusszahl erfüllt, hat weitgehend Ruhe im Revier. Und nicht nur das: Wo die natürliche Verjüngung weggefressen wird, muss angepflanzt werden. Das ist biologisch die schlechtere Variante. Nicht immer fassen die Wurzeln Fuß. Und es ist teuer. Bei 1500 Hektar Wald müssten pro Jahr sieben Hektar Verjüngung her. Ein Hektar Pflanzung aber kostet rund 10 000 Euro. Sieben Hektar somit 70 000 Euro. Naturverjüngung indes ist biologisch besser – und kostet nichts. "Viele sehen das auch so ein und dort ist die Situation auch voll in Ordnung", nimmt Unke die Jäger in Schutz. Doch eben nicht alle. Auch Gempp hat da so seine Erfahrungen machen müssen. Etwa mit dem Klischee, dass hier in Gersbach zu viel geschossen würde. "Wenn dem so wäre, müssten die Rehe hier seit 18 Jahren ausgerottet sein. Wir haben aber immer die gleiche Quote."

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