18.1.08

Der Trend zur Natur scheint ungebrochen


Titelblatt der Dezemberausgabe des Magazins Landlust


Scheinbar sind viele Menschen der Zivilisation überdrüssig oder sie suchen zumindest einen Ausgleich in der Natur.
Anders ist der Erfolg der Zeitschrift "Landlust", der im Landwirtschaftsverlag erscheint, nicht zu erklären. In weniger als zwei Jahren hat sich die Zeitung einen der vordersten Plätze der neu erschienen Zeitungen erobert, mit weiterhin stark steigender Tendenz.

Der Erfolg der Zeitung zeigt aber auch, dass ein Printmedium, das den Lesern praktische Informationen liefert, eine Exitenzberechtigung im hart umkämpften Zeitungsmarkt hat, und dass Themen rund um Natur, Landwirtschaft und Garten schon lange keine Nische mehr für Ökos, Landfrauen oder Aussteiger sind.

Da wünsche ich der Redaktion von Landlust weiterhin viel Erfolg.
Über den Erfolg des Magazins "Landlust" berichtet die F.A.Z.

waidmannsheil

Euer

stefan


Knecht sucht Wiesenkönigin
Knecht sucht Wiesenkönigin
von Jörg Thomann

Soeben sind die aktuellen Auflagenzahlen der Zeitschriften und Zeitungen
veröffentlicht worden. Vor allem einige Neugründungen der vergangenen
Jahre dürfen sich über Leserzuwachs freuen. Die fröhlich spätpubertäre
„Neon“ etwa konnte binnen eines Jahres ihre Auflage um achtzehn Prozent
auf 205.517 steigern, das Denkerheft „Cicero“ legte in bescheidenem
Rahmen auf 75.193 zu, und selbst die vielgescholtene „Vanity Fair“ weist
mit 188.965 verkauften Heften keine ganz schlechte Bilanz auf, was dem
scheidenden Chefredakteur Ulf Poschardt ein schwacher Trost sein dürfte.

Als wahre Sieger aber dürfen sich andere fühlen, deren Namen in der
Medienbranche weit weniger bekannt sind. Sie heißen Ulrich Toholt,
Heinz-Günther Topüth, Ute Frieling-Huchzermeyer und Karl-Heinz Bonny
und sind Objektleiter, Herausgeber, Chefredakteurin und Geschäftsführer
der Zeitschrift „Landlust“, deren Erfolgsgeschichte die respektable
Auflagensteigerung anderer Blätter verblassen lässt.

Mit „Landlust“, dem Heft für „die schönsten Seiten des Landlebens“, ist
es dem in Münster-Hiltrup beheimateten Landwirtschaftsverlag gelungen,
eine Zielgruppe nicht nur wortmächtig zu umreißen, sondern sie
tatsächlich für sich zu gewinnen - die Zahlen belegen das eindrucksvoll:
Seit zwei Jahren auf dem Markt, liegt die Auflage von „Landlust“ heute
bei 261.533. Im Vergleich zum Vorjahresquartal werden 151.232 Hefte mehr
verkauft, was einer Steigerung um 137,1 Prozent entspricht. In einem
Jahr hat „Landlust“ also zweimal die komplette Auflage von „Cicero“
hinzugewonnen. „Landlust“ hat nun doppelt so viele Käufer wie das
„Manager Magazin“, deutlich mehr als „Kicker“ und knapp zweihundert
Leser mehr als „Micky Maus“.

Geschätztes Handwerk

Mit den lüsternen Landwirten, die vor einem Millionenpublikum bei RTL
auf Brautschau gingen, hat das Blatt dem Titel zum Trotze nichts gemein
- auch wenn hinten im Kleinanzeigenteil der aktuellen Ausgabe eine
„Wald- und Wiesenbärin“ nach männlichem Beistand „für Herd und Höhle“
sucht. Im weitesten Sinne ist „Landlust“ ein Lifestyle-Blatt, auch wenn
die Redaktion wohl eher den Begriff „Lebensart“ verwenden würde. Man
schätzt die Tradition - und das Handwerk. Während „Vanity Fair“ in
Berliner Bars vermeintlich wichtigen „Movers und Shakers“ hinterherhetzt,
stellt uns „Landlust“ in sachlich-nüchternen, liebevoll
bebilderten Texten eine Vergoldermeisterin, einen Glasveredler oder eine
ehemalige Lehrerin vor, die Kleidung aus den Locken des gotländischen
Pelzschafes fabriziert.

Der ignorante Städter wird nicht nur von Existenz und Funktion des
Stiefelknechts unterrichtet, mit dem man sich schmerz- und schmutzfrei
seines Schuhwerks entledigen kann, sondern bekommt gleich eine
Bauanleitung hinzugeliefert. Außerdem lernt man, wie man Wollsocken
strickt, was eine gute Astschere ausmacht, wie sich Winter-Porree vom
sommerlichen unterscheidet und dass die Pflanze „Filipendula ulmaria“
mancherorts „Echtes Mädesüß“, woanders aber „Wiesenkönigin“ heißt.

Ganz spezifische Mischung

Beim mittelständischen Landwirtschaftsverlag ist man vom Erfolg von
„Landlust“, das als „Special-Interest-Heft für Familien im ländlichen
Raum“ konzipiert war, selbst überrascht. Weit mehr Menschen als erhofft
finden Gefallen an der ganz spezifischen Mischung aus guten Ratschlägen
für Garten, Haus und Küche, ambitionierter Naturfotografie und
ausführlichen botanischen und kulturgeschichtlichen Exkursen. Und
spätestens bei dem Artikel, der verschiedene Vogelfedern unterscheiden
hilft und glückliche Kinder beim Basteln von Indianerkopfschmuck zeigt,
spürt auch der überzeugteste Stadtmensch ein wenig Sehnsucht nach dem
ursprünglichen, bewussten Leben im Einklang mit der Natur und fernab der
alltäglichen Hektik. Der Geruhsamkeit sieht sich „Landlust“ auch
weiterhin verpflichtet: Trotz des Erfolges soll der zweimonatliche
Erscheinungsrhythmus beibehalten werden, weil sonst, so Objektleiter
Toholt, die Eigenart des Heftes verlorenzugehen drohe.

Drei Viertel der „Landlust“-Leser leben im eigenen Haus, achtzig Prozent
haben einen Garten, fünfundsiebzig Prozent von ihnen sind weiblich. Und
sie sind aufmerksam: Zahlreiche Leser, schreibt die Chefredakteurin im
Editorial, hätten moniert, dass man „den angekündigten Raben-Bericht aus
Platzgründen nicht veröffentlicht“ habe. Das Versäumnis wird im neuen
Heft nachgeholt - mit einer sechsseitigen Abhandlung über Rabenvögel.

Quelle: F.A.Z. vom 16.1.2008

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