21.7.07

Vor fast 70 Jahren: Wachtelrüde "Claus v. Wiesenbeks" wurde mit allen jagdlichen Ehren zu Grabe getragen


Wachtelhund mit Fasanenstrecke


Photo:
www.thepetdirectory.us/deutscher_wachtelhund.htm












Dass es unsere Vorfahren mit den jagdlichen Traditionen viel genauer nahmen als heute, ist bekannt. Dass Jäger aber früher ihren Jagdhunden weniger Respekt und Achtung entgegenbrachte, ist hingegen eine Mär.

Im Gegenteil: Viele Jagdhunde standen bei Förstern in fast täglichem Einsatz und dadurch entstanden Bindungen zwischen Jäger und Jagdhund, die kaum auf andere Art erreicht werden können.
Diese im Forstdienst eingesetzten Hunde konnten ihr ganzes Können unter Beweis stellen und so wurden einige dieser Hunde weit über ihren Forstbezirk hinaus bekannt.

Der Wachtelrüde Claus vom Wiesenbeks des Preußischen Forstmeisters Franz Müller war solch ein Ausnahmehund.
Als der Hund hochbetagt starb, erwiesen ihm zahlreiche Jäger die letzte Ehre und er wurde, begleitet von einer Gruppe Jagdhornbläser, mit allen jagdlichen Ehren zu Grabe getragen. Ein solches Ritual wäre heute kaum noch vorstellbar.
Dies zeigt, welch tiefe Ehrfurcht unsere Vorfahren vor dem Mut und der jagdlichen Passion unserer Hunde hatten.

Im Jahr 1940 veröffentlichte Wild und Hund den unten stehenden Nachruf des Preußischen Forstmeisters Franz Mueller (Zwinger Moorbergs) auf seinen Wachtelrüden Claus vom Wiesenbeks.

Ein absolut lesenswerter Nachruf auf einen wohl einzigartigen Jagdhund!

waidmannsheil

Euer

stefan


Unlängst wurde am Grabe "Claus v. Wiesenbeks“ DGStB 2644/28 „Jagd vorbei!" geblasen, als er im fünfzehnten Jahre seines Lebens in die ewigen Jagdgründe abberufen wurde. Wenn ein Hund es verdient, dass nach seinem Tode zu seiner Ehre gesprochen wird, so war es dieser Hund, der in jeder jagdlichen Disziplin das Beste leistete, was ein Hund leisten kann.
Ob es sich darum handelte, den angeschweißten Hirsch nach 24 Stunden zu arbeiten und zu Stande zu Hetzen, ob es sich darum handelte, die streunende Katze, ehe sie den rettenden Baum erreichte mit einem einzigen Griff abzuwürgen oder den leicht angeschweißten Fuchs nach schneller Hetze noch schneller abzuwürgen und zu apportieren, ob es darauf ankam, der tauchenden Ente in den großen Boddenschilfgehegen zu folgen oder die Sauen vor die Schützen zu bringen: immer war "Claus" ganz gleich in seiner Unübertrefflichkeit.
Zahlreiche Jäger und Jagdfreunde, die ihn hier im Verlauf von zwölf Jahren jagen sahen, werden seiner mit Freude gedenken und mit Trauer, weil es eben nur alle 10 Jahre einen solchen Hund gibt. Und wenn man "Claus von Wiesenbek“ ein Denkmal setzt, so muss man es dem Deutschen Wachtelhund überhaupt setzen.
Auf der Entenjagd verdiente sich „Claus“ sofort die Sporen, indem er krank geschossenen Enten unbedenklich nachtauchte und sie unter Wasser griff und dann apportierte. Ich sehe noch unsere erstaunten Gesichter, als er das erste mal mit kurzem Ruck verschwand und nach etwa einer Minute aus ziemlich tiefem Wasser mit der Ente im Fang wieder hoch kam.
Unermüdlich sein Stöbern! Er hielt immer länger aus als wir Jäger, im Boot und auf dem Lande. Und da wo er suchte, blieb bei seiner phänomenalen Nase keine Ente im Rohr.

Dann kam die erste Nachsuche auf einen Rehbock. Vorderlaufschuss. Diese unangenehmste aller Nachsuchen. Aber sie dauerte nicht lange, denn als "Claus" erst geschnallt war, endete nach etwa 1,5 Kilometer Riemenarbeit die Hetze nach gar nicht langer Zeit, und zu meiner Freude verbellte er tot bzw. verwies laut.
„Claus“ findet sich auch in der sehr lesenswerten Chronik zum Leben des Forstmeisters Franz Mueller-Darß: Wolfgang Frank, Verklungen Horn und Geläut, Oldenburg 1959.
Ihm ist auf Prüfungen hier und da nachgesagt worden, dass sein Spurlaut nicht unbedingt sicher sei. Nun: Meine Jagdfreunde und ich haben ihn hunderte Male jagen hören, und ich kann versichern, dass kein Hund besser spurlaut war als er. Jahr reihte sich an Jahr, und immer mehr bestätigte sich, dass, mochte ein Stück auch noch so leicht getroffen sein, "Claus“ es unbedingt zu Stande hetzte. Ich habe leider nicht genau Buch über die Zahl seiner Schweißarbeiten auf Rehwild, Rotwild und Sauen geführt; aber sicher hat er mehr als hundert schwere Arbeiten meist in schwierigen Hetzen - ungerechnet all die kranken Sauen, die er auf der Jagd selbst gleich zu Stande brachte - vollbracht. Eins war sicher: wenn "Claus" nicht mehr weiter fand, dann war das Stück bestimmt nicht zu haben. Denn seine geradezu fanatische Passion für Schweißfährten ließ ihn immer weiter finden. Und man muss es erlebt haben, wie er - dieser immerhin nicht schwere, wenn auch unerhört muskulöse Hund - selbst Rot-Alttiere einfach nieder zog und abwürgte. Mit seiner damaligen Partnerin "Tatü" (Amsel von Ruhden 135/26) zusammen hat er Hetzen gemacht, die der allerbester Schweißhunde nicht nachstehen. Man war stets sicher, dass jedes auch nur schlecht getroffene Stück Wild zur Strecke kam, wenn man diese beiden "Wölfe" angehetzt hatte.
Beim Fuchssprengen war es ein besonderes Vergnügen, "Claus“ bei sich zu haben, denn er hatte auch auf Füchse eine geradezu irrsinnige Passion. Und obwohl er sonst so überaus artig und gehorsam war, musste er auf dem Bau angeleint werden, weil er sonst doch einmal in den Schuss gesprungen wäre. Ich weiß noch, wie er einen sehr starken Fuchsrüden, der - wie ich später feststellte - nur drei Körner im Vorderlauf hatte, nach etwa dreiviertelstündiger Hetze griff, abwürgte und langsam herbei trug. Eine der Glanzleistungen der Wachtel: wenn diese kleinen Tiere, nur durch ihre wunderbare Energie dazu befähigt, einen Fuchs herbei tragen; wenn sie müde werden, legen sie ihn ab, warten ein bisschen und dann tragen sie ihn weiter. Aber ich habe nie erlebt, dass einer meiner Wachtel den Fuchs hätte liegen lassen.

In solchem Gelände ist es für den Hund schwer, der Sau auszuweichen, und so strebte ich eilig heran, um den Fangschuss zu geben, ehe der Hund geschlagen würde.
Plötzlich klagte „Claus“, was selten bei ihm vorkam, aber im nächsten Augenblick stellte er bereits wieder, und dann ging die Hetze langsam weiter. Ich versuchte, heran zu kommen. Das glückte aber nicht. Plötzlich fiel ein Schuss: Die Sau war ins Treiben zurück und dabei von einem Schützen gestreckt. „Claus“ verbellte tot. Ich lief heran, um zu sehen, was die Sau eigentlich für einen Schuss gehabt hatte, stellte fest, dass sie gesund gewesen war und als ich wieder ins Treiben mit „Claus“ hineinging, bemerkte ich erst, dass sein Hinterlauf zerbrochen war und nachschleifte. Die Sau – es war eine zweijährige Bache – hatte ihn im Rohr also doch gefasst und den Hinterlauf zermalmt. Der ganze Lauf war gesplittert, und trotzdem hatte „Claus“ weiter gejagt. Und die Sau totverbellt. Es gibt von hundert Hunden nicht einen, der so tut. „Claus“ wurde sofort zum Tierarzt gebracht. Ich war in schrecklicher Sorge. Als er abends schön eingegipst zurückkam, sah er auf dem Hof gerade einen anderen Hund an der Strecke stehen. „Claus" mit einem Satz aus dem Auto, und schon entbrannte ein wilder Kampf, in dem „Claus“ selbstverständlich wie immer Sieger blieb.
Es war wieder Jagd. „Claus“ war eingesperrt in seinem Zwinger zu ebener Erde. Wir hatten alle Vorsicht angewendet, dass er nicht merken sollte, dass Jagd war.
Im zweiten Treiben hörte ich plötzlich „Claus“ Laut. Ich grübelte darüber nach, welches seiner Kinder denn auf einmal einen dem seinen so ähnlichen Hals bekommen hat, als auch schon eine Rotte Sauen bei mir erscheint - lauthals „Claus“! – sein Verband hatte sich teilweise gelöst und schleppte etwa 6 bis 7 Meter lang hinter ihm her.. Man stelle sich vor welche geradezu irrsinnigen Schmerzen der Hund gehabt haben muss, aber nichts konnte, wie gesagt, seinen Jagdeifer mindern. Der Lauf heilte auch wieder. Er war etwas dicker geblieben.
Jahr für Jahr gab es hier und da kleine ehrenvolle Schmisse und Narben, bis ihm wiederum der verdickte Hinterlauf von einer Bache verbissen wurde, und diesmal heilte leider die Verletzung nicht mehr so gut. Trotzdem jagte "Claus". Er war immer noch der beste Finder auf Schweißfährte und an Sauen wie alle die Jahre. Wir haben hier zuweilen Treiben von 1000 bis 2000 Morgen Größe, manchmal mit viel Rotwild, Damwild, Rehen darin. Aber wenn eine Sau im Treiben war, so fand sie "Claus" in aller kürzester Frist und brachte sie vor die Schützen.
Ein paarmal konnte ich sehr hübsch beobachten, wie er mit seiner Partnerin zusammenwirkte. "Claus" stellte vor mir im Bruch einen zweijährigen Keiler, und ich wunderte mich, wie überaus vorsichtig er dem Keiler von der Schwarte blieb - bis plötzlich wie ein brauner Pfeil "Tatü" erschien, und sie beide schneller, als man es erzählen kann, dem Keiler an den Tellern waren. Wenn man bedenkt, dass durch "Claus"' eigene Arbeit im Verlauf eines Jägerlebens vielleicht (vorsichtig gerechnet) dreihundert Sauen zur Strecke gekommen sind auf dem Darß und in den anderen Revieren, so ist es ja ein Wunder, wie wenig er geschlagen ist. Und das ist überhaupt bei den Wachtelhunden immer wieder zu beobachten: ihre fabelhafte Wendigkeit (wie die Gummibälle prallen sie vor und zurück), lässt Geschlagenwerden bei ihnen alles in allem genommen doch selten sein. Ich wundere mich immer, das man auch in gemischten Revieren diese einzigartigen Hunde, die jede Arbeit leisten, die so überaus gelehrig und dressurwillig sind, dabei leicht zu erhalten, durch ihre geringe Größe bequem im Auto, ja selbst auf einem Notsitz auf dem Fahrrad, so wenig geführt werden. … gibt es keinen Hund, der besser sich gerade auch für die Saujagd eignet als die Wachtel. Man sagt zwar, das ist die leichteste Arbeit, weil die Sau eine starke Witterung hat; aber ich möchte doch bezweifeln, dass es leichte Arbeit ist, wenn in einer Dickung eine Rotte Sauen zehnmal hin und her gehetzt ist und die Fluchtfährten sich unzählige Male kreuzen, die ganze Dickung voll Sauwitterung hängt, auch das letzte Stück sicher herauszubringen. Und das war "Claus“ allergrößte Kunst. Wenn alle anderen Hunde heraus waren und ermüdet herumlagen, die Schützen unruhig vom langen Stehen auf ihren Ständen wurden und ich im Begriff war, abzublasen - dann konnte ich sicher sein, dass plötzlich aus dem scheinbar leeren Treiben "Claus“ Hals erschallte und er doch noch ein Stück Schwarzwild herausbrachte. Unangenehm war er und seine Sippe, wenn schwache Frischlinge, die hier oft nur 20 Pfund wiegen, oder schwache Überläufer im Treiben waren; dann war häufig die Strecke der von den Hunden abgefangenen Sauen größer als die draußen von den Schützen erlegte. Ein ganzes Buch könnte man füllen mit Erinnerungen an diesen unvergleichlichen Hund.
Wie viele Schnepfen habe ich vor ihm und seinen Kindern auf der Suche geschossen, wie viele geflügelte Hühner brachten sie mir. Ich habe immer gesagt, wenn ich im Urwald leben müsste und dürfte nur eine Hunderasse haben, dann könnte es nur der Wachtel sein, denn ich bin überzeugt, dass man mit ihnen vom Bären bis zur Schnepfe jedes Wild jagen könnte, und immer wieder begeistert sein müsse über diese einzigartigen Jagdkameraden.
"Claus" hatte unschönes Haar. Bärenhaar. Sicher ist es nicht so ansehnlich, aber mir war es das schönste Haar der Welt, das ein Hund haben konnte. Und ich wünsche mir, dass einer seiner Nachkommen noch mal so wird, wie es der alte "Claus" sein Lebetag war. Seine Nachkommen machen ihm so viel Ehre, dass dieser Wunsch wohl seine Erfüllung finden wird. Dann macht es Freude zu züchten, und noch mehr: zu jagen.


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