19.1.11

1. Damenansitzjagd im Lehrrevier

von Nina Pfarr

„Was willst du denn auf einer Damenansitzjagd?“ werde ich vor meiner Anreise am 14.01.2011 nach Liepe oft gefragt und diese Frage ist durchaus berechtigt. Als Nichtjägerin, jedoch jagdlich interessierter Hundeführerin mit dem ständigen Drang nach Bewegung verspricht eine Ansitzjagd ein neues und geduldförderndes Erlebnis zu werden. Überhaupt ist das Interesse am Thema des weiblichen Jagdevents groß und spaltet gleichzeitig die Herrenwelt: was die einen als lehrreiche und sinnvolle Förderung von jagdlich ambitionierten Damen unter Gleichgesinnten betrachten, stellt für die anderen lediglich die waidmännische Variante von „Bauer sucht Frau“ dar, denn jede Jungjägerin kann sich in Liepe auf die Erfahrung eines männlichen Standpartners verlassen.



Die Verfasserin mit Hund Emily












Fünf Retriever stehen mir zur Verfügung, pünktlich zur Damenjagd befinden sich vier von ihnen in der hitzigen Hochphase und so treffe ich lediglich mit der jungen Labradordame Emily sowie meinem Standpartner Stefan leicht verspätet in Liepe ein – der Verkehr von der Schweizer Grenze bis nach Detmold und anschließend gemeinsam weiter bis ins Odergebiet ist nicht zu unterschätzen. Unsere Ankunft bestätigt, was ungeduldige SMS während der Fahrt bereits angekündigt haben: man erwartet mich freudig und neugierig. Und auch ich bin mehr als gespannt auf die bisher nur digitalen Gesichter aus dem Xing-Jagdforum, die ich während der Planungsphase als Mitorganisatorin der Damenansitzjagd bereits ein wenig näher kennen lernen durfte.


Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Damenansitzjagd 2011






Wenn es auf einer Damenjagd an etwas fehlt, dann sicher nicht an Getränken und Köstlichkeiten. So löffeln Stefan und ich in Gesellschaft von Tino, Clarissa und den Lieper Jungjägern Martin und Katja unsere Gulaschsuppe mit Schmand und Brot, als die restliche Truppe peu à peu wieder in der Jagdscheune eintrifft, die es noch vor unserer Ankunft ungeduldig auf die Hochsitze getrieben hat – und zwar erfolgreich. Zwei Frischlinge liegen auf der Strecke und lassen auf ein Wochenende mit viel Anblick hoffen.

Die nächtliche Rückfahrt von der Jagdscheune zur Ferienwohnung in Cöthen lässt mich eine weitere wertvolle Erfahrung sammeln: ein VW Golf Kombi ist nicht geländetauglich! Deshalb fällt für Stefan und mich der frühe Morgenansitz aus, wird aber durch einen Feld- und Waldrundgang mit Tino Thierbach am Mittag und dem damit verbundenen Austausch von Hundeführer zu Hundeführer mehr als wett gemacht. Zudem gibt es für mich eine ganz persönliche Lehrstunde im Rapsfeld: Spurenlesen.


Spurenlesen im Rapsfeld, Emilys Hundepfote als Maßstab







Samstagnachmittag ist es dann endlich so weit: nach einer abenteuerlichen Rumpelfahrt durchs Revier, für die ein Reiseveranstalter andernorts mit Sicherheit horrende Summen wegen des Nervenkitzels verlangt hätte und die ich, wie auch die noch kommenden Fahrten des Wochenendes aufgrund Platzmangels (sehr zu meinem Vergnügen) im Kofferraum bei den Hunden verbrachte, wird uns von Stefan Fügner eine Kanzel zugewiesen, die über einen kurzen Fußmarsch zu erreichen ist und einen fantastischen Blick in drei Richtungen bietet. Ein Waldstück im Rücken, ein Wassergraben mit einer Baumreihe und Schilf in einiger Entfernung links, eine kleine Baumgruppe einige hundert Meter vor uns und Wiesen zu unserer Rechten. Aufgrund des hohen Wasserspiegels sammeln sich hier und da große Pfützen auf den Wiesenflächen.

Wir baumen auf und nun ist Ruhe angesagt. Stefan hält mich an, meine Hände und mein Gesicht möglichst zu verdecken und dem Wild so die gut sichtbare helle Haut vorzuenthalten. Wie Mumien mit Hut und Fernglas sitzen wir an den Kanzelfenstern und beobachten jede Regung im Revier aufmerksam. Mein Ansitzpartner verpasst es nicht, mir jeden bedeutsamen Laut flüsternd zu erklären. Bald erspähen wir Rehwild auf ungefähr 400 Metern Entfernung und verpassen so beinahe den Fuchs, der sich linker Hand durch den Schilfstreifen schleicht und hinter dem Rehwild in eine Baumgruppe auf zwölf Uhr wechselt. Noch während wir warten, ob Reineke die Baumgruppe auf der anderen Seite wieder verlässt, zeigt sich von links eine Fuchsfähe, die sich auf das Rehwild zu begibt und hier merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legt bevor sie auf unsere Kanzel zukommt und wir sehen können, dass sie einen Lauf schont. Stefan macht sich leise und vorsichtig schussbereit bevor sich die Ereignisse überschlagen: die Fuchsfähe kommt näher, der Fuchsrüde begibt sich aus dem Waldstück heraus und visiert die Fähe an, drei Stück Rehwild ziehen langsam rechter Hand vor unsere Kanzel, Stefan findet in der Enge der Kanzel keine optimale Schussposition und fehlt die Fähe, die gemeinsam mit dem Rüden und dem Rehwild hochflüchtig das Feld räumt. Ich bin im Gegensatz zu Stefan nicht enttäuscht, sondern noch ganz benommen von dem Adrenalin, meinem eigenen Puls, dem hauchfeinen Geruch des Schusses, dem Anblick des flüchtenden Wildes, der wieder einkehrenden Ruhe und Stille im Revier und so nehme ich diese schönen Momente in meinen Erfahrungsschatz mit auf und freue mich darüber.


„Mumie“ Stefan mit Blick aus dem Kanzelfenster







Mit der Ruhe und Stille ist es spätestens im Jagdkeller des Rosencafés vorbei, denn bei dem von Astrid Lipps organisierten Dinner gibt es viel zu erzählen – unter anderem auch von insgesamt vier geschossenen Ricken. Erst das Jagdgericht holt uns Damen und auch die Herren auf amüsante Art und Weise wieder auf den Boden der Tatsachen und bereitet uns gedanklich auf den letzten Ansitz am Samstagabend vor.

Stefan und ich wählen den Hochsitz, den wir bereits vom Nachmittag kennen und freuen uns über eine Rotte Sauen, die wir bereits während unseres mucksmäuschenstillen Aufbaumens auf ungefähr 250 Meter Entfernung beobachten können. Die vier Überläufer und sieben Frischlinge rotten sich immer wieder um die starke Leitbache wenn aus dem nah gelegenen, zur Zeit in Bauarbeiten befindlichen Schiffshebewerk laute Geräusche zu hören sind und verteilen sich zufrieden brechend über die nasse Wiese sobald einige Zeit vergangen ist. Die Gruppe zieht nach links an uns vorbei, zu weit weg um überhaupt an einen Schuss zu denken und verschwindet schließlich durch laute Knalle aufgeschreckt hochflüchtig über einen Graben hinter einer Baumreihe. Stefan und ich hören den Schwänen und Gänsen zu, wie sie anscheinend immer wieder laut schnatternd die Attacken von Raubwild abwehren und beobachten gespannt, wie aus der linken Baumreihe zwei Stück Schwarzwild wieder zurückkommen, eines davon den Lauf schonend, und sich außerhalb unserer Reichweite in einige große Pfützen auf der Wiese zurückziehen und schließlich aus unserem Blick verschwinden.


Impression der Damen-Drückjagd







Der Sonntagvormittag entschädigt den Bewegungsfanatiker in mir und meinem Hund mit einer kleinen Drückjagd, bei der bereits beim Anstellen Rehwild hochflüchtig abgeht, ein starker Keiler sowie weiteres Rehwild hochgemacht wird, aber leider nichts zur Strecke kommt. Das tut dem gemeinsamen Mittagessen und dem anschließenden Streckenlegen jedoch keinen Abbruch und so endet das gemeinsame Wochenende wie es begonnen hat: in herzlicher Gesellschaft und mit guten Gesprächen in der Jagdscheune. Nur ein Teilnehmer bleibt dem Treiben zunächst fern: Clarissas Dackel Rudi, der in vorbildlicher Manier ein Date mit dem entkommenen Keiler dem Schüsseltreiben vorzieht. Mein ungeteiltes Interesse hat anschließend das Zerwirken des Wildbrets geweckt und ich kann mir von den arbeitenden Herren einige Tricks und Kniffe abschauen, die mir besonders am heutigen Tag gut in Erinnerung sind, da mir die ersten Düfte des hier zerwirkten Wildschwein-Keulenbratens im Rosmarinmantel in die Nase steigen, während ich diese Zeilen schreibe.


Die Strecke






Was ich in der Wildkammer noch nicht ahne, ist der Umstand, dass mir der schwerste Ansitz noch bevorsteht. Während sich die restlichen Teilnehmer nach und nach auf den Heimweg begeben – allesamt hochzufrieden und mit vielen schönen Eindrücken, soweit ich das beurteilen kann – werden Stefan und ich erst einen Tag später heimreisen und so haben wir die Möglichkeit auf einen weiteren Abend in der wundervollen Lieper Landschaft. Die Landschaft ist dann auch das einzige, was wir auf unserem neuen, sehr schön gelegenen Ansitzplatz direkt an einer Kirrung zu sehen bekommen, was sowohl am penetranten Magenknurren meinerseits, dem Niesen von Stefan oder aber – und darauf haben wir uns letztendlich einstimmig festgelegt – dem ungünstigen Wind gelegen haben könnte. Immerhin kann sich Jungjäger Mathias über eine Sau mit knapp 50 kg freuen und diese mit uns und Stefan Fügner gemeinsam an der Jagdscheune begiessen. Eine schöne Erfahrung habe ich an diesem Abend ebenfalls machen können: die mir von den gesamten Teilnehmern als Dank für die Mitorganisation geschenkte Thermomütze und der Schal haben ihren ersten Einsatz in Wind und Kälte bravourös überstanden.

Mir persönlich hat sich eine mir bisher fast unbekannte Form des Jagens auf sehr spannende Art und Weise präsentiert und Lust auf mehr geweckt. Auch der unkonventionelle Rahmen hat dazu beigetragen, ganz ungezwungen zu lernen und zu beobachten und ich bin mir sicher, dass jede Jungjägerin von einer solchen Damenansitzjagd nur profitieren kann. Aus diesem Grund ist mein Fazit der ersten Lieper Damenansitzjagd durchweg positiv und ich freue mich über die neu gewonnenen Freundschaften genauso wie über die Planung der nächsten Damenansitzjagd von 05.-08.01.2012, bei der ich die diesjährigen Teilnehmer hoffentlich alle wiedersehen werde. Ich danke meinem Ansitzpartner für seine Geduld, für das Wissen an dem er mich teilhaben ließ und für das mehrfache Demonstrieren der Vogelklage, die ich noch immer im Ohr habe. Auch möchte ich mich an dieser Stelle im Namen aller Damen und Herren für Stefan Fügners Gastfreundschaft und Mühe bedanken sowie bei Dr. Wolfgang und Astrid Lipps für das zur Verfügung stellen des herrlichen Reviers und der Organisation des Abendessens.

Nina Pfarr Hundeausbilderin

79599 Lörrach

www.struppi-bitte.com

2 Kommentare:

  1. Frisch, ehrlich, anders. Ein schöner Beitrag von dessen Verfasserin ich gerne mehr lesen würde. Herzlichen Dank, A. Werner

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  2. Ein sehr interressanter Beitrag. Sehr schön geschrieben man kann die Lust und Freude der Verfasserin richtig spüren sie macht es mit sehr viel Begeisterung. Würde gerne mehr von dieser Verfasserin lesen.
    Vielen Dank
    Bernhard Jäger

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