1.9.09

Amtsgericht weist Haftungsansprüche gegen Jagdpächter zurück

Immer wieder kommt es zu Unfällen, die durch Wild, dass bei Drückjagden die Treiben verlässt, verursacht werden.

Ein ganz besonders schweren Schaden richtete der Amoklauf eines kapitalen Keilers an. Dieser 180 kg schwere Basse hatte gleich 2 Personen schwer verletzt. Erst der Schuss aus der Maschinenpistole eines Polizisten beendete den Amoklauf.

Das Amtsgericht von Gemünden musste nun entscheiden, ob die in einigen Kilometer vom Unfallort abgehaltene Drückjagd Auslöser der Unfälle war und ob deshalb der Jagdpächter deshalb schadensersatzpflichtig sei.

Die Klage des Geschädigten wurde nun vom Amtsgericht zurückgewiesen, da die Haftung eines Jagdpächters einem Jagdverbot gleich käme.

Über das wohl für viele Jagdpächter richtungsweisende Urteil berichtet das Onlinemagazin der Main Post.

waidmannsheil


Euer


stefan



Ende eines tierischen Amoklaufs: Mit einer Maschinenpistole streckte im November 2005 ein Polizist mitten in Retzbach diesen 180-Kilo-Keiler nieder. Das Tier hatte am helllichten Tag zwei Frauen attackiert und schwer verletzt. Nun beschäftigte der Fall die Justiz. Das Amtsgericht Gemünden wies eine Klage gegen vier Jagdpächter ab, die an diesem Tag auf der anderen Mainseite Drückjagden veranstaltet hatten.

ArchivFOTO Diehm

RETZBACH/GEMÜNDEN
Nach Attacke durch 180-Kilo-Wildschwein: Tierischer Amoklauf vor Gericht

Urteil: Jäger müssen nach Attacke durch das Tier nicht haften

Können Jagdpächter zur Verantwortung gezogen werden, wenn ein freilebendes Wildschwein außer Rand und Band gerät und Menschen attackiert? Nachdem ein kapitaler Wildschweinkeiler 2005 mitten in Retzbach zwei Frauen schwer verletzt hatte, musste sich das Gemündener Amtsgericht mit dieser Frage befassen.

Der Fall sorgte überregional für Schlagzeilen: Am 11. November 2005 hetzte am helllichten Tag ein 180 Kilo schwerer Wildschweinkeiler durch Retzbach. Dort attackierte er zwei Frauen, die ihm über den Weg liefen. Beide Frauen trugen schwere Verletzungen davon. Erst ein Polizist konnte mit mehreren Schüssen aus der Maschinenpistole den tierischen Amoklauf beenden.

Am gleichen Tag fand auf der anderen Mainseite in den Wäldern um Zellingen, Himmelstadt und Laudenbach eine revierübergreifende Drückjagd statt. Es liegt der Verdacht nahe, dass sich etliche Wildschweine mit der Flucht durch den Main vor den Jägern in Sicherheit bringen wollten. Jedenfalls sahen Zeugen etliche Schwarzkittel, die sich am helllichten Tag auf Retzbacher Seite in den Mainauen umhertrieben.

Eines dieser Wildschweine war der mit einem Lebendgewicht von 180 Kilo für hiesige Verhältnisse außerordentlich kräftige Keiler. Offenbar völlig in Panik geriet er in die Retzbacher Wohnbebauung. In der Thüngener Straße attackierte er eine 28-Jährige. Das Tier stieß die Frau von hinten um und verletzte sie mit den Hauern, seinen messerscharfen Eckzähnen, an der Achsel. Als sich die am Boden liegende Frau mit Händen gegen weitere Attacken wehrte, biss ihr der Keiler in die Hand. Dabei wurden an einem Finger Sehnen und Nerven durchtrennt.
Auch eine 51-Jährige, die dem Tier in die Quere kam, erlitt schwere Verletzungen. Sie musste wegen Problemen bei der Wundheilung mehrfach am Bein operiert werden, was einen längeren Krankenhausaufenthalt bedingte.

Im vergangenen Herbst, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist, reichte der Anwalt der jüngeren Frau nun eine Klage gegen vier Jagdpächter ein. Forderung: Schadenersatz für „künftig nicht von dritter Seite übernommene Folgeschäden“ und 3000 Euro Schmerzensgeld.

Die Versicherung der Frau forderte von den Jagdpächtern überdies die Begleichung von 34 438,15 Euro, die für die medizinische Behandlung angefallen waren. Die Frau hat seit dem Biss eine bleibende Bewegungseinschränkung am Finger.

Die Drückjagd sei eindeutig die Ursache für das Auftauchen des Keilers auf der anderen Mainseite gewesen, so der Anwalt in seiner Klage. Der Keiler sei durch das jagdliche Treiben „verängstigt und verstört“ gewesen und habe in Retzbach daher quasi „in Notwehr alles, was sich bewegte“, angegriffen.

Die Jagdpächter müssten für die Folgen der Wildschweinattacke haften, weil sie „die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen unterlassen haben, um ein Ausweichen des Wildes in den bewohnten Bereich zu unterbinden“, so die Argumentation. Es hätte eine „Treiberkette“ postiert werden müssen, um das Ausbrechen des Wildes aus dem Wald zu verhindern. Statt derartige „besondere Schutzmaßnahmen“ zu ergreifen, sei das Wild jedoch sogar in Richtung Main getrieben worden, so der Vorwurf in der Klageschrift.

Dem widersprechen die Jagdpächter. In ihrer Klageerwiderung heißt es, dass das Wild bei der „generalstabsmäßig geplanten“ Jagd „ohne Ausnahme“ vom Main weggetrieben worden sei. Man habe „sämtliche überhaupt erdenklichen Maßnahmen für eine gefahrlose Durchführung“ der Jagd ergriffen.

Anhand der von den einzelnen Jägern unmittelbar nach der Jagd in einer Landkarte einzuzeichnenden Wildbeobachtungen sei „mit absoluter Sicherheit“ auszuschließen, dass Wild Richtung Main geflüchtet sei. Überdies habe auch niemand Wildschweine beim Durchschwimmen des Maines beobachtet. Die Attacke auf die Frauen sei ein „bedauerlicher Vorfall“, es bestehe jedoch „kein Zusammenhang zwischen der Jagd und dem Auftreten des Wildschweins“ in Retzbach, so die Jäger.

Die Polizei indes schrieb in ihrer Stellungnahme, dass es „nicht ganz auszuschließen“ sei, dass der Keiler aus der Drückjagd geflüchtet ist. Ein „kausaler Zusammenhang“ zwischen Drückjagd und Angriff lasse sich jedoch „nicht herleiten“. Das Fazit des Polizeiberichts: „Ein strafrechtlich relevantes Verhalten ist nicht gegeben.“

Auch das Gemündener Amtsgericht kam zu dem Urteil, dass die Jagdpächter nicht für den Amoklauf des Wildschweins zur Rechenschaft gezogen werden können. Ein Zusammenhang zwischen der Drückjagd und der Attacke sei nicht erwiesen. Angesichts der Siedlungs- und Straßendichte käme es einem Jagdverbot gleich, wenn man Jäger dafür verantwortlich machen würde, wenn Wild selbst in eineinhalb Kilometern Entfernung zur Jagd einen derartigen Schaden anrichte, so das Gericht. Da den Jägern kein schuldhaftes Handeln anzulasten sei, „scheidet eine Haftung aus“, begründer der Richter die Abweisung der Klage.

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