Der unbändige Wandertrieb setzt der Wolfspopulation in der Zivilisation mit ihren Verkehrswegen enge Grenzen.
Das Bild zeigt einen Wolfswelpen des Nochtener Rudels, der im Januar von einem Zug überfahren wurde. Wenig später wurde die tote Wölfin bei Reichwalde gefunden. Sie stammte ebenfalls aus dem Nochtener Rudel. Foto: Lupus (alles-lausitz.de)
Immer wieder wird auf die Gefahren hingewiesen, die vom Wolf ausgehen. Doch Ungemach droht der Wolfspopulation nicht durch Jäger.
Gleich mehrere Infrastrukturmaßnahmen in der Lausitz werden in den nächsten Jahren zu einem ernsten Problem für die Wölfe.
Es ist der unbändige Wandertrieb, der die Wölfe erfasst, wenn sie geschlechtsreif werden und sich auf die Suche außerhalb ihres Heimatgebietes machen, um einen Partner zu finden, mit dem sie ein neues Rudel gründen.
Welche Strecken ein solcher Jungwolf zurücklegen kann, berichteten wir im Beitrag "Lausitzer Wolfsrüde "Alan wandert 1000 km weit".
Doch genau dieser Wandertrieb könnte den Wölfen in der Lausitz nun zum Verhängnis werden. Gleich mehrere aufwendige Infrastrukturmaßnahmen sind im Verbreitungsgebiet der Wölfe in der Lausitz beplant.
Von der Gefahr, die durch diese Baumaßnahmen ausgeht , berichtet das Onlinemagazin der Sächsichen Zeitung :
Bagger, Züge und Autos sind Feinde des Wolfs
Von Wulf Stibenz
Wenn Tagebau, Bahn oder Straßen kommen, müssen die Wolfsrudel von Dauban, Truppenübungsplatz und Nochten weiterziehen.
Drei Wolfsrudel leben auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Oberlausitz. „Die fühlen sich wohl bei uns“, sagt der Kommandant des Tüps, Oberstleutnant Lutz Pauketat. Dass auf dem Gelände scharf geschossen werde, Panzer querfeldein fahren und durchaus mal mehrere Tausend Soldaten durchs Gelände gehen, ist für den Wolf kein Problem. Er umgeht sie.
Der Tagebau im Wolfsrevier
„Ein Wolf wittert Menschen mehrere hundert Meter im Voraus“, sagt Markus Bathen, Wolfsbeauftragter des Naturschutzbundes für die Lausitz. Es wäre also ein Zufall, wenn ein Soldat beim Biwak einen Wolf sieht. „Ich habe jedenfalls noch keinen gesehen“, so Pauketat. Er sagt aber auch, dass Veränderungen anstehen. „Wir verlieren zwei Fünftel unseres jetzigen Geländes, wenn Vattenfall im Tagebau Reichwalde wieder Kohle fördert.“
Genau im Abbaufeld ist das Revier eines der fünf Lausitzer Wolfsrudel. Die Bundeswehr erhält von Vattenfall Ausgleichsflächen. Der Wolf muss sich selbst kümmern. „Das ist kein Problem“, sagt Bathen. Durch den Tagebau verlagere der Wolf vielleicht seinen Ruheplatz, flüchten würde er nicht. „Zudem sind junge Rekultivierungsflächen anziehend für Wildtiere, das sehen wir bei Nochten“, erklärt Bathen. Der Wolf ist anpassungsfähig.
Die Straße als Falle
Etwas anders sieht es bei den Bundesstraßen aus. Die Wolfsexperten haben Anträge geschrieben, damit bei der Sanierung der Bundesstraße 156 an Reviergrenzen zum Nochtener Rudel Wildzäune oder Wolfswarnschilder für Autofahrer aufgestellt werden. „Der Wolf sieht das Auto nicht als Gefahr, alte schaffen es über die Straßen, aber Welpen oder Jährlinge nicht immer“, sagt Ilka Reinhardt (Lupus). Zwei Jungwölfe sind jüngst dort ums Leben gekommen. Prävention wäre für die Wolfspopulation vorteilhaft. „Zäune oder ähnliche Maßnahmen gibt es an der B156 nicht“, sagt nun Roland Schultze, Chef des Straßenbauamtes Bautzen, das die Straße saniert. Kein Geld für Prävention.
Die Bahn als Gefahr
Nicht besser sieht es bei dem Vorhaben der Deutschen Bahn aus, die Strecke Knappenrode-Horka zweigleisig und elektrifiziert für den Güterverkehr herzurichten. „Wildschutzzäune neben den Gleisen wird es nach derzeitiger Planung nicht geben“, sagt Ulrich Mölke, Chefplaner der Strecke. Ein Zaun zerschneide die Landschaft, vor allem in Naturschutzgebieten ist das nicht durchsetzbar. Dass es den roten Milan, den Seeadler, manch seltenes Getier und eben den Wolf in der Region gibt – wo nach 2014 gut 180 Züge am Tag zwischen 100 und 160 km/h fahren, weiß Mölke. „Wir stehen in engem Kontakt mit Umweltbehörden und Naturschutzorganisationen“, sagt der Planer. Aber Prävention ist auch hier nicht angedacht. „Aber es wird ein Wolfsmonitoring geben, um herauszufinden, wie der Wolf mit der Bahn klar kommt“, sagt Mölke. Das stimmt Jana Schellenberg vom Wolfs-Kontaktbüro in Rietschen nicht hoffnungsvoll. „Es ist zu befürchten, dass der Ausbau der Strecke zu vermehrten Wildunfällen führt“, gibt sie zu Bedenken. Schellenberg verweist auf den Unfall Ende Januar. Da wurde ein junger Wolf auf der Bahnstrecke zwischen Weißwasser und Rietschen von einem Zug getötet. „Zur Minimierung der Unfallgefahr könnte die Strecke gezäunt und mehrere Wildbrücken geschaffen werden“, so Schellenberg. Gibt es das nicht, sieht es schlecht für den Wolf aus. „Die Züge fahren schneller und durch die Elektrifizierung leiser – das ist eine ernste Gefahr“, sagt Bathen.
Deutlich kann man auch hier erkennen: Die natürliche Wiedereinwanderung des Wolfes hat als begrenzenden Faktor die Nutzung der hiesigen Kulturlandschaft. Die Jagdverbände, die die Wiederkehr des Wolfes befürworten, begrüßen dies eben ausdrücklich nur unter der Voraussetzung "natürlich Wiedereinwanderung". Jegliche Maßnahme, die die Wiedereinwanderung fördert (wie "Wolfsschutzzäune" oder "Wolfswarnschilder" an Straßen), dürfte meiner Meinung nach nicht gewollt sein. Wollen wir dem Wolf in unserer Kulturlandschaft eine Chance geben oder wollen wir unsere Kulturlandschaft zum Wohle des Wolfes verändern? Das ist hier die Frage!
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