13.1.15

Quo vadis, Jägerschaft?

In zwei Zeitungsartikel aus Bayern binnen 3 Tagen über die Jagd wird die Widersprüchlichkeit der etablierten Jägerschaft erkennbar:

4. Januar 2015 
Schwarzkittelplage: Warum es den Wildschweinen in Bayern so gut geht
Die Zahl der Wildsäue in Bayern hat bedrohliche Dimensionen angenommen. Sie verursachen schwere Unfälle, richten immense Schäden in der Landwirtschaft an - und attackieren Menschen. Doch es ist nicht leicht, ihnen beizukommen.

Interessant in diesem Artikel ist das Zitat des Präsidenten des Bayerischen Jagdverbandes, der eine effizientere Bejagung als "Kriegserklärung gegenüber dem Wild" bezeichnet:

Und dann sind da noch die Jäger. Zwar betont Jürgen Vocke, der Präsident des Bayerischen Jagdverbands, ein ums andere Mal, dass er und seine 44 500 Jäger "sich der Herausforderung Schwarzwild stellen". Experten wie Hahn, aber auch Forstminister Brunner glauben nicht so recht daran. Sie erinnern daran, dass Vocke sich lange gegen moderne, effiziente Jagdmethoden gesperrt und sie als "Kriegserklärung gegenüber dem Wild" bezeichnet hat. Die Zeiten etwa, in denen Vocke gegen Drückjagden gewettert hat, die von den Staatsforsten praktiziert werden, sind noch nicht lange her. Auch Nachtzielgeräte, die bisher verboten sind, die Brunner seine Fachleute aber mit gutem Erfolg erproben ließ, hat Vocke bisher als "nicht waidgerecht" bekämpft.

Den vollständigen Artikel der Süddeutschen Zeitung kann man hier nachlesen.

Bereits auf dem Schwarzwildsymposium in Nossen (das Jagdblog berichtete) ließen die dort referierenden Schwarzwildexperten keinen Zweifel, dass die Jägerschaft in Sachsen mit der Reduzierung  Schwarzwildüberpopulation völlig überfordert ist. Doch auch dort wurde, wie in Bayern, von den Jagdfunktionären der Einsatz von Nachtsichtgeräten kathegorisch abgelehnt.

Doch 2 Tage später, am 6.1.2015 erschüttert eine Jagdhunderschießung in Bayern, die jedem Hundeführer das Blut in den Adern stocken läßt:
Anlässlich einer Drückjagd auf Schwarzwild in Obernzell im Landkreis Passau bringt es ein Jagdpächter eines  Nachbarrevieres tatsächlich fertig und erschießt 2 überjagende Jagdhunde, verscharrt sie im Wald und wirft GPS Sender und Schutzwesten in die Donau.

Jagdhunde gezielt erschossen- Es war der Reviernachbar
Nach den tödlichen Schüssen auf zwei Jagdhunde in einem Waldstück bei Obernzell (Landkreis Passau) hat die Polizei nun den Täter ermittelt: Es war der Revier-Nachbar des Jägers, dem die Hunde gehörten. Nach eigenen Angaben habe der die Tiere beim Wildern entdeckt - und abgedrückt.
Wie berichtet, waren am Dienstag bei einer Drückjagd zwei Jagdhunde erschossen worden. Nach Erkenntnissen der Polizei waren die Tiere gezielt getötet worden. Die toten Tiere hatten "erhebliche Schussverletzungen" aufgewiesen und waren mit Ästen bedeckt worden.

Am Dreikönigstag  musste der Besitzer seiner Familie  beibringen, dass  die erfahrenen Jagdhunde, Mischling Lola (8, links) und Terrier Babsi (5), am Vormittag  von einem  Jäger im  Nachbarrevier erschossen wurden. - Foto: Passauer neue Presse

Den vollständigen Artikel der Passauer Neue Presse kann man hier nachlesen

Mit diesen beiden Zeitungsberichten wird die völlige Zerrissenheit und Uneinigkeit der Jägerschaft erkennbar. Wird eine schärfere und effizientere Bejagung durch Landwirte und Wald - und Grundbesitzer gefordert, wird sofort durch die etablierte Jägerschaft gekontert "Wir sind keine Schädlingsbekämpfer". Auch heute noch, wo erkennbar Seuchengefahr durch die afrikanische Schweinepest droht, werden Nachtsichtgeräte als unwaidmännisch abgelehnt.

Doch wenn neue Jagdgesetze von den Jäger die Reduzierung  der Wildbestände als oberstes Ziel der Jagd fordern und gleichzeitig der Entzug des Rechtes Haustiere zu töten droht, wird von den Jagdverbänden der drohende Niedergang der Jagd an die Wand gemalt.

Die beiden Artikel über die Jagd in Bayern zeigt, wie sehr die Jägerschaft sich in Bayern von der Gesellschaft des 21. Jahrhundert entfernt hat.

Immer noch hält man am anachronistischen Recht der Erschießung von wildernden Hunden und Katzen fest, auch wenn es immer wieder zu völlig falschen Anwendung dieses Rechtes kommt. Der Schaden für das Ansehen der Jägerschaft durch dieses Recht ist jedesmal unermesslich!!! Eine effiziente Bejagung der Schwalenwildbestände aber lehnt man als Kriegserklärung an das Wild auch bei drohender Seuchengefahr ab.

Der Schütze, der die Hunde erschoss, war Jagdscheininhaber und Jagdpächter. Seine Qualifikation als Jagdpächter hat er dadurch nachzuweisen, dass er nach der Jägerprüfung dreimal zum 1.4. des jeweiligen Jahres seinen Jagdschein gelöst hat. Eine weitergehende Qualifikation besitzt er nicht. Es wird auch keine weitere Qualifikation gefordert. Die Jagdverbände sehen auch bis heute keinerlei Veranlassung, an dieser nicht vorhanden Qualifikation der Jagdpächter etwas zu ändern.

Wer im Jahre 2015 bei völlig überhöhen Schwarzwildbeständen von einer Kriegserklärung gegen das Wild und von Schädlingsbekämpfung spricht, wenn die Öffentlichkeit von den Jägern die Bestandsreduzierung fordert, gleichzeitig aber auf dem anachronistischen Recht des Abschusses von Hunden und Katzen als Notwendigkeit der Hege  besteht, muss sich fragen, ob solch eine Jägerschaft in der heutigen Gesellschaft noch eine Existenzberechtigung hat.
  
Die beiden Artikel zeigen, dass die Jagd in Deutschland ein völlig neues Leitbild braucht. Es stellt sich dringender denn je die Frage:

"Quo vadis, Jägerschaft?"

waidannsheil

Euer

stefan

 








1 Kommentar:

  1. Tatsächlich wird an diesen beiden Artikeln so ziemlich der ganze jagdliche Missstand in Bayern deutlich. Als junger Forststudent, wie ich es bin, bin ich erst so wirklich im und ums Studium mit dem Thema Jagd konfrontiert worden. Natürlich hat man da automatisch andere Ansichten und Schwerpunkte, aber Jagd ist Jagd und sollte Jagd bleiben. Mir war davor nicht bewusst, welche heftige Auseinandersetzung es in Bayern gibt, dass jetzt schon Jagdhunde der anderen erschossen werden ist ein wirklicher Tiefpunkt dieses Konflikts. Daran wird mehr als deutlich, es geht nicht um sachliche Inhalte, sondern um Vorurteile und um den eigenen Dickschädel. Es geht darum, dass nur die eigene Ansicht der Jagd die richtige ist. Dass, auch in Anbetracht des steigenden Schwarzwildbestandes, das Nachtzielgerät vom BJV, eher dessen Vorstand, immer noch abgelehnt wird, zeigt dies nur allzu gut, dass sogar manche noch die Drückjagd ablehnen, lässt tatsächlich die Frage offen, in welchem Jahrhundert wir eigentlich leben. Als ich letztens auf einer Podiumsdiskussion, zum Thema „Nix Neues bei de Reh?“, war wurde einmal mehr klar, dass viele Probleme noch immer die alten sind. Während ich eigentlich mit der Erwartung, tatsächlich etwas Neues über das Rehwild zu hören, hinging, wurde sehr schnell klar, so viel Neues gibt es nicht, wir streiten lieber über die Erkenntnisse, die wir schon seit vielen Jahren haben und kommen nicht weiter. Dann wird sich gewundert, warum sich das Ansehen der Jägerschaft zusehends verschlechtert! Der Haustierabschuss zeigt tatsächlich diese Wiedersinnigkeit, ohne neutral und differenziert an dieses Thema heranzugehen wird er bis aufs Letzte verteidigt, obwohl der Schaden für die Jägerschaft einem zweifelhaften Nutzen bei weitem übersteigt. Da werden dann der Schalldämpfer und das Nachtzielgerät als nicht w(a/e)idgerecht abgestempelt, obwohl letzteres ganz klar die Sicherheit bei der Jagd erhöhen würde, und Studien und Untersuchungen missachtet. Denen der Schwarzwildschaden jetzt schon über den Kopf wächst, jagen doch jetzt schon fleißig in der Nacht, ob bei zweifelhaften Licht oder illegal mit Nachtzielgerät.

    Die Leserbriefe in den verschiedenen Zeitungen lassen oft keinen Unterschied mehr zwischen Jägern und Jagdgegnern mehr erkennen, wenn es um die vergangene Drückjagden geht. Wenn Jäger wider besseren Wissens schon den Untergang des Rehwildes prophezeien, was soll dann erst die breitere Bevölkerung, die dazu kein Hintergrundwissen hat, denken? Ja, die Jagd braucht ein neues Leitbild, obwohl ich mich schon auch frage, hatte sie denn überhaupt eines? Über dieses neue Leitbild wird in der Jägerschaft vermutlich die nächsten Jahrzehnte munter weiter gestritten. Wir sollten nur nicht vergessen, dass das Jagdrecht nur einem gehört und das ist der Grundbesitzer, der ist auf die Jagd angewiesen und nicht auf streitwütige Jäger und den Haustierabschuss.

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