24.7.07

Regeln für die Bockjagd zur Blattzeit


Rehbrunft, für den Rehwildjäger die schönste Zeit im Jahr
Photo: www.natur-5seenland.de/Jahreslauf/rehbrunft.htm


Das Jagen zur Blattzeit ist sicherlich für den Rehwildjäger ein Höhepunkt im Jagdjahr. Ich habe fast alle meine Urlaube immer in die Blattzeit gelegt und durch zahlreiche Jagdtagebucheintragungen eine recht genaue Erfassung der Blattzeiterlebnisse.

Hier meine Erkenntnisse aus vielen Jahren des Jagens zur Blattzeit:

Wetter:

Der Bock liebt die Hitze des Hochsommers, weshalb auch der Höhepunkt der Blattzeit Anfang August - während der Hundstage - stattfindet. Die unerträgliche Hitze scheint den Bock regelrecht anzustacheln und er treibt dann auch tagsüber.
Ist der Monatswechsel Juli/August kühl und nass, verläuft die Blattzeit fast unbemerkt, das Revier wirkt wie ausgestorben.

Blatten:

Bis zum 5. August hat das Blatten noch nie funktioniert, da fast alle Böcke bei einer Ricke stehen. Ich habe einmal geblattet, als ich einen ein Bock vor hatte, der bei einer Ricke stand; er hat nur gelangweilt die Lauscher bewegt. Das Blatten braucht man nicht zu üben, die Böcke springen ab August auch auf ein quietschendes Karrenrad, wenn sie auf der Suche nach einem weiblichen Stück sind. Dabei ziehen sie suchend und völlig geistesabwesend durch den Wald und nehmen oft den Menschen gar nicht wahr.

Ab Anfang August ist jedoch einfach alles möglich. Scheinbar sind alle Regeln des Jagens außer Kraft gesetzt. Die Böcke treiben dann oft auch am Tag und an den unmöglichsten Stellen. Ich habe sie schon inmitten eines Autobahnkreuzes, in den Krautgärten am Dorfrand, oder 10 Meter neben dem mit ohrenbetäubenden Lärm arbeitenden Mähdrescher treiben sehen, wobei sie dabei oft keinerlei Notiz vom Menschen nehmen.

Für die Ansitzjagd gilt:

Morgen- und Abendansitz wie immer.
Tagsüber an den extrem heißen und völlig windstillen Tagen einen Hochsitz besetzen, an dem man in den letzten Monaten weibliche Stücke beobachtet hat. Maximal 2 Stunden sitzen. Wenn kein Keuchen oder Fiepen zu hören ist, abbaumen und zum nächsten Sitz pirschen. Dann geht es im gleichen Zeitraum weiter.
Beobachtet man führerlose Kitze, heißt es aufgepasst: Die Ricke steht nur unweit beim Bock und kommt alle 3-4 Stunden zum Säugen der Kitze zurück. Wenn man Glück hat, begleitet sie der Bock, um sie nicht aus den Augen zu lassen. Auf jeden Fall aber treibt der Bock die Ricke in unmittelbarer Nähe der abgelegten Kitze. Das Hochzeitspaar kann nicht weit sein!

Zwei Blattzeiterlebnisse, die Aufschluss über den "geistigen Zustand" der Böcke zur Blattzeit geben, sind in meinem Jagdtagebuch vermerkt:

Am 2.8.1978 erlegte ich abends um 17.50 einen Knopfbock, der sichtlich nervös auf einer Wiese, immer in den Wald sichernd, erschienen war. Ich brach den Bock auf und da es noch früh am Abend war und ich als Jungjäger ohne Auto und Führerschein auf meine Abholung warten musste, hing ich den Bock unter den Hochsitz und setzte mich wieder auf den selbigen. Kaum saß ich wieder, eine halben Stunde mag vergangen sein, trat an exakt der Stelle, an der der Knopfbock ausgetreten war, ein starker Sechser mit einer Ricke aus. Und es kam noch besser: Sofort fing der Bock genau an der Stelle an, die Ricke zu treiben, wo ich eine halbe Stunde vorher den Knopfbock geschossen und aufgebrochen hatte.
Die Erlegung von 2 Böcken binnen 1 Stunde an ein und der selben Stelle wäre möglich gewesen!

Am 28.7.2001 sitze ich in der Früh auf einer Leiter an einer versteppten Wiese. Dahinter beginnt ein Weizenschlag. Kaum ist es hell, steht vor mir ein Knopfbock im verfilzten Gras und ich erlege ihn. Nachdem ich abgebaumt war und wenige Meter vor meinem Bock stehe, stürmt aus dem vor mir liegenden Weizenfeld sein Rivale und beginnt nur 2 Meter vor dem toten Bock mit gesenktem Haupt an zu plätzen. Von mir nahm er keinerlei Notiz. Erst als ich ihn anschrie: "Mach dich vom Acker, das ist mein Bock!", trollte er sich sich. Wirkliche Scheu aber zeigte er keine.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Ab 25.7. wird es interessant. Man kann den ganzen Tag, auch mittags raus gehen, die Chancen, einen treibenden Bock anzutreffen, sind überall im Revier und zu allen Tageszeiten gleich hoch.
Ob Lärmbelästigung, direkte Ortsnähe oder das Erlegen eines Geschlechtsgenossen, scheinbar gibt es in diesen Tagen nichts, was den Bock davon abhält, seine Angebetete zu treiben.

Eine bestätigende Statistik eines alten Jägers mit über 100 Böcken:
Seine 3 Goldmedallienböcke hat er alle in einer ersten Augustwoche, mittags zwischen 12.00 Uhr und 15.00 Uhr, bei brütender Hitze erlegt.


waidmannsheil

Euer


stefan


Nachtrag:
Wie der Zufall so spielt. Nur wenige Tage nach dem Einstellen dieses Artikels bestätigen sich am 28.7.2007 obige Regeln!

Hier meine Erlebnisse vom 28.7.2007

Wenn ich die Regel des alten Jägers zitiere, der mit über 100 erlegten Böcken seine 3 Goldmedaillienböcke zur Mittagszeit bei brütender Hitze Anfang August erlegt hat, ernte ich oft nur Kopfschütteln.

"Brütend heiß muss es sein und mittags musst du raus, dann erlegst Du den kapitalen Bock, wenn es kühl und nass ist, dann treiben sie nicht", war seine Erfolgsdevise.

Gestern, am 28.7.2007 bestätigten sich alle Regeln auf einmal.
Morgens um 4.30 hinaus. Bei kühlem Wind wirkt der vor mir liegene Stoppelacker mit seinen Strohballen und dem bleiernen Himmel schon fast herbstlich. Einige Tauben und Hasen sammelten die einzelnen verloren gegangenen Körner auf. Ansonsten absolute Funkstille. Kein Bock, keine Ricke, nichts.
"Wenn es kalt und windig ist, dann liegen sie nur herum und treiben nicht" ging mir der Spruch des erfahrenen Jägers durch den Kopf.
Also wieder nach Hause und ins Nest , um den Schlaf nachzuholen.
Um 13.00 dann der Anruf und eine Einladung zum Hundespaziergang durch die Weinberge. Regenjacke und lange Hosen waren angesagt bei diesem Herbstwetter. Natürlich schweift der Blick auch außerhalb des Reviers über die Landschaft und ich konnte es nicht lassen, trotz des anstrengenden Gesprächs aufmerksam die Reihen der Weinreben genau abzusuchen.
Da lag er dann auch: Kaum 50 Meter rechts neben dem Wanderweg zwischen den Reben. Ein hochkapitaler Sechser, gut doppelt Lauscher hoch und völlig ermattet vom Treiben.
Doch es kam noch besser. Kaum 200 Meter weiter das gleiche Bild , diesmal links im Weinberg ein etwas jüngerer und nicht ganz so starker Bock, aber deutlich über Lauscher hoch auf. Diesmal lag er neben seiner Angetrauten. Der Blick auf die Uhr bestätigte die Regel: Es war 14.15.

Das diesjährige herbstliche Regenwetter bringt sie nicht auf Trab, wir brauchen die Hitze des Hochsommers, erst dann treiben sie.
Hoffentlich wird es nächste Woche richtig heiß!!!

waidmannsheil

Euer

stefan



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