31.5.07

Christa´s erster Bock- Die Eindrücke eines Lehrprinzen

Jeder Jungjäger kann sich glücklich schätzen, zu Beginn seiner Jägerkarriere einen gutmütigen, aber auch erfahrenen Lehrprinzen zu finden.
Aufgabe des Lehrprinzen ist es, den Jungjäger über die ersten Hürden zu tragen, die sich vor einem auftun, wenn man den beschwerlichen Gang beschreitet, der einen irgendwann zum Jäger werden lässt.
Nicht nur jagdliche Kenntnisse, sondern auch Einfühlungsvermögen und psychologische Unterstützung sind notwendig, um den Jungjäger an das Jagen heranzuführen.
Wenn es sich bei dem Jungjäger dann auch noch um eine junge Frau handelt, die es wagt, in die Männerdomäne "Jagd" einzudringen, ergeben sich für einen erfahrenen Jäger und Förster doch noch erstaunliche neue Erkenntnisse.

Hier der Bericht von Christa´s Lehrprinzen:




Christa wird Jäger - Chronologie eines Dramas in 5 Akten
von Robert Hoffmann


Donnerstag, 24.5.2007

Gegen Mittag, nach stundenlanger Irrfahrt durch die Heide, rollte sie an, unsere Jungjägerin. Oder eigentlich rollte sie nicht an, sondern vorbei.

Ehrt mich ja, ich muss so abgenommen haben, dass man mich übersehen kann, wenn ich neben dem markant beschriebenen Geländewagen an der Strasse stehe.
Nach ca. halbstündiger Sightseeing-Tour durch unser 350 - Seelen - Dörfchen erreichte uns Christa also die Försterei - zu Fuß und mit Hund. Warum, weiß niemand.

"Charly" war ebenfalls mit ihrem Labrador angekommen und so widmeten wir uns zunächst dem, was wir am drittbesten können - Hunde tyrannisieren. Erschöpft und nach Kaffee lechzend beging Christa den ersten großen Fehler, sie meint, Rocky und meine Dachsbracke könnten Freunde fürs Leben werden. Ein fataler Irrtum, mein "Räuber" hat keine Freunde, mein Räuber hat Opfer. Aber auch das Problem ließ sich lösen, Dachsbracke wanderte in den Kennel und Rocky durfte ins Wohnzimmer. Womit sich Christas und Rockys Wege trennten, denn Professional Hunters wie Rocky und meinereiner erkennen sich auf den ersten Blick.

Nachdem dann auch der Papageienjäger samt 4 DD angekommen war, siedelten wir um in die Jagdhütte, die bald darauf eher Wallensteins Lager gleicht als der gemütlichen kleinen Bleibe die sie mal war. 3 Hundeboxen auf der Terrasse, Rucksäcke, Gewehre, Schlafsäcke wahllos im Wohnzimmer verteilt - hoffentlich überwiegen bei unserer Jungjägerin die jagdlichen Qualitäten, als Hausfrau scheint sie jedenfalls eine Enttäuschung zu sein.

Nach kurzer Einweisung gings also raus - furchtbar, diese umtriebigen Jungjäger - einfach keine Ruhe im Hintern.
Während Freund Michael einen beuteträchtigen Hochsitz bezog, liess ich unsere Christa erst mal etwas "abtraben", da wo sie saß, kommt garantiert nichts.
Rocky blieb beim Förster, auch das stellte sich als zielführend heraus, denn während Christa meine Bäume bewacht, knallte es beim Papageienjäger und der erste Bock lag.

"Res ad triarios", pflegte man in Rom zu sagen, Res ad Rocky, beschloss ich und so machte Christas Hündchen seine erste Nachsuche. Gut, über die Feinheiten der Riemenfestigkeit wird noch zu reden sein, aber die dicke Schnuffelnase blieb am Boden, bis wir am Bock standen.

Niederträchtig wie Männer nun mal sein können, beschlossen wir, Christa aufbrechen zu lassen, also wanderte der Bock ins Auto und wir fuhren los zum vereinbarten Treffpunkt, wo sie schon wartete. Die Begrüssung ihres Hundes fiel etwas frostig und einseitig aus, Rocky wusste inzwischen, wer die Rehe liefert.
Über das nachfolgende Gemetzel, landläufig auch Aufbrechen genannt, wollen wir den Mantel des Schweigens und der christlichen Nächstenliebe bereiten, immerhin wurde Essbares von Nichtessbarem getrennt und auch Rocky kam nicht zu kurz.

Dagegen darf der zweite grössere Fehler unserer Azubine nicht unterschlagen werden: Nachdem der Bock wieder im Auto war, kam des Papageienjägers Anregung, jetzt freue er sich auf ein lecker kühles Bierchen, Christa habe doch sicher das mitgebrachte Fässchen in den Kühlschrank gestellt. Auch ich ziehe Geschmacksfäden, immerhin ist es ca. 10 Jahre her, seit ich das letzte "Kölsch" bekam. Um so entsetzter war auch ich, als Christa sich für nicht zuständig erklärte. Nein, die Marketenderei funktioniert noch nicht ordnungsgemäß, ich frage mich wirklich, was die den Jungjägern heutzutage beibringen.

Sei`s drum, Kölsch schmeckt auch mit einer Trinktemperatur von Rotwein, wenn nur ein Bock tot getrunken werden kann.


Freitag, 25.5.2007

Der nächste Morgen blieb ereignislos, wenn man davon absieht, dass Christa ihren Hund zur Luftfracht erklärte und ihn die Hochsitzleiter raufwuchtete.

Gegen Mittag setzten wir kurzerhand um nach Brandenburg zu meinem Freund Viktor.

Während wir gemütlich in der Halle sassen, tobte draussen ein Unwetter, das unsere jagdlichen Pläne zunächst mal in den Hintergrund treten liess, denn mit dem letzten Regentropfen erschien Freund Viktor, um uns zum Rettungsdienst zu holen. Sämtliche Verbindungsstrassen waren zugeworfen, mittendrin standen Haushälterin und Tochter und harrten der Rettung.

Nachdem wir die Feinarbeiten der örtlichen Feuerwehr überlassen konnten, auch die Kühe statt Dachscherben wieder das gewohnte Futter vor der Nase hatten, beschloss die rast - und ruhelose Jungjägerin, noch nach den Böcken sehen zu wollen.

Mein ist die Rache, sprach der Herr und so präsentierte ich dem Papageienjäger, dass es in Brandenburg mehr Rehe als in Westfalen Hasen gibt. Dessen Kommentar war: "Grosses Kino, ganz großes Kino," und auch Christa war ganz zufrieden, hatte sie zwar wieder nix geschossen, aber doch immerhin ein halbes Dutzend Rehe, mehrere Stücke Rotwild und diverse Füchse und Hasen gesehen.

Auch bei mir war allerlei los, Sauen, Rehwild, Damwild, Muffelwild kamen vorbei, aber nichts, was man hätte schießen können oder müssen.

Völlig groggy fielen wir gegen 23:00 Uhr in komatösen Tiefschlaf.


Samstag, 26.5.2007

Der Morgen brachte Nebel, Kälte, keine Rehe, es war nix los.

Erst als der Nebel schwand, lohnte sich eine kleine Revierfahrt, die zwar zahlreiche Rehe in Anblick brachte, aber unsere Böcke sind nicht so leicht zu bekommen, außerdem war mir unsere Jungjägerin noch viel zu gierig, wir beschlossen, sie noch einen Tag hungern zu lassen. Also gings nach opulenten Frühstück heim in die Heide, allerdings ohne den Jäger der Papageien, der noch "Dienst" hatte.

Sonntag, 27.5.2007

Den Tag sollte man komplett verschweigen, denn er brachte nur Ärger und Kummer.
Zunächst lief Christa einer der stärkeren Keiler, die wir so haben, quasi über die Füsse. Dann kam der verd..... Bock wieder nicht und Christa musste wieder beutelos von dannen ziehen, um zusammen mit A. bei uns zum Kaffee aufzulaufen.
Der dehnte sich dann so lange aus, dass der Abendansitz ausfiel, hätte witterungsbedingt auch nichts gebracht.

Nun schien es mir an der Zeit, unseren Gast zu erlösen, ich empfahl einen Wechsel des Ansitzplatzes, wo ich den Bock wusste, den Christa schießen sollte. Ein tragischer Fehler, denn ich hätte sie dort abends placieren sollen.

Montag, 28.5.2007

Schlag 8:00 Uhr klingelte das Telefon. Und das am Pfingstmontag.

"Bob, ich brauch dich hier, ich find den Bock nicht."

Am Tatort angekommen traf ich eine "etwas" zwiespältige Jungjägerin, die in der letzten Stunde offenbar über glühende Kohlen gelaufen war, denn sie wusste weder, wohin sie geschossen hatte, noch worauf sie geschossen hatte, noch wo das, was sie beschossen hatte, hingelaufen war.
Man kann Jungjäger ja auch erst nach 3 Jahren zum Jäger schlagen.

Aber kein Problem für meinen Räuber, der im Gegensatz zu mir nicht unter morgendlicher Unlust leidet, nach ein paar Minuten standen wir am Bock.


Die Erlegung aus Sicht der Jungjägerin kann man hier nachlesen.



Lieber Bob,
für die Mühe, die Du Dir mit Christa gemacht hast, möchte ich Dir danken. Es ist sicherlich keine Selbstverständlichkeit, einem jungen Jäger so viel Zeit zu widmen.
Ich hoffe, Du wirst noch viele zufriedene Jungjägergesichter in die Heide zaubern.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude bei der Arbeit als Lehrprinz.


waidmannsheil



stefan

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